Jean-Claude Kaufmann: Sex@mour
Rezensiert von Prof. Dr. Richard Utz, 24.08.2012

Jean-Claude Kaufmann: Sex@mour. Wie das Internet unser Liebesleben verändert.
UVK Verlagsgesellschaft mbH
(Konstanz) 2011.
194 Seiten.
ISBN 978-3-86764-283-5.
Reihe: Einzeltitel Soziologie.
Thema
Für die moderne Gesellschaft sind Sozialverhältnisse charakteristisch, die sich den permanent und mehr oder weniger abrupt in ihr ablaufenden Wandlungsvorgängen, technologischen zumal, verdanken. Für moderne Lebensverhältnisse ist es normal, dass sie sich beständig umwälzen oder alte von neuen überlagert werden oder sich mit ihnen zu etwas Drittem verflechten, für die noch keine etablierte Lebensführung entwickelt ist. Es war der französische Soziologe Emile Durkheim, der solche Sozialverhältnisse als anomisch bezeichnete. In den Anomien der Moderne sind Bedürfnisse und die Mittel zu ihrer Befriedigung noch nicht in einer gesellschaftlich ratifizierten Lebensform so aufeinander abgestimmt, dass eine Struktur von Normen eine Normalität oder Alltag erzeugen kann, in dem es sich Tag für Tag gewohnheitsmäßig und sicher auf legitime Weise leben lässt.
Aus dem Blickwinkel einer solchen ordnungstheoretischen Soziologie [1], die an Nomien und Anomien interessiert ist, ergibt sich eine besondere Sensibilität für Sozialverhältnisse, die sie an den Umbrüchen und Diskontinuitäten der Gesellschaftsgeschichte untersucht. Keine andere technologische Innovation hat in unserer Zeit weitreichendere und tiefgreifendere Veränderungen in der Lebensweise der gegenwärtigen Gesellschaften nach sich gezogen als die flächendeckende Einführung einer Kommunikationstechnologie der PC‘s, I-Phones‘ und Smart-Phones‘, die mithilfe des world wide web?s Kontakt und Austausch zwischen Menschen in zuvor nicht gekanntem Ausmaß ermöglicht hat. Mit den sozialen Folgen dieser kommunikationstechnologischen Innovationen wird das Studium von Prozessen der Strukturierung des Noch-Nicht-Strukturierten aber bereits praktizierten Verhaltens, von Normierung des Anomischen in statu nascendi möglich, wie das neue Buch des französischen Soziologen Jean-Claude Kaufmann zeigt. In „Sex@amour“ beschäftigt sich dieser Soziologie des Intimlebens aus dieser von Durkheim mitbegründeten Traditionsperspektive heraus detailreich und geradezu enthusiastisch mit den sozialen Effekten, die das Internet auf Erotik: auf Sexualität und Liebe hat, in Kaufmanns Worten, mit der Frage: „Wie das Internet unser Liebesleben verändert.“
Kaufmann nimmt mit der Erotik gerade diejenige Lebenssphäre in den Blick, die naturgemäß eine per se anomieerzeugende, weil regelungsresistente und insofern ordnungsproblematische Lebensmacht immer schon war und ist, an deren Hegung durch Liebesregeln sich nicht erst die Moderne versucht hat.
Kaufmann fokussiert seine Betrachtungen auf den Bereich des Liebeslebens, den er die Formen „persönlicher Begegnungen“ nennt. Darunter versteht der Autor alles Sozialverhalten, das in den Bereich der Anbahnung und Herstellung heterosexueller Interaktionen und Beziehungen fällt.
