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Volker Herold: Eltern- und Familienarbeit in der Heimerziehung

Rezensiert von Prof. Dr. Peter Schütt , 21.06.2012

Cover Volker Herold: Eltern- und Familienarbeit in der Heimerziehung ISBN 978-3-8288-2595-6

Volker Herold: Eltern- und Familienarbeit in der Heimerziehung. Grundlagen, Probleme und Lösungen. Tectum-Verlag (Marburg) 2011. 153 Seiten. ISBN 978-3-8288-2595-6. D: 24,90 EUR, A: 24,90 EUR, CH: 32,20 sFr.
Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum-Verlag, Reihe Pädagogik - Band 26.

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Thema

Der Autor widmet sich im Rahmen der Hilfen zur Erziehung (Heimerziehung) dem spezifischen Arbeitsbereich der Eltern- und Familienarbeit.

Die methodische Ausgestaltung und die inhaltliche Ausrichtung der Eltern- und Familienarbeit aus der Heimerziehung ist eine zentrale Aufgabe moderner Pädagogik. Der Autor bezieht sich dabei insbesondere auf systemische Ansätze, sowie auf Strukturmaximen moderner Heimerziehung. Er möchte die Eltern- und Familienarbeit zu einem zentralen Stellenwert in der Heimerziehung machen und das sowohl für die Kinder- und Jugendlichen, die Eltern, als auch die Erzieherinnen.

Dabei durchstreift der Autor die bisherigen Ergebnisse zur Heimerziehung, begründet die Notwendigkeit der Eltern- und Familienarbeit, erläutert deren methodisches Setting, verweist auf Probleme und Schwierigkeiten in der Eltern- und Familienarbeit und macht schließlich Verbesserungsvorschläge für das Arbeiten und die Professionalisierung.

Autor

Der Autor, Volker Herold, Jg. 1981 . Dipl. Sozialpädagoge (Uni) und zur Zeit Mitarbeiter beim Fanprojekt Plauen.

Entstehungshintergrund

Die Veröffentlichung stellt eine überarbeitete Diplomarbeit dar. Diese wurde in an der TU Dresden im Rahmen des Studiums Sozialpädagogik, Berufspädagogik und Philosophie erstellt.

Der Autor war Mitarbeiter in der ambulanten und stationären Erziehungshilfe. Aus diesen Erfahrungen und dem Studium entstand die vorliegende Arbeit.

Aufbau und Inhalt

Anfänglich definiert der Autor Eltern- und Familienarbeit in Abgrenzung zu Familienbildung, Beratung in Fragen der Partnerschaft, Erziehungsberatung und Sozialpädagogische Familienhilfe. Es geht ihm nicht um Qualifikation von Eltern, sondern um die Systematik der Kontakte zwischen Heimerziehung, Herkunftsfamilie und dem jungen Menschen in Form systematischer Kommunikation.

Daran anschließend referiert der Autor Geschichten der Heimerziehung (Pestalozzi, Wichern, Mehringer) aus Schrapper, Kuhlmann, Conen, Flosdorf, Moos & Schmutz bis hin zur Planungsgruppe Petra und SGB VIII (Rauschenbach).

Im weiteren geht er auf die Heimerziehung heute ein. Dabei bezieht er sich insbesondere auf : SGB VIII