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Herbert Kubicek, Barbara Lippa et al.: Erfolgreich beteiligt?

Rezensiert von Dr. Stefan Anderssohn, 20.06.2011

Cover Herbert Kubicek, Barbara Lippa et al.: Erfolgreich beteiligt? ISBN 978-3-86793-304-9

Herbert Kubicek, Barbara Lippa, Alexander Koop: Erfolgreich beteiligt? Nutzen und Erfolgsfaktoren internetgestützter Bürgerbeteiligung ; eine empirische Analyse von 12 Fallbeispielen. Verlag Bertelsmann Stiftung (Gütersloh) 2011. 126 Seiten. ISBN 978-3-86793-304-9. 23,00 EUR.
Mit CD-Rom.

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Thema

Ob "Stuttgart 21", "Energiewende" oder "Atommüll-Endlager": Diese Stichworte aus der aktuellen Diskussion markieren, dass Politik in diesem Land heutzutage nicht mehr von „oben herab“ und ohne die Bürgerinnen und Bürger zu machen ist. Deshalb haben sich Parteien die enge Kommunikation und Abstimmung mit Betroffenen auf ihre Fahnen geschrieben.

Lokale oder großräumige Bürgerbeteiligungsverfahren stellen dabei das Instrument dar, Betroffene und Akteure aus Politik und Wirtschaft an einen Tisch zu bringen, und sie führen im besten Falle zu Entscheidungen, die von einer breiten Mehrheit getragen werden. Gerade angesichts der Bedeutung, die der Beteiligung zufällt und zukünftig noch zukommen wird, erhält auch die Frage nach der Qualität ein größeres Gewicht: Wann sind Beteiligungsverfahren erfolgreich und was lässt sie erfolgreich werden? Andersherum: Wie lässt sich der Erfolg oder Misserfolg eines Verfahrens bewerten? Dies sind die Fragen, denen Herbert Kubicek , Barbara Lippa und Alexander Koop in ihrer Studie nachgegangen sind und auf die sie interessante Antworten gefunden haben.

Autorin und Autoren

Als Diplom-Medienberaterin und studierte Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin sowie Soziologin ist Barbara Lippa seit 2006 am Bremer Institut für Informationsmanagement (ifib) tätig. Dort erarbeitet sie Projekte, Studien und Gutachten zum Bereich elektronische Partizipation im Schwerpunkt eDemocracy des ifib.

Alexander Koop arbeitet nach dem Studium der Politikwissenschaft und nach mehrjähriger Beratertätigkeit seit 2008 als Projektmanager bei der Bertelsmann Stiftung, zurzeit mit den Schwerpunkten Demokratie/Verwaltung und Neue Medien.

Prof. Dr. Herbert Kubicek ist seit Professor für Angewandte Informatik an der Universität Bremen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Informationsmanagement und Telekommunikation. Herbert Kubicek ist seit 2003 ebenfalls am ifib tätig.

Aufbau und Inhalt

Der Textteil der Veröffentlichung gliedert sich in sechs Teile:

Anstelle eines üblichen Vorwortes finden eilige Leser eine prägnante Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie.

