Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Bojan Godina, Harald Grübele et al. (Hrsg.): Werteorientierte Medienpädagogik

Rezensiert von Dr. Mechthild Herberhold, 09.12.2011

Cover Bojan Godina, Harald Grübele et al. (Hrsg.): Werteorientierte Medienpädagogik ISBN 978-3-531-17979-7

Bojan Godina, Harald Grübele, Kurt W. Schönherr (Hrsg.): Werteorientierte Medienpädagogik. Das Präventionsprojekt "Medienscout". VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2011. 146 Seiten. ISBN 978-3-531-17979-7. 24,95 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Thema und Entstehungshintergrund

Die Ethik komme in der Medienpädagogik bisher zu kurz, kritisieren die Herausgeber. Deshalb ist es ihr erklärtes Ziel, im vorliegenden Sammelband die Notwendigkeit von Werteorientierung für die Medienpädagogik theoretisch zu untermauern und praktische Anwendungsfelder vorzustellen (11). Das Buch entstand im Anschluss an das im Untertitel erwähnte Präventionsprojekt „Medienscout“.

Herausgeberteam

Bojan Godina ist Gründer und Leiter des Instituts für kulturrelevante Kommunikation und Wertebildung (IKU) in Nürtingen, das der Theologischen Hochschule Friedensau (in Trägerschaft der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten) angegliedert ist. Der Filmemacher Harald Grübele, Geschäftsführer der Firma Vimotion,verantwortet im Projekt „Medienscout“ die Technik sowie die medientechnische Forschung. Kurt W. Schönherr hat die Gesellschaft für Fernunterricht „AKAD Deutschland“ mitgegründet und ist Direktor der Deutschen Akademie für Management in Berlin. Er begleitet das Projekt inhaltlich unter ethischen und marketingstrategischen Gesichtspunkten.

Aufbau und Inhalt

Der Sammelband besteht aus sieben Beiträgen – davon befassen sich der einleitende und der abschließende Beitrag mit theoretischen Konzeptionen, die übrigen fünf berichten über Praxis-Projekte. Literaturangaben finden sich bei den einzelnen Artikeln, Angaben zu den AutorInnen im Anhang.

Zunächst entwirft Bojan Godina „Theoretische Grundlagen der werteorientierten Medienpädagogik“ (15-72). Er sieht Interdisziplinarität als wesentlich für die Medienpädagogik, beleuchtet Marketing und Medienproduktion und führt die Menschenrechte als „universelles Referenzsystem“ (35) ein, bevor er deren medienpädagogische Anwendung entfaltet.

Im zweiten Beitrag stellen Harald Grübele und Patric P. Kutscher die Kinderfilmserie „Matty, der kleine Grashalm“ vor (73-82), die sich als „Beitrag zur werteorientierten Erziehung im Vorschulalter“ (74) versteht. Dagmar Janssen schildert unter dem Untertitel „Natur, Medien und Werte“ Praxisbeispiele aus dem Projekt „Naturecode“ (83-100). „Der Grundgedanke von ‚Naturecode‘ besteht darin, der Diskrepanz zwischen Medien, Technik und der realen Welt bzw. dem realen Leben ausgewogen und kompetent zu begegnen“ (85). Als „Beispiel für ein Gewaltpräventionsprogramm in der Schule zur kritischen Reflexion eigenen Verhaltens“ (111-119) skizziert Leo Keidel das preisgekrönte Projekt „Gewalt ist keine Lösung“ und das Folgeprojekt „Helfen macht Spaß“, die die Polizeidirektion Waiblingen zusammen mit der Jugendfeuerwehr Rems-Murr konzipiert hat. Lorethy Starck befasst sich mit dem Projekt „Moviecode“ als einem „Beitrag zur Medienanalyse“ (121-127), in dem Filme auf dem Hintergrund der „Werte unserer christlich-abendländischen Tradition und […] der Menschenrechte“ (125) reflektiert werden. Tabea Tews hat im Rahmen ihres Sozialpädagogikstudiums zum Film „Herr der Diebe“ ein Begleitspiel zur medienpädagogischen Arbeit mit Schulkindern im Alter von 10 bis 12 Jahren entwickelt (129-132).

Für den Abschlussbeitrag „Der gesellschaftliche Wertewandel – Ursachen und Wirkungen“ (133-144) haben Kurt W. Schönherr und Harald Grübele einen Beitrag aus einer früheren Publikation von Schönherr und Wolfgang Sigg überarbeitet.

Diskussion

Anders als der Untertitel vermuten lässt, enthält das Buch keinen separaten Artikel zum Projekt „Medienscout“, vereinzelte Bezüge finden sich in den Beiträgen. Die abgedruckten Artikel sind als „Gemeinschaftswerk, das im Wesentlichen die Grundgedanken des Heidelberg-Winnenden-Medienscoutprojektes zusammenfasst“ (14), lose miteinander verbunden; weitere Erklärungen zur Auswahl oder zum Entstehungskontext fehlen jedoch. Durch die Verbindung von theoretischen Grundlegungen und Praxisberichten bzw. aufgrund der jeweiligen Arbeitsbereiche der AutorInnen sind die Beiträge in Stil und Umfang sehr unterschiedlich. Insgesamt haben die Aufsätze eine deutlich medienkritische Ausrichtung, mehrere von ihnen betonen den Bezug zur christlich-abendländischen Werteordnung. Es gibt einige wenige Illustrationen (eine z.B. zu Gewaltprävention), an vielen Stellen wären weitere Bilder zur Verdeutlichung des Inhalts wünschenswert gewesen – bei dem Text zu der Kinderfilmserie „Matty“ ebenso wie bei der Beschreibung des Begleitspiels zu „Herr der Diebe“ oder den Beispielen aus dem Projekt „Naturecode“.

Exemplarisch seien ein Artikel aus dem Theorieteil und drei aus dem Praxisteil näher beleuchtet:

Den zentralen und umfangreichsten Beitrag bilden die Ausführungen von Bojan Godina, der hier seinen Ansatz einer werteorientierten Medienpädagogik entwirft. Godina arbeitet aus den Menschenrechten vier Wesensstrukturen heraus, die er in der Thora wiederfindet und als übereinstimmend mit „universellen ethischen Vorstellungen“ (56) einordnet. Eine solche chronologisch rückwirkende Interpretation scheint zumindest zweifelhaft. Für die Arbeit mit Kindern geht er davon aus, dass diese Wesensstrukturen „prinzipiell nicht von Grund auf gelernt zu werden, sondern […] nur durch gezielte pädagogische Prozesse aus ihrer moralischen Anlage geweckt und ins Bewusstsein gebracht werden [brauchen]“ (57). Das Hauptinteresse des Autors liegt auf den Anwendungsmöglichkeiten in der Medienpädagogik. Auffällig ist, dass er stets von Computergewaltspielen und der Frage nach der Richtigkeit des Tuns ausgeht. Um gewaltfreie Computerspiele scheint es demnach nicht zu gehen. Auch kommen Jugendliche, die nicht oder nur widerwillig in ihrer Gruppe Gewaltspiele mitspielen, in seinen Ausführungen nicht vor. Die Fragen sind nicht offen (etwa „Wie wirkt das auf Euch?“, „Wen findest Du toll und warum?“) sondern beziehen sich ausschließlich auf „medial fragwürdige Themen“ (66). Es bleibt der Eindruck zurück, dass die Jugendlichen anhand von Grenzsituationen auf einen richtigen Weg gebracht werden sollen.

Von den Praxisbeiträgen liest sich die Beschreibung des Gewaltpräventionsprogramms von Leo Keidel interessant und aufschlussreich. Noch vielfach unbekannt und weit unterschätzt ist das so genannte „Happy-Slapping“, bei dem Prügeleien extra für Videoaufnahmen inszeniert werden. Zur Prävention wurde ein Film mit mehreren Sequenzen entwickelt, der die Opferperspektive, mögliche Folgen für die Täter sowie verschiedene Handlungsmöglichkeiten von Wegschauen bis Einmischen thematisiert.

Der Artikel zu „Moviecode“ (Lorethy Starck) dagegen weist viele Leerstellen auf, so fehlt etwa die Angabe der Projekt-Website (http://www.movieco.de), ein mitverantwortliches Netzwerk wird nicht näher benannt, zudem gibt es keine Beispiele, welche Filme analysiert wurden und mit welchem Ergebnis. Als unterschwelliges Ziel wird deutlich, dass die Jugendlichen ihr Konsumverhalten ändern sollen (125).

Das Projekt „Naturecode“ zeigt sich ausgesprochen umfangreich, es wird zur Prävention in der allgemeinen Jugendarbeit ebenso wie zur therapeutischen Intervention etwa bei Onlinespielsucht eingesetzt, richtet sich an verschiedene Altersgruppen und erweckt den Eindruck, quasi jede Frage von Kindern und Jugendlichen aufgreifen zu können. Als Leserin bleibe ich so vielen Möglichkeiten gegenüber skeptisch und vermisse ein eindeutiges Profil. Offen bleibt, welche Qualifikation die GruppenleiterInnen mitbringen (lediglich für den therapeutischen Zusammenhang gibt es detailliertere Ausführungen). Die „interkulturelle Auseinandersetzung“ (97f.) betont die Unterschiede in Kleidung und Nahrung, setzt bei der Andersartigkeit von Menschen aus „anderen“ Kulturen an und legt implizit einen starren Kulturbegriff zugrunde. Im Abschnitt zu „Spiritualisation“ (101f.) werden Evolutionstheorie und Kreationismus als gleichwertig und letztendlich nicht beweisbar auf eine Ebene gestellt.

Da das Buch die erwarteten Informationen zum „Medienscout“-Projekt nicht liefern konnte, habe ich im Internet recherchiert und dabei zu meiner großen Überraschung festgestellt, dass „Moviecode“ und „Naturecode“ explizit bibeltheologische Bezüge in adventistischer Lesart erkennen lassen. Das wird allerdings im Buch weder erwähnt noch diskutiert. Falls die biblische Ausrichtung nur eine denkbare unter mehreren sein sollte, wird das genauso wenig deutlich.

Fazit

Das Buch verbindet theoretische Ausführungen mit Praxisbeispielen. Durch seine zahlreichen medienkritischen Impulse kann es die Auseinandersetzung von ExpertInnen in Medienpädagogik und Medienwissenschaft anregen. Die weiteren Zielgruppen der Herausgeber – LehrerInnen, ErzieherInnen, Eltern und MedienkonsumentInnen – sind vermutlich im Wesentlichen in den adventistischen Gemeinden zu finden. Trotz durchaus interessanter Ansatzpunkte zur Medienkritik bleibt vieles vage. Mehr Transparenz hätte dem Buch gut getan.

Rezension von
Dr. Mechthild Herberhold
Ethik konkret, Altena (Westf.).
Website
Mailformular

Es gibt 16 Rezensionen von Mechthild Herberhold.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245