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Corinna Ehlers: Care und Case Management in der Pflege [...]

Rezensiert von DSA(in) Mag(a) Karin Goger, 26.05.2011

Cover Corinna Ehlers: Care und Case Management in der Pflege [...] ISBN 978-3-06-450329-8

Corinna Ehlers: Care und Case Management in der Pflege für die Aus-, Fort- und Weiterbildung. Cornelsen Verlag GmbH (Berlin) 2011. 160 Seiten. ISBN 978-3-06-450329-8. 16,95 EUR.
Reihe: Pflegiothek.

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Thema

Corinna Ehlers hat mit dem vorliegenden kleinen Buch eine basale Einführung zu Case Management in der Pflege vorgelegt. Neben Begriffsdefinitionen wird anhand eines Fallbeispiels der Case Management – Prozess nachgezeichnet. Darüber hinaus finden sich Hinweise zu notwendigen Rahmenbedingungen auf Systemebene. Insgesamt scheint sich das Büchlein insbesondere an Pflegefachkräfte zu wenden, die sich erstmals mit dem Thema beschäftigen.

Autorin

Corinna Ehlers hat Sozialarbeit / Sozialpädagogik studiert und verfügt über ein postgraduales Studium der Gesundheitsheitswissenschaften. Sie ist von der DGCC anerkannte Case Managerin und Case Management-Ausbildnerin und lehrt „Theorie und Methoden der Sozialen Arbeit mit dem Schwerpunkt Case Management“ an der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim.

Aufbau und Inhalt

Teil A widmet sich Grundlagen des Case und Care Management: Nachdem zentrale Haltungen, ausgewählte Begriffsdefinitionen und die wichtigsten Funktionen vorgestellt wurden, wird prägnant auf die beiden Ebenen der Umsetzung (Fall- und Systemebene) eingegangen.

Größere Aufmerksamkeit wird im Teil B den Umsetzungsphasen auf Fallebene gewidmet. Illustriert werden die Prozessschritte anhand eines Fallbeispiels.

Ehlers geht dabei von folgender Prozessstruktur aus:

  1. Klärungsphase: Dazu zählen die Konzipierung des konkreten Vorhabens, die Definition der Zielgruppe sowie die Aufnahme einzelner Klienten/Klientinnen in das Programm.
  2. Falleinschätzung: Ehlers fokussiert mit der Beschreibung des zu erhebenden Datensatzes auf den pflegerischen Bedarf; diese Daten sollen Daten um grundlegenden Informationen zur Lebenssituation und zum sozialen Netzwerk der Person ergänzt werden. Die vorgeschlagene Problemanalyse orientiert sich an der Bedürfnispyramide von Maslow, dem gegenüber gestellt werden sollen vorhandene Ressourcen.
  3. Zielformulierung und Hilfeplanung: Die genannten Zielebenen erinnern an die von Neuffer vorgeschlagene Unterscheidung von Grundsatzziel (hier Globalziel) sowie Rahmen- und Handlungsziele. Zur Erstellung des Hilfeplans wird auf die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit von Hausbesuchen hingewiesen.
  4. Umsetzung des Hilfeplans, Linking, Überprüfung und Dokumentation: Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, welches Verständnis von Case Management die Autorin vertritt. Im Vordergrund steht die Vermittlung von Hilfen bzw. die Entwicklung eines klientinnen-/klientenbezogenen Netzwerks. Die kontinuierliche Begleitung der Klientin / des Klienten und Koordination des Fallgeschehens sind offenbar keine Notwendigkeit im Case Management, vielmehr schließt an die überprüfte Implementierung des Hilfeplans der Abschluss des Case Management.
  5. Evaluation und Rechenschaftslegung: Wurde ein Hilfenetzwerk aufgebaut und haben die Helfer/innen ihre Tätigkeit aufgenommen, werden die erbrachten Leistungen bewertet und etwaige Änderungen des Hilfebedarfs eingeschätzt. Abgesehen vom Hinweis, dass umfassende Evaluationen in Form von Fall-Kontrollgruppen-Studien erfolgen können, finden sich keine Überlegungen zur Analyse von Outcomes. Zur Evaluation gehört hier auch die „Entpflichtung“, das meint die Beendigung der Zusammenarbeit mit der Klientin/dem Klienten. Unter Rechenschaftslegung versteht Ehlers Berichte an „Leistungsträger, Politik oder der Gesellschaft“ (Ehlers 2011:71), auf Ausführungen zur Gestaltung wird an dieser Stelle verzichtet.