  1. Danach beginnt der eigentliche Textteil mit dem ersten Kapitel: "Zielsetzung und Gegenstand der Studie": Dabei geht es im Wesentlichen um die Frage, welche Wirkungen und Faktoren sich für erfolgreiche Beteiligungsverfahren bestimmen lassen und welche Auswirkungen dies auf die Evaluation zukünftiger Verfahren haben kann. Bei den 12 untersuchten Beteiligungsformen handelt es sich um konsultative Bürgerbeteiligungsverfahren, die überwiegend eine "Kombination aus Online- und traditionellen und Kommunikationsformen" beinhalten (Seite 18).
  2. Das Kapitel 2 "Ausgangslage: Annahmen und Forschungsstand zur Bürgerbeteiligung" kommt zu der Ansicht, dass bislang nur wenig empirisch gesichertes Wissen darüber besteht, was Bürgerbeteiligungsprozesse erfolgreich macht. Die Autoren stellen eine Arbeit aus dem Jahre 2009 eingehender vor, deren Bewertungsraster auch der vorliegenden Studie als methodischer Ansatz dienen soll.
  3. Dies wird in Kapitel 3: "Konzeptioneller und methodischer Ansatz" auf ungefähr 20 Seiten breiter ausgeführt. Zunächst werden die 12 internationalen Bürgerbeteiligungsprojekte - unterschieden nach den Bereichen: Bürgerhaushalte, Leitbildkonsultationen, Planungsvorhaben und legislative Konsultationen – in ihren Eckpunkten tabellarisch kurz dargestellt. Danach wird das Bewertungsraster mit den dazugehörigen Fragen für die zehn Erfolgsfaktoren und sieben  -kriterien dargestellt. Das Autorenteam unterscheidet hier zwischen so genannten "Erfolgskriterien", d.h. den Auswirkungen, und den "Erfolgsfaktoren", d.h. den Input-Bedingungen, die Beteiligungsverfahren erfolgreich werden lassen. Kriterien betreffen u.a. die Erarbeitung lösungsrelevanter Informationen oder ob das Verfahren die Zielgruppe auf breiter Basis einbinden konnte (Reichweite/Inklusivität). Erfolgssteigernde Faktoren sind z.B. die klare Zielsetzung, Mobilisierung und Transparenz bei der Durchführung. Kriterien und Faktoren werden für jedes der zwölf Beteiligungsverfahren von drei unabhängigen Auswertern auf einer Rating-Skala von eins (wenig erfolgreich) bis fünf (erfolgreich) bewertet, sodass jedes Verfahren ein spezifisches Profil erhält. Da es sich um eine Beurteilung im Nachhinein, d.h. nach Ablauf des Beteiligungsverfahrens handelt, spricht das Autorenteam auch von einem "interpretierenden Expertenurteil" (Seite 50, Hervorhebung im Original), das im beigefügten Materialband dokumentiert wird (s.u./CD-ROM).
  4. Mit den Auswirkungen, sprich: "Erfolgkriterien", der zwölf untersuchten Beteiligungsprojekte befasst sich das vierte Kapitel: "Empirische Befunde zu den Wirkungen erfolgreicher Konsultationen". Über alle Beteiligungsverfahren hinweg haben die Kriterien die höchsten Werte erzielt, die die Erarbeitung lösungsrelevanter Informationen, die Einflussmöglichkeit der Bürger/innen auf das Ergebnis sowie die Zielgruppen-Reichweite betreffen. Danach werden die Kriterien für die Verfahrensgruppen einzeln tabellarisch und in Diagrammen dargestellt.
  5. "Empirische Befunde zu den Erfolgsfaktoren für Konsultationen", das fünfte Kapitel, stellt die Einflussgrößen dar, die zu einem effizienten Ergebnis des Bürgerbeteiligungsverfahrens führen. Auch hier sind es im Wesentlichen drei Faktoren, die ausschlaggebend erscheinen und deutlich hohe Werte erzielen: die klare Zielsetzung, Dringlichkeit des Themas und die eingesetzten Ressourcen. Des Weiteren wird dargestellt, wie sich die einzelnen Faktoren auf jedes der Erfolgskriterien auswirken. Das Autorenteam kommt zu dem Schluss, dass es neben generellen Erfolgsfaktoren auch spezifische Einflussgrößen gibt, die sich auf Teile der Auswirkungen beziehen. So sichert z.B. eine hohe Mobilisierung die Reichweite und Inklusivität, aber nicht die Qualität der lösungsrelevanten Informationen, d.h. die Güte der produzierten Beiträge und Lösungen.
  6. Das letzte Kapitel: "Schlussfolgerungen" bringt zunächst Praxisempfehlungen. Kubicek, Lippa und Koop sehen es durch ihre Studie als erwiesen an, dass gut gemachte Bürgerbeteiligungsverfahren zu wertvollen Ergebnissen führen können und heben noch einmal die generellen Erfolgsfaktoren hervor sowie die Auswirkungen spezifischer Faktoren. Im Blick auf die Evaluation zukünftiger Beteiligungsprojekte wird angemerkt, dass nicht alle Projekte per Benchmark "über einen Kamm geschoren" werden dürfen, sondern differenziert anhand ihrer Zielsetzung bewertet werden sollten. Daher erhält aus Sicht der drei Autoren "das in dieser Studie erarbeitete Strukturmodell seine Bedeutung als Bezugsrahmen für die Auswahl von Evaluationskriterien für unterschiedliche Zwecke" (Seite 104). Zudem skizzieren die Autoren offene Fragen für weitere Forschungsfelder.