Methodisch versteht sich Kaufmann als eine Art Netz-Ethnologe, der sich im „unendlichen Ozean des Internets„(Kaufmann 2011: 175) umtut und zahlreiche Websites und Blogs besucht, sich in Chats und Foren einklinkt, um am Puls der erotikbezogenen Kommunikationen ihre Sinnstrukturen zu entschlüsseln und auf ihre praktischen Konsequenzen aus der Sicht der User zu befragen. Dabei ging es dem Autor darum, „…den Prozess, der an der Spitze des Wandels steht, von innen heraus zu analysieren.“ (Kaufmann: 178) Alles andere hätte ein komplexeres Untersuchungsdesign erforderlich gemacht. So zum Beispiel die Untersuchung derjenigen Realitäten, die tatsächlich entstehen, wenn die Schriftlichkeit unter virtuell Anwesenden, die über Schreibakte kommunizieren und sich vielleicht mittels Webcam sehen können, in die Sinnlichkeit unter real Anwesenden übergeht, die über Leibakte interagieren und sich mit eigenen Augen sehen und eigenen Ohren hören können. Im Zentrum stehen ausschließlich die virtuellen Kommunikationen im Internet über das Liebesleben im Allgemeinen und über das durch die virtuelle Kommunikation in der Realität angebahnte und erlebte Liebesleben, über das danach wiederum virtuelle Kommunikationen stattfinden im Besonderen. Die tatsächlichen Liebesbeziehungen außerhalb der virtuellen, in der realen Welt beobachtet er nicht.
Inhalt
Als soziale Trägergruppe dieser „Sex@mouren“, die die moderne Kommunikationstechnologie ermöglicht, identifiziert Kaufmann „…urbane junge Akademiker mit vielen sozialen Kontakten und einer Unmenge von Freizeitaktivitäten. Sie sind offen für Veränderungen und treten zum Beispiel mehr als andere für die Rechte der Frauen oder gegen die Diskriminierung von Homosexuellen ein. Keinesfalls sind sie hoffnungslose Einzelgänger. Das ist übrigens der andere Grund dafür, dass sich diese Art der Kontaktaufnahme so rasant verbreitete: Dahinter steckt ein Ideal von Jugend und Modernität.“ (Kaufmann: 12)
Diese Generationen der etwa 15 – 35 Jährigen sind täglich und nächtlich im Netz, also nahezu immer „online“. Das Internet hat für sie eine Normalität und Selbstverständlichkeit, alle Attribute einer echten Lebenswelt, wie sie Alfred Schütz und seine Schule auszeichnete. So liegt es nahe, dass auch die Anbahnung erotischer Beziehungen ähnlich wie die Bestellung von Konsumgütern im Netz über die Internet-Kommunikation so leicht wie selbstverständlich verfolgt wird. Dabei, so Kaufmann, kann ebenso leicht der grundsätzliche Unterschied verblassen, der zwischen dem Konsum von Gütern einerseits und der Herstellung und Gestaltung erotischer Beziehungen andererseits besteht, auch wenn die Mentalität, aus der heraus „konsumiert“ wird, auch auf diejenige übergegriffen haben mag, aus der heraus das Liebesleben dann als Netzrecherche und als „Sex@mour“ begriffen wird: „Mit einem Klick kann man auswählen. Willkommen in der Welt der illusionären Welt des Konsums, die vorgaukelt, ein Mann oder eine Frau könne wie ein Käse im Supermarkt ausgesucht werden. Aber die Liebe funktioniert nicht so, sie kann nicht auf Konsum reduziert werden, zum Glück. Der Unterschied zwischen einem Käse und einem Mann besteht darin, dass man sich Letzteren nicht einfach einverleiben kann, ohne dass sich am eigenen Leben etwas ändert…Im Gegenteil, er wird alles durcheinanderbringen, die Frau wird nicht mehr die sein, die sie vorher war, er übrigens auch nicht. Wenn zwei Menschen sich verlieben, beschleunigt das die Verwandlung der beiden Identitäten.“ (Kaufmann:13)
Ziel dieser Sex@mouren ist die Partnersuche, und zwar aus zweierlei Motivlagen heraus: Das eine Motiv, überwiegend von Männern gezeigt, zielt auf genital-orgastische Sexualität ohne weitergehendes Interesse an Fortsetzung des Kontaktes und Überführung in eine kontinuierliche Sozialbeziehung, das andere, überwiegend von Frauen gezeigt, zielt auf romantische Liebe mit dem Wunsch nach Bindungskontinuität: „Partnersuche über das Internet ist innerhalb von wenigen Jahren zu einem legitimen und normalen Mittel geworden, um die besagte verwandte Seele zu finden. Und auch …zu einem legitimen und normalen Mittel, was die Anbahnung freizügiger sexueller Kontakte ohne jegliche Bindungsabsicht angeht.“ (Kaufmann 2011:12)
