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Helmut Luft, Monika Vogt: Gutes Altern. Verborgene Chancen und Hindernisse

Rezensiert von Prof. Kurt Witterstätter, 23.09.2011

Cover Helmut Luft, Monika Vogt: Gutes Altern. Verborgene Chancen und Hindernisse ISBN 978-3-86099-708-6

Helmut Luft, Monika Vogt: Gutes Altern. Verborgene Chancen und Hindernisse. Brandes & Apsel (Frankfurt) 2011. 280 Seiten. ISBN 978-3-86099-708-6.

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Thema

Viele der immer zahlreicher auf den Buchmarkt kommenden Alterns-Berater treiben ein Geschäft mit der Angst: Lass‘ dies und jenes, sonst stößt es Dir im Alter negativ auf! Tu‘ aber auf jeden Fall dieses und solches, sonst wirst Du im Alter erheblich darben! Aber mit solch einfachen Gebrauchsanweisungen ist der Hebel für die Lebensumgestaltung nicht immer herum zu werfen. Es gibt dafür innerpsychisch zu viele Blockaden. Sie stammen aus entwicklungspsychologischen Fixierungen, durchlittenen Enttäuschungen und fortexistierenden Traumata. Für die ärztlichen Therapeuten Helmut Luft und Monika Vogt kommt es nach ihrem neuen Buch „Gutes Altern. Verborgene Chancen und Hindernisse“ deshalb darauf an, diese Hemmnisse für ein gelöstes, versöhnliches, verantwortungsvolles und noch zur Problemlösung lernfähiges Alter durch Nacherleben, Einsicht und Verarbeitung zu beseitigen.

Autor

Helmut Luft, Dr. med., Nervenfacharzt und Psychoanalytiker, arbeitete als Chefarzt einer ganzheitlich orientierten psychosomatischen Klinik. Monika Vogt, Dr. med., approbierte Ärztin, war wissenschaftlich in der Elektroophthalmologie und danach als medizinische Fachjournalistin publizistisch tätig.

Grundlegende Inhalte

Das Buch „Gutes Altern. Verborgene Chancen und Hindernisse“ will zur Eigenerkenntnis und zu positiven psychischen Triebkräften für ein zufriedenstellendes Durchlaufen der Altersphasen verhelfen. Vergesslichkeit, Hinfälligkeit und Ängste im Alter können Ergebnisse von Konflikten im zurück liegenden Leben sein. Bilanzierung des Lebens, Generationsharmonie, Wiedergutmachung und Ausblicke auf eine Transzendenz können dagegen Grundsteine sein für ein befriedigendes, harmonisches, gutes Altern. Dazu gehören Versöhnlichkeit, Gelassenheit, Einsicht in die eigenen Grenzen, Zukunftshoffnung und Annahme des Todes. Bei nicht aufgearbeitetem Fortbestand der persönlichen Blockaden und Traumata besteht hingegen die Gefahr, das Alter mit Starrsinn, Aggressionen, in Panik und mit Todesangst zu durchleben.

Inhalte im einzelnen

Das mit vielen Beispielen aus Mythologie, Literatur und Wissenschaft sowie mit therapeutischem Material arbeitende Buch ist gut lesbar und in 13 Abschnitte gegliedert. Diese Einzelkapitel sind jeweils geschlossenen Themen gewidmet und so auch gut einzeln für sich lesbar.

Nach einer grundsätzlichen Besinnung über die Vorteilhaftigkeit der Eigenreflexion im Alter erfolgt ein Plädoyer für die positive Wirkung von Aktivitäten im Alter auf körperlichem, geistigem, musischem und libidinösem Gebiet. Belastungen aus früheren Lebensjahren sind therapeutisch (psychoanalytisch) aufzuarbeiten, wobei die Therapiezugänglichkeit alter Menschen im vorletzten Kapitel ausdrücklich bejaht wird.

Den üblichen Altersverlusten werden Abschnitte gewidmet wie körperlicher Abbau, Demenz, Berufsaustritt, Partnerverlust, familiale Veränderungen und Todesangst. Immer werden dabei Verbindungen zur psychischen Verfassung der Symptomträger gezogen. Die den Defiziten entgegen zu setzenden Haltungen werden vor allem in den Abschnitten zu den Alterskaskaden, zur Nachreifung und zur Transzendenz umrissen.

