Sigrid Daneke: Freiwilligenarbeit in der Altenhilfe
Rezensiert von Prof. Dr. Michael Vilain, 30.03.2004

Sigrid Daneke: Freiwilligenarbeit in der Altenhilfe. Motivieren - organisieren - honorieren.
Urban & Fischer in Elsevier
(München, Jena) 2003.
242 Seiten.
ISBN 978-3-437-47420-0.
19,95 EUR.
CH: 32,00 sFr.
Reihe: Altenpflege professionell.
Einführung in das Thema
Die Zusammenarbeit mit Freiwilligen ist in vielen Einrichtungen der Altenhilfe heute schon eine Selbstverständlichkeit. Das Management dieser unbezahlten Kräfte erfolgt häufig durch hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine angemessene Methodik und Systematik sucht man dabei jedoch oft vergeblich und findet stattdessen ein auf Misstrauen und Vorurteile gegründetes muddling through auf beiden Seiten - Anlass für eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema.
Autorin und Zielgruppen
Die Autorin des vorliegenden Buches, Sigrid Daneke, verfügt als Krankenschwester und ausgebildete Heimleiterin sowie als Politikwissenschaftlerin gleichermaßen über einen fundierten Zugang zu Theorie und Praxis der Freiwilligenarbeit. Sie verbindet diese Perspektiven zu einer Darstellung, mit der sie "Entscheiderinnen und Entscheider und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der ambulanten, teil- und vollstationären Altenhilfe" (S. V f.) erreichen will. Darüber hinaus adressiert sie auch die Freiwilligen selbst, "denn jeder Mensch ist wichtig auf seinem Platz in den Einrichtungen und jeder sollte über sein Tun und die Zusammenhänge Bescheid wissen [...]" (S. V).
Aufbau und Inhalte
Das 242 Seiten umfassende Buch wird in einem handlichen Format geliefert. Es gliedert sich im Wesentlichen in sechs inhaltlich klar abgegrenzte Kapitel:
- Das Ehrenamt im Wandel der Zeit
- Die Altenhilfe als Anbieter freiwilliger Arbeit
- Freiwilligenarbeit organisieren
- Freiwilligenarbeit belohnen
- Freiwillige Mitarbeiter im Schadensfall schützen
- Literaturverzeichnis
In einem ersten Schritt klärt Daneke zunächst die Begrifflichkeiten. Ohne sich in definitorischen Fallstricken zu verfangen, entscheidet sie sich ganz pragmatisch - "um der Vorstellung der Mehrheit [der Engagierten] nachzukommen" (S.4) - für den Begriff des "freiwilligen Engagements". In aller Kürze zeichnet sie dann die Entwicklungslinien ehrenamtlicher Aktivität nach, nicht ohne dabei auch auf geschlechts- und generationenspezifische Aspekte zu verweisen. Der Stand der Diskussion in der Theorie wird hier nicht in extenso abgebildet, was aber auch angesichts der angepeilten Zielgruppe nicht zu erwarten ist.
Warum wird freiwilliges Engagement benötigt und wer leistet dieses Engagement? Das sind die Ausgangsfragen des folgenden Kapitels, in dem Daneke die geänderten finanziellen und personellen Rahmenbedingungen und den dadurch entstehenden Mangel an psycho-sozialer Betreuung als Ausgangspunkt einer verstärkten Einbindung Ehrenamtlicher ausmacht. Auf diese Weise definiert sie die freiwilligen Aktivitäten als Komplementärgröße zur Arbeit der "Profis" und vermeidet es so von Anfang an, die im Verhältnis zum Ehrenamt gelegentlich zu findenden "Kastrationsängste" hauptamtlicher Mitarbeiter zu bedienen. Neben den Motiven für freiwilliges Engagement werden auch mögliche Einsatzgebiete in der Altenhilfe und deren Besonderheiten kurz dargestellt. Das Spektrum reicht dabei von der offenen Altenhilfe und Tagespflege über die stationäre Altenpflege und Gerontopsychiatrie bis hin zur Hospizarbeit.
Geleitet von der Frage wie Ehrenamt in die Einrichtung einzubinden ist, folgt eine Beschreibung der organisatorischen Umsetzung freiwilligen Engagements (Kapitel 3). Die Gliederung dieses zentralen Kapitels weist einen ausgesprochen prozessorientierten Charakter auf. Von den vorbereitenden Schritten über die Anwerbung von Ehrenamtlichen, den Erstkontakt, der Einarbeitung und der Verstetigung und Qualifikation der Arbeit bis zu deren Bewertung und der Gestaltung von Austrittsgesprächen begleitet das Werk den Leser Schritt für Schritt mit nützlichen Hinweisen und Anregungen. Erwähnenswert und von hoher praktischer Relevanz ist dabei auch ein Abschnitt über das notwendige Konfliktmanagement. Gerade hier wird deutlich, in welcher komplexen psychosozialen Situation die Arbeit Freiwilliger in der Altenhilfe stattfindet. Konflikte zwischen den verschiedenen Akteuren innerhalb und außerhalb der Einrichtung wie Klienten bzw. deren Angehörige, Freiwillige und hauptamtliche Mitarbeiter dürften dabei an der Tagesordnung sein. Mit der Art und Weise ihrer Präsentation trägt Daneke jedoch dazu bei, die konfliktgeladene Ausgangssituation zu versachlichen. Konflikte werden als Ergebnis unterschiedlicher emotionaler und materieller Bedürfnisse gesehen, die es im Rahmen eines professionellen Managements abzustimmen gilt.
Ein wesentliches Bedürfnis freiwilliger Aktivität ist das nach Belohnung. Angesichts fehlender Bezahlung kommt diesem Aspekt besondere Bedeutung zu. Obwohl dies weitgehend anerkannt wird, bleibt die entsprechende Fachliteratur hierzu bisweilen merkwürdig zurückhaltend. Daneke diskutiert dabei die Problematik der Bezahlung und zeigt gleichzeitig verschiedene alternative Entlohnungsmöglichkeiten auf. Diese stehen natürlich in engem Zusammenhang mit den Motiven der Freiwilligen. Mit der Erörterung von möglichen Fundraising-Aktivitäten (Kapitel 4.3) im Zusammenhang mit freiwilligem Engagement, werden zwar interessante Anknüpfungsmöglichkeiten angedeutet, gleichzeitig zerfasert das Thema jedoch an den Rändern. Die Umsetzung solcher Maßnahmen kann in Zusammenhang mit freiwilligem Engagement nicht wirklich überzeugen, zu knapp und zu gehetzt wirken die Hinweise.
Das abschließende Kapitel ist dem versicherungstechnischen Schutz des Einrichtungsträgers und der Mitarbeiter gewidmet. Ohne sich im Detail zu verlieren, weist die Autorin auf verschiedene Haftungsrisiken hin: Wer haftet wann und wofür? Rechtschutz, berufsgenossenschaftliche und private Unfallversicherung oder Betriebshaftpflichtversicherung sind nur einige Themen, die in diesem Zusammenhang angesprochen werden. Nicht immer wird das Verhältnis verschiedener Versicherungsalternativen zueinander ganz deutlich und über mögliche Kosten finden sich keine Hinweise. Dennoch, das Kapitel sensibilisiert für einen aus Unkenntnis oftmals vernachlässigten Aspekt des Freiwilligenmanagement und zeigt den Handlungsbedarf auf. Für die Träger lässt sich aus der Aufzählung möglicher Risiken und Versicherungen eine nützliche Checkliste ableiten.
Mit dem sehr knapp gehaltenen Literaturverzeichnis vergibt das Buch die Chance, dem interessierten Leser weiterführende Themen näher zu bringen Einige wenige kommentierte Angaben aus der reichhaltigen Literatur zum Thema hätten dieses Ziel gerade auch für Praktiker leisten können, ohne dabei allzu viel Mehrarbeit zu verursachen.
Diskussion
Die Präsentation der Inhalte trägt der angestrebten Praxisorientierung insofern Rechnung, als der Text immer wieder durch grafische Elemente und vereinzelte Bilder aufgelockert wird. Zentrale Textaussagen werden hervorgehoben und zusammengefasst. Daneben gibt die Autorin am Schluss einiger Kapitel erwähnenswerte "Tipps für die Praxis". Ausgangspunkt für Problemaufrisse sind oftmals praxisnahe Beispiele mit fiktiven Personen. Eine stringente Gliederung sorgt jedoch gleichzeitig für die nötige inhaltliche Konsistenz. Praktische Handreichungen wie Mustertexte und -inhalte, die sich in der Zusammenarbeit mit Freiwilligen als sinnvoll erweisen können, wurden fließend in den Text integriert. Auf diese Weise hebt sich das Buch erfreulich von immer häufiger zu findenden Praxisratgebern ab, die sich nur noch aus einer losen Folge von Texten, Grafiken und Checklisten zusammensetzen.
In der Gesamtschau zeichnet sich die vorliegende Publikation durch eine eingängige Sprache und hohe Praxisrelevanz aus. Gleichwohl werden doch Bezüge zu den Erkenntnissen ausgewählter Studien der jüngeren Zeit hergestellt, so dass viele Aussagen über eine alltagspraktische auch eine theoretisch-empirische Fundierung haben. Erfahrungen und Beispiele beziehen sich auf unterschiedliche Einrichtungen. Auf diese Weise umgeht Daneke dem in diesem Kontext nicht selten zu findenden reinen Erfahrungsbericht, dessen Transferwert aufgrund der erheblichen Engführung des Betrachtungsgegenstandes mindestens zweifelhaft ist.
Eine weitere Tatsache verdient es, hervorgehoben zu werden. Vielleicht schon als Folge der Einbeziehung der Freiwilligen in den Adressatenkreis der Leser vermeidet dieses Buch eine in den Publikationen zur sozialen Arbeit verbreitete Unart, Freiwillige zu "klientelisieren", zum Aufgaben- und Problembereich für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in sozialen Einrichtungen zu machen. Gleichwohl werden mögliche Probleme im Miteinander zwischen Mitarbeitern und Freiwilligen als beidseitige Herausforderung offen thematisiert und weisen über eine naive "Helfen-wollen-ist-immer-gut"-Perspektive, die den anderen Pol dieses Diskurses markiert, hinaus.
Fazit
Die eingangs erwähnte Zielgruppe dürfte erreicht werden und auch für den nicht zu dieser Zielgruppe gehörenden interessierten Leser aus anderen Arbeitsbereichen hält dieses Buch eine Menge nützlicher Anregungen und Tipps bereit, die kleinere Nachteile vergessen lassen.
Rezension von
Prof. Dr. Michael Vilain
Evangelische Hochschule Darmstadt
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