Im Anhang finden sich das Literaturverzeichnis, der Quellennachweis für die dargestellten Projekte sowie die operationalisierten Items für die Erfolgskriterien und –faktoren.

Dem Buch ist eine CD-ROM mit dem Materialband (pdf-Version) beigegeben. In diesem Materialband finden sich zum "Zweck der lückenlosen Dokumentation und Nachvollziehbarkeit des methodischen Vorgehens" (Materialband, Seite 6) die Darstellung der gesamten Fundstellen und ihrer Bewertung für alle Erfolgsfaktoren und –kriterien der analysierten Beteiligungsverfahren.

Diskussion

Erst einmal vorweg: Trotz des Buchuntertitels, der von "internetgestützter Bürgerbeteiligung" spricht, spielt dieses Medium in der Studie eine unspektakuläre Rolle. Zwar beziehen alle zwölf dargestellten Projekte das Internet als Kommunikationskanal ein – dies entspricht ja durchaus dem momentanen informationstechnischen Vernetzungsgrad unserer Gesellschaft –, doch spielt das Medium für sich allein genommen eine durchaus untergeordnete Rolle. Entgegen der sonst oft propagierten Vorreiter-Rolle des Internets belegt es in Form des Erfolgsfaktors "angemessene Beteiligungsformate" in dieser empirischen Studie einen hinteren Platz, obgleich es als Kommunikationsform zur Effizienz der Veranstaltung beitragen kann.

Überraschend auch die Dominanz der Erfolgsfaktoren: Zielsetzung, Dringlichkeit und Ressourcen, wo doch für die Teilnehmer/innen die Faktoren: Transparenz und Verbindlichkeit die Grundbedingungen für erfolgreiche Bürgerbeteiligung sind. Diese sind notwendige, aber allein nicht hinreichende Bedingungen, die durch weitere Faktoren unterstützt werden müssen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch der Hinweis des Autorenteams, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen: Bürgerbeteiligungsprojekte unterscheiden sich in Anlass und Zielstellung – daher müssen zu ihrer Bewertung auch flexible Kriterien herangezogen werden, wie sie mit der Studie vorgelegt werden. In diesem Sinne bietet auch die Unterscheidung zwischen Faktoren und Kriterien eine praxisnahe und differenzierte Perspektive auf die mehrschichtige Komplexität eines Beteiligungsverfahrens.

Was die Aufbereitung der Studie anbetrifft, liegt auch hier die Würze in der Kürze. Kubicek, Lippa und Koop schaffen es, einen eher trockenen Stoff so darzustellen, dass der rote Faden nicht aus den Augen gerät und Interesse geweckt wird. Hervorzuheben ist dabei die konzise, tabellarische Darstellungsform und der Einsatz von Diagrammen. Der beigegebene Materialband erlaubt eine Vertiefung, ohne jedoch den eigentlichen Text aufzublähen. Damit ist das Buch gleichermaßen wissenschaftliche Studie wie auch praktisches Hilfsmittel, Bürgerbeteiligungsmaßnahmen zu beurteilen und zu planen.

Fazit

Mit ihrer Studie liefern Herbert Kubicek, Alexandra Lippa und Alexander Koop einen wertvollen Beitrag zu einem Forschungsfeld der Demokratieentwicklung, der in den nächsten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Das kompakte und gut verständliche Buch ist allen zu empfehlen, die sich praktisch wie wissenschaftlich als betroffene Teilnehmer/innen, Planer/innen oder Evaluator/innen mit Bürgerbeteiligungsprojekten befassen.

Rezension von
Dr. Stefan Anderssohn
Sonderschullehrer an einer Internatsschule für Körperbehinderte. In der Aus- und Fortbildung tätig.
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Es gibt 47 Rezensionen von Stefan Anderssohn.

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Zitiervorschlag
Stefan Anderssohn. Rezension vom 20.06.2011 zu: Herbert Kubicek, Barbara Lippa, Alexander Koop: Erfolgreich beteiligt? Nutzen und Erfolgsfaktoren internetgestützter Bürgerbeteiligung ; eine empirische Analyse von 12 Fallbeispielen. Verlag Bertelsmann Stiftung (Gütersloh) 2011. ISBN 978-3-86793-304-9. Mit CD-Rom. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/11363.php, Datum des Zugriffs 11.09.2024.


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