Um beide Motive und ihre Verschränkung geht es. Aus ihnen ergeben sich die zahlreichen Missverständnisse, die in die Enttäuschungen münden, die auf die eingangs verwiesenen anomischen Zustände und Probleme hinweisen, denen sich die Studie widmet. Und es scheint das Medium zu sein, das als Message ein Leichtigkeitsversprechen gibt, dass das Unmögliche virtuell möglich ist, während sich das Mögliche real zu häufig als unmöglich erweist. Das Internet verspricht, entweder schnell und unaufwendig zu einem lustvollen One-Night-Stand zu kommen oder schnell und gezielt den oder die idealen Partner zu finden. Denn im Reich der Sex@mouren scheint nichts unmöglich, da die möglichen Kontakte, die Masse der Möglichkeiten notwendig die Wahrscheinlichkeit zu steigern versprechen, seine Märchenprinzessin oder ihren Märchenprinzen, die heißen Männer oder Frauen zu finden, nach denen mensch so sehnsuchtsvoll oder begierig sucht. Außerdem ist auch virtuelles Papier geduldig: Da sinnliche Wahrnehmungen die Kommunikationen nur ungenügend beeinflussen, fehlt es an Authentifizierung der jeweiligen Selbstinszenierungen und Selbstauskünfte durch direkte Interaktion.
Dabei ist die Unterscheidung zentral: Die zwischen den Bereichen des Virtuellen und des Realen, die in sich selbst jeweils genügend Normierungen des Verhaltens aufweisen oder von Normierung durchdrungen sind: So strukturieren sich die Online-Kommunikationen über Sex und Lust, Liebe und Romantik wie von selbst über den Austrag von Konflikten, die sich an den drastischen Motivdiskrepanzen entzünden, die Romantiker von Libertins unterscheiden. Hierbei sondern sich rasch die Meinungen und pendeln sich auf dissensuelle und konsensuelle Positionen ein, die kommuniziertes Verhalten positiv prämieren und negativ sanktionieren, mithin Missbilligung oder Zustimmung adressieren. Ebenso stark durch Normensysteme reguliert, kann das Liebesleben im realen Leben gelten, vor und unabhängig vom Chat im Netz. Anomisch wird die Situation dann, wenn die persönlichen Begegnungen der virtuell angeknüpften Kontakte in der realen Welt fortgeführt werden sollen. Anomie entsteht vor allem beim Übergang vom Virtuellen zum Realen: Wie soll ich mich verhalten, wenn ich aus der Welt des Virtuellen heraustrete und mich mit meiner vollsinnlichen Leiblichkeit dem Anderen präsentiere und dieser vice versa sich mir und meiner Wahrnehmung geradeso aussetzt? Jetzt spätestens kommen die Bilder und die Skripte auf den Prüfstand, die mich virtuell attraktiv gemacht und zur Annäherung mit dem Anderen geführt hatten und die sich jetzt real beweisen müssen.
Beim ersten Date im real life wird bald klar, dass die Leichtigkeit, mit der virtuell, und das heißt: durch schriftlichen Verkehr Kontakte geknüpft werden können, sich der Schwerkraft des leiblich sinnlichen Verkehrs nicht entziehen kann, das sie auf den Boden ihres realistischen Maßes zurückholt. Der gesamte Vorlauf im Virtuellen erfährt so seine Annullierung im Realen und zwar in Hinsicht auf das, was zwischen den beiden „Chatpartnern“ oder „Friends“ oder „Faces“ oder „Bloggern“ an Intimität hergestellt worden sein und zu gewissen Hoffnungen Anlass gegeben haben mochte, seien sie romantischer oder sexueller Natur. Mit dem ersten Date ist kein Ende, sondern ein Nullpunkt der Begegnung erreicht, an dem die Mailpartner von Neuem beginnen müssen, obwohl sie doch bereits eine gemeinsame Geschichte hinter sich haben, die doch immerhin zur Begegnung motivieren konnte. Das Reale fordert sein eigenes Recht, dem das Virtuelle in vielen Fällen nicht gerecht zu werden vermag.
Anstatt dass sich der virtuell geknüpfte Kontakt mit derselben Leichtigkeit in eine reale Beziehung ausbauen, vertiefen und seinen intendierten Zwecken zuführen lässt, entscheidet sich erst hier, ob das Klicken mit der Maus die ersten Schritte auf dem Boden der Tatsachen übersteht: „Alles beginnt gewissermaßen bei Null, weil die Karten komplett neu gemischt werden. Das erklärt im Übrigen, warum die Kodifizierung der Rituale so notwendig sind: Die Übergangsphase zwischen den beiden Geschichten zu banalisieren und zu neutralisieren.“ (Kaufmann:36)
Und so stellen die User beim ersten Date regelmäßig fest: „Es ist wirklich ein anderer Mensch, mit dem alles von vorne beginnen soll. Ein Mensch, an den man überhaupt nicht herankommt“ (Kaufmann: 39) Und so geht es weiter: Wohin soll mensch miteinander gehen? In die Kneipe oder das Restaurant oder gar in die Discothek? Gerade weil die Online-Intimität wie weggeblasen sein mag, gerade weil die virtuell erzeugte Vertrautheit die Situation eigentlich überdeterminiert und gewissermaßen bereits vorentschieden haben müsste, was im Realen weiter zu geschehen habe und sich überraschenderweise und ganz plötzlich beim face-to-face-Kontakt als geltungslos erweist, füllen Orientierungen dieses anomische Verhaltensvakuum, die sich mit sozialen Bedeutungen der jeweiligen Locations oder public places (Erving Goffman) füllen. Aus diesen Bedeutungen lassen sich aber nur begrenzt Handlungsanweisungen ableiten, die zur „Klärung“ der Frage helfen: Wie geht es mit dieser Begegnung weiter? So wird schon die Frage des Bezahlens zum Problem: Wer zahlt? Mann oder Frau? Welche Verbindlichkeiten lassen sich daraus ableiten? Zahlt die Frau und endet damit der Beginn einer möglichen Affäre? Zahlt der Mann und erkauft sich damit vielleicht ein Art Anrecht auf Erwiderung des Kusses? Steigert sich diese Verbindlichkeit mit dem Kontext der ersten Begegnung? Bezahlt der Mann das teure Restaurant und erzeugt damit eine Erwiderung, die auf eine gemeinsame Liebesnacht hinausläuft? Dann die Frage des ersten Kusses: Wie rasch soll frau oder mann sich dazu versteigen? Und wie wird Kussbereitschaft in der direkten Interaktion gedeutet? Macht sie den Mann zum geilen Bock und die Frau zur Schlampe, wenn sie früh küssen, macht es den Mann zum verklemmten Neurotiker und die Frau zur gehemmten Prüden, wenn beide nicht beim ersten Mal küssen? Und schließlich die Frage des ersten gemeinsamen Sex‘: Soll frau sich auf den bad boy einlassen oder will sie vermeiden, zu einer weiteren Trophäe eines Don Juan werden, der sich im Forum als ernsthafter junger Mann maskiert hatte? Wie das Internet unser Liebesleben verändert? Jede neue Kontakt- und Gestaltungsmöglichkeit persönlicher Begegnungen im Virtuellen wirft mehr Fragen auf, als die Betroffenen im Realen beantworten können.
Doch das ist nur die eine Seite. Für Kaufmann hat das Internet innerhalb weniger Jahre die Art, „wie soziale Beziehungen geknüpft werden, revolutioniert, besonders auf dem Gebiet der Liebe und der Sexualität.“ (Kaufmann: 93) Kaufmann sieht das Internet als eine Art Realutopie, wenn er enthusiastisch schreibt, dass das eine Welt sei, „die nicht so virtuell ist, wie allzu oft behauptet, sondern flüchtig, denn sie ist frei von Zwängen, die an Territorien, Gruppen und fest verwurzelte Konventionen binden. Die Frauen können dort endlich über ihre Moral entscheiden, ohne Klischees unterworfen zu werden.“ (Kaufmann: 94) Das Internet ist diejenige Freizone, in der sich alle frei von allen überkommen Regeln und Werten „neu erfinden können„(ebd.) und sich von dem frei machen, was als ihre Geschichte biographisch in sie eingeschrieben ist.
Als eigentliche Veränderung, die mit der Sex@mour in die Welt der Liebe gekommen ist, sieht Kaufmann, dass das Internet den gemeinsamen Sex entdramatisiert und gleichzeitig entbagatellisiert hat. Weder muss hier der Sex einem romantischen Anspruch auf absolute Erfüllung genügen noch muss er sich auf bloße Reibungslust beschränken. Beim Sex@mour geht es laut Kaufmann darum, „sich zu zweit wohlzufühlen“, um die „Institutionalisierung einer Wohlfühlsexualität“ (Kaufmann: 103), die er als die eigentliche Subversion des Sex@mour sieht: „Genau darin liegt die wahre Subversion, die wir gerade erleben. In der paradoxen Banalität einer neuen, aufregenden, aber ungefährlichen Freizeitbeschäftigung, bei der das Spiel nicht nur darin besteht, dass man die Haut des anderen entdeckt, sondern auch persönliche Welten, die sich für kurze Zeit aufs Intimste durchdringen. In einer schönen, fröhlichen Atmosphäre, in der Spaß am anderen dominiert.“ (ebd.:103)
Diese Wohlfühlsexualität in der Freizeit steht für Kaufmann in dem Kontext unserer modernen Welt, die die Individuen mental zu zerreißen drohen und die deshalb ein Bedürfnis nach „Trost und Streicheleinheiten“ entwickeln: „Heute aber ist es (das moderne Individuum; R.U.) ständig zwischen zwei gegensätzlichen Modellen hin- und hergerissen, die es entzweien. Auf der einen Seite das ökonomische Modell, das davon ausgeht, eine Person agiere nur in ihrem eigenen Interesse. Das Individuum ist hier ein kaltes und berechnendes Wesen, das bewertet, vergleicht und alles beseitigt, was seine egoistischen Bedürfnisse nicht befriedigen kann…Die Alternative ist die Liebe in ihren verschiedenen Formen, in der das Individuum sein egoistisches kleines Selbst verlässt, um sich großzügig hinzugeben. Die Liebe, und zwar sie allein, schafft sozialen Zusammenhalt. Das leidenschaftliche oder humanitäre Gefühl, das zum anderen hinzieht, lässt eine winzige Utopie wahr werden, die sich gegen die Härte und Kälte der instituierten Gesellschaft richtet.„(171)
Fazit
Als Fazit dieses so detailreichen wie informativen Buches möchte ich dennoch an der grundlegenden Differenz zwischen der virtuellen und der realen Welt festhalten. Nicht nur das Internet verändert unser Liebesleben, sondern unser Liebesleben verändert auch das Internet – oder zumindest die Kommunikation über Liebe, Sex und Zärtlichkeit. Die Enttäuschung durchs Reale dürfte über kurz oder lang doch auch zu einer klareren Trennung der Bedürfnisse führen, so dass sich weder Romantiker auf die Sites verirren dürften, in denen online „sex“ vereinbart und subline auch so praktiziert werden mag, noch Don Juan‘s und Donna Joanna‘s auf die der Romantiker, wo die blaue Blume der ewigen Liebe zu finden sein soll. Und falls es zu dieser Differenzierung kommen sollte, in der auch die von Kaufmann so betonte Wohlfühlsexualität als Partnerschaft auf Wohlfühlzeit ihren festen Platz haben dürfte, dann könnten sich neue Normierungen entwickeln, die all die Anomie der Erotik in neue Ordnungen der Liebe überführen, die im Internet entstehen und deren Produktion auch dann vermutlich nie versiegen wird.
[1] D.h. eine Soziologie, die die alte Hobbssche Frage beantworten will: „Wie ist soziale Ordnung möglich?“
Rezension von
Prof. Dr. Richard Utz
Hochschule Mannheim, Fakultät für Sozialwesen
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