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Ingrid Miethe: Biografiearbeit

Rezensiert von Dr. Georg Singe, 06.05.2011

Cover Ingrid Miethe: Biografiearbeit ISBN 978-3-7799-2241-4

Ingrid Miethe: Biografiearbeit. Lehr- und Handbuch für Studium und Praxis. Juventa Verlag (Weinheim) 2011. 170 Seiten. ISBN 978-3-7799-2241-4. 14,00 EUR. CH: 21,90 sFr.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-7799-3701-2 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.

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Autorin, Thema und Entstehungshintergrund

Dr. phil. Ingrid Miethe ist Professorin für Allgemeine Erziehungswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

In Anknüpfung an ihre bisherigen Forschungen legt die Autorin mit diesem Lehr- und Handbuch für Studium und Praxis ein übersichtliches und handliches Werk zur Biografiearbeit vor. Das Buch stellt systematisch verschiedene methodische Ansätze in unterschiedlichen Handlungsfeldern dar.

In der Einleitung wird die Bedeutung der Biografiearbeit herausgearbeitet, die in modernen Gesellschaften zu einem immer größeren Thema wird. Es reicht ein Blick in die Forschungsarbeiten von Miethe, um die Bedeutsamkeit von Biografiearbeit und –forschung herauszustellen. Sie hat 1998 in Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin bei Prof. Peter Grottian zu lebens- und kollektivgeschichtlichen Biografieverläufen von Frauen in der DDR-Opposition promoviert, sich 2007 in Erziehungswissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zum Thema „Bildung und soziale Ungleichheit in der DDR“ habilitiert und arbeitet auch in der 2009 erschienenen Studie „Biografie, Bildung und Institution. Die Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten in der DDR“ biografierelevante Faktoren für institutionelle Bildungsprozesse heraus. Für den Anwendungsbereich der Biografiearbeit in der Disziplin und Profession Sozialer Arbeit fehlte bisher eine systematische Darstellung, die sich mit der Herausgabe dieses Handbuches schließt.

Aufbau und Inhalt

Das Buch gliedert sich in drei große Kapitel und schließt mit zwei kleineren Kapiteln einmal zum spezifischen Thema des Umgangs mit Traumata in der Biografiearbeit (S. 142-152) und zum andern mit Schlussfolgerungen für die Praxis und die Ausbildung (S. 153-160)

Zunächst wird im Kapitel 1 (S. 11 – 45) versucht, den Begriff „Biografie“ über die Bedeutungsstrukturierung wichtiger Ereignisse im Lebenslauf, die als subjektive Konstruktionen verstanden werden, zu definieren. Zudem wird Biografiearbeit von anderen Ansätzen abgegrenzt, denn nur so ist eine perspektivische Weiterentwicklung und Professionalisierung der Methode möglich. Besonders schwierig gestaltet sich die Abgrenzung der Biografiearbeit zur Therapie, da alle therapeutischen Verfahren verschiedene Ansätze der Biografiearbeit in der einen oder anderen Form nutzen. Von der Praxis her lässt sich die Vielfältigkeit der Biografiearbeit aufzeigen, denn sowohl die informelle als auch formelle Form, Gruppen- oder Einzelsettings, unterschiedliche Rahmenbedingungen und Methoden prägen diesen Ansatz.

Im zweiten Kapitel (S. 46-100) werden die Traditionslinien der Biografiearbeit in der Psychoanalyse, der Humanistischen Psychologie; der Systemischen Familientherapie, der Biografieforschung, der geschichtswissenschaftlichen Bewegung der Oral History und der Anthroposophie dargestellt und diskutiert. Hier zeigt sich die Vielfalt und unterschiedliche Verankerung der Biografiearbeit in teilweise divergierenden wissenschaftlichen Strömungen. Nur in Kenntnis der jeweiligen Traditionen können die Ressourcen dieser Traditionen für die Praxis und Weiterentwicklung der Biografiearbeit genutzt werden. Nur so kann sich „das in der Biografiearbeit liegende Potential“ (vgl. S. 8) voll entfalten.

So vielfältig die Traditionslinien der Biografiearbeit sind, so vielfältig sind auch die praktischen Handlungsfelder, in denen Biografiearbeit eingesetzt wird. Die Autorin beschreibt im dritten Kapitel (S 101- 141) verschiedene Einsatzfelder wie die Altenbildung und Altenpflege, die Kinder- und Jugendhilfe und die Behindertenhilfe. Diese Liste ließe sich noch fortsetzen und würde dann fast alle Arbeitbereiche der Sozialen Arbeit betreffen.

Diskussion und Fazit

Die Darstellung gibt nicht nur einen Überblick über den Stand der Praxis der Biografiearbeit in den unterschiedlichen Handlungsfeldern, sondern bezieht auch den aktuellen Forschungsstand zu den jeweiligen Bereichen mit ein. An einigen Stellen könnten die theoretischen Ausführungen etwas ausführlicher dargestellt werden. Dies ist im Hinblick auf die Konzeption des Werkes als Lehrbuch - so ein Hinweis in der Einleitung – unterblieben. Auch die kritische Funktion der Biografiearbeit im Hinblick auf die Standards Sozialer Arbeit könnte zum Beispiel auf weitere Einsatzfelder näher beleuchtet werden. Offene Fragen, warum z.B. Biografiearbeit im Kontext der Arbeitslosenhilfe nicht eingesetzt wird, werden im Buch nicht gestellt. Dafür ist das Plädoyer für eine verstärkte Ausbildung in der Arbeitsform der Biografiearbeit im letzten Kapitel sehr deutlich, um ein qualitatives Mindestniveau des Arbeitsansatzes auch gewährleisten zu können. Der Autorin ist zuzustimmen, wenn sie schreibt, dass „Biografiearbeit kein Arbeitsansatz [ist], den man ‚einfach mal so‘ machen kann“ (S. 153). Daher eignet sich dieses auch als Handbuch ausgelegte Werk sowohl für die Praxis wie für das Studium, um einen einführenden Überblick zu erlangen und die Neugierde auf eine umfassende Qualifizierung in der Biografiearbeit zu verstärken.

Rezension von
Dr. Georg Singe
Dipl.-Sozialarbeiter, Dipl.-Theologe, Systemischer Familientherapeut, Supervisor und Lehrtherapeut (DGSF)
Dozent an der Fakultät I für Bildungs- und Gesellschaftswissenschaften, Fachbereich Soziale Arbeit der Universität Vechta
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Es gibt 26 Rezensionen von Georg Singe.

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ISSN 2190-9245