Teil C beschäftigte sich mit den Rahmenbedingungen und der Umsetzung auf Systemebene. Zunächst wird auf die Vielzahl an AkteurInnen im Gesundheitswesen hingewiesen, um die Komplexität des Aktionsfeldes von Case Management zu verdeutlichen. Schnittstellen werden beschrieben und Kommunikationsprobleme angedeutet. Bei den von Ehlers unter der Überschrift „Ziele der Systemsteuerung“ formulierten Gedanken finden sich Forderungen an und Aufgabenbeschreibungen von Case Manager/innen. Nach einer prägnanten Einführung in den Organisationsbegriff wird auf Case und Care Management im Krankenhaus eingegangen. Dabei wird die Praxis der multiprofessionellen Zusammenarbeit angedeutet und auf veränderte Finanzierungsbedingungen hingewiesen. Die Notwendigkeit stärker prozess- statt abteilungsorientiert vorzugehen, die Entwicklung von Behandlungspfaden, das Ziel der Einleitung extramuraler Weiterversorgung werden ebenso erwähnt wie der gesetzlich formulierte Anspruch von Versicherten auf Versorgungsmanagement und die Sicherstellung einer „sachgerechten Anschlussversorgung“ (§11(4) SGB V zitiert in Ehlers 2011:85). Es folgen kurze Beschreibungen von Praxisbeispielen der Anwendung (u.a. „Der Bunte Kreis“) sowie eine Einschätzung der Chancen von Case Management im Krankenhaus.

Ähnlich strukturiert sind die Ausführungen zu Case und Care Management im ambulanten Kontext: Entstehungsbedingungen und ein Praxisbeispiel („Rund ums Alter“) werden skizziert. Etwas ausführlicher beschäftigt sich Ehlers an dieser Stelle mit dem Case und Care Management der Leistungsträger. Fallmanagement diene dazu, Strukturproblemen in der Gesundheitsversorgung zu begegnen und es sei ein Bemühen zu erkennen, sich von einem Verwaltungsapparat zu einem kunden-/kundinnenorientierten Dienstleistungsanbieter zu entwickeln. Ehlers verweist auch auf das veränderte Selbstverständnis der Versicherungen als aktive Gestalterinnen des Versorgungssystems unter Zeiten ökonomischer Zwänge. Zuletzt wird das Care und Case Management in Pflegestützpunkten umrissen.

Ehlers betont in diesem Abschnitt auch die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Freiwilligen. Sie geht auf deren Motive ein und widmet sich der Umgehung möglicher Fallen bei der Formulierung von Aufgabenbeschreibungen für diese Personengruppe.

Wesentliches Merkmal von Care und Case Management ist die Netzwerkarbeit. Ehlers liefert nach einer Begriffsbestimmung, der Unterscheidung von Kooperation und Koordination sowie Ausführungen zu Merkmalen und Typen von Netzwerken praxisorientierte Hinweise zum Aufbau von Netzwerken. Dazu formuliert sie Fragestellungen, die bei der Analyse der Ausgangssituation, der Formulierung von Netzwerkzielen und abgeleiteten Maßnahmen sowie der Netzwerkpflege und Evaluation hilfreich sein können.

Abschließend formuliert Ehlers in gewohnt prägnanter Form Empfehlungen zur Umsetzung von Care und Case Management Programmen.

Ergänzt wird die vorliegende Einleitung um ein Glossar mit wesentlichen Begriffen des Care und Case Management.

Diskussion

Die Ausführungen von Ehlers reihen sich ein in die breite Palette von Einführungsliteratur zu Case und Care Management. Die Unterschiede zu Werken von Wendt, Löcherbach, Neuffer, Kleve u.a. liegen aus meiner Sicht in der alltagsnahen Sprache und dem Verzicht auf theoretische Bezüge. Die Autorin versucht der Breite des Themas gerecht zu werden und dabei gleichzeitig eine erste, rasch lesbare Annäherung zu ermöglichen. Das führt dazu, dass viele Themen angedeutet und viele Hinweise zur weiteren Auseinandersetzung geliefert werden, aber an keiner Stelle in die Tiefe gegangen wird. Gleichzeitig, und das ist der Autorin hoch anzurechnen, gelingt es ihr, teils ausgesprochen abstrakte Ausführungen von Kollegen in eine (berufs)alltagsnahe Sprache zu bringen und Case Management damit auch den Nimbus des Besonderen und Herausragenden zu nehmen. Gleichzeitig wird durch die Publikation die These bestätigt, dass die Ansprüche des Case Managements in den letzten Jahren deutlich reduziert wurden und zwar auf ein Maß, das die Frage aufwirft ob Case Management die Aufmerksamkeit verdient, die es erhält.