Die Alterskaskaden mit weiterer Entwicklung auf niedrigerem, eingeschränkterem Niveau sollten mit Kaskadenunterbrechung überwunden werden. Der nachreifende alte Mensch vermag dank der Plastizität seines Gehirns neue Problemlösungen und Anpassungen zu vollbringen, vorausgesetzt, er verfolgt auch im Alter noch neue Ziele. Die Vorstellung einer Transzendenz als Heimkehr und gütige Aufnahme in einer anderen Welt erleichtert die Auseinandersetzung mit dem Tod.

Diskussion

Das Buch „Gutes Altern. Verborgene Chancen und Hindernisse“ macht Mut zum Altern. Es lässt auch an Abbau und Verlusten nicht verzweifeln, sondern lenkt den Blick auch auf mögliche Zugewinne im Alter an Reifung, Toleranz, Gelassenheit und Verantwortung. Insofern ist das Buch sehr hilfreich und alternden Menschen als Lektüre zu empfehlen.

Gut nachvollziehbar ist, dass man das angenehme Alter nicht lediglich durch Auftragen einer Creme erreicht. Das zufriedenstellende Altern setzt gedankliche Arbeit wie Bilanzieren, Verstehen, Versöhnen, Relativieren und Wiedergutmachen voraus. Notfalls ist auch eine aufarbeitende Therapie erforderlich, wobei die Autoren etwas einseitig der Psychoanalyse das Wort reden. Nicht immer entgehen die Herleitungen der Gefahr der Klientifizierung.

Die mitgeteilte Altersreifung in Umkehr der frühkindlichen Entwicklungsstufen Sigmund Freuds (orale, anale, sexuelle Phasen) nach dem Muster im Alter von einer sexuellen zur oralen und zur analen Phase mutet leicht skurril an und steht im Gegensatz zu entwicklungspsychologischen Lebenslauf-Modellen wie etwa jenem von Erik Erikson. Auch die Annahme eines intergenerativen Wiederholungs-Todeszeitpunkts von Kindern im gleichen Lebensalter wie deren Eltern mag man skeptisch betrachten. Überhaupt darf gefragt werden, ob die in den Vordergrund gerückte Polarität zwischen Eros und Thanatos so altersbestimmend ist, dass man von Grundtypen der weise-gelassenen versus starrsinnig-aggressiven alten Menschen ausgehen kann.

Somit erscheinen viele unangemessene Verhaltensweisen alter Menschen zu sehr aus der Sicht der Psychoanalyse und damit individuumszentriert hergeleitet. Die sozialen Umstände, die das Alter mitbestimmen, bleiben zu sehr außen vor (wie Sozialpolitik, gesellschaftliche Normen, Medien).

Fazit

Ein dem alten Menschen freundlich gesonnenes, hilfreiches und optimistisches Buch wird vorgelegt. Es sieht den „Herbst des Lebens“ als eine gute Zeit an. Der individual-therapeutische Bezug dominiert so sehr, dass man bei aller Unterstützung leider hie und da auch die Klientifizierung der Altenpopulation befürchten mag.

Rezension von
Prof. Kurt Witterstätter
Dipl.-Sozialwirt, lehrte bis zur Emeritierung 2004 Soziologie, Sozialpolitik und Gerontologie an der Evangelischen Fachhochschule Ludwigshafen - Hochschule für Sozial- und Gesundheitswesen; er betreute zwischenzeitlich den Master-Weiterbildungsstudiengang Sozialgerontologie der EFH Ludwigshafen
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Es gibt 98 Rezensionen von Kurt Witterstätter.

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Zitiervorschlag
Kurt Witterstätter. Rezension vom 23.09.2011 zu: Helmut Luft, Monika Vogt: Gutes Altern. Verborgene Chancen und Hindernisse. Brandes & Apsel (Frankfurt) 2011. ISBN 978-3-86099-708-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/11780.php, Datum des Zugriffs 02.04.2023.


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