Case Management wurde zunächst als Methode für Personen mit komplexen bzw. chronischen Problemlagen und einem langfristigen Unterstützungsbedarf gepriesen. Die Orientierung an der Lebenswelt, den Bedürfnissen, den Zielen und dem Willen der Klientinnen/Klienten wurde lange betont. Die Sichtweise, dass Klientinnen/Klienten die Regisseure ihres Lebens sind oder Case Manager/innen bestenfalls Architekten/Architektinnen sind, die von den Bauherrinnen/Bauherren beauftragt werden, wurde vertreten. Das Ziel nachfrage-orientierte Hilfen zu konzipieren und damit einen grundlegenden Strukturwandel zu initiieren wurde postuliert. Schließlich wurde die Vorstellung der verantwortlichen Leitung eines fallbezogenen, einrichtungs- und sektorenübergreifenden Teams vermittelt sowie der Eindruck erweckt, dass Case Management auf Fallebene solange zum Einsatz gelangt, solange Unterstützungsbedarf besteht.

Den Ausführungen von Ehlers wie auch den Rahmenempfehlungen der Deutschen Care und Case Management Gesellschaft entnehme ich folgendes Verständnis von Case Management: Ausgehend von einem umfassenden Assessment, dass idealerweise multiprofessionell erfolgt, wird ein passgenauer Hilfeplan entwickelt und nötigenfalls ein HelferInnennetzwerk implementiert. Diese Implementierung kann entweder durch direkte Kontakte und HelferInnenkonferenzen erfolgen oder durch Aushändigung von Informationsmaterial. Sobald der Hilfeplan umgesetzt wird, endet das Case Management. Evaluiert wird, ob die geplanten Hilfen zur Anwendung kamen und ob die (kurzfristigen) Ziele der Klientin / des Klienten erreicht werden konnten. Genutzt werden vorhandene Angebote des Sozial- und Gesundheitswesens, Fehlendes wird im besten Fall an EntscheidungsträgerInnen rückgemeldet.

Der Eindruck, den man als Sozialarbeiterin gewinnen kann, ist, dass Pflegefachkräfte und MitarbeiterInnen von Versicherungen aufwändige Qualifizierungsmaßnahmen besuchen um sich Konzepte, Prinzipien und Techniken der Sozialen Arbeit anzueignen und anschließend professionelle Beratung und aktive Vermittlung anzubieten. Gesprächen mit AnwenderInnen von sogenannten Case Management - Konzepten entnehme ich, dass HelferInnenkonferenzen kaum vorkommen, die Angebote selten koordiniert werden, eine langfristige Steuerung des Falls in der Regel ausgeschlossen wird und die Evaluation ungeklärt ist.

Bislang war es mir ein Anliegen, deutlich zwischen Einzelfallhilfe und Case Management zu unterscheiden. Mittlerweile komme ich angesichts des Diskurses im Allgemeinen und der Publikation von Ehlers im Speziellen zu dem Schluss, dass unter Case Management im deutschsprachigen Diskurs entweder a) Einzelfallhilfe durch Nicht-SozialarbeiterInnen oder b) das britische Care Management im Sinne der Zugangssteuerung zu sozialen und gesundheitsbezogenen Diensten verstanden wird.

Fazit

Corinna Ehlers hat mit Ihrem Beitrag eine prägnante Beschreibung von Case und Care Management vorgelegt, die folgenden LeserInnen empfohlen werden kann:

  • Interessierten und Fachkräften in Pflegeberufen und mit Pflege befassten Personen, die in leicht verständlicher Sprache und mittels praxisnaher Beispiele und Hinweise in die einfachste Anwendungsform von Care- und Case Management eingeführt werden wollen.
  • LeserInnen, die sich eine Konkretisierung bzw. Übersetzung der stichwortartigen Rahmenempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management in eine alltagsnahe und praxisorientierte Sprache wünschen.
  • LeserInnen, die sich bereits eingehender mit Care und Case Management sowie dem dazugehörigen Diskurs beschäftigt haben, und das CCM-Verständnis der DGCC auf den Punkt gebracht sehen wollen.

Rezension von
DSA(in) Mag(a) Karin Goger
MMSc. Dozentin Bachelor-Stdgg. und Master-Stdgg. Soziale Arbeit, Fachhochschule St.Pölten GmbH; Lektorin an der Fachhochschule Burgenland; freiberufliche Referentin und Leiterin von Case Management-Lehrgängen; Organisationsberaterin, Supervisorin, Psychotherapeutin
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Es gibt 9 Rezensionen von Karin Goger.

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ISSN 2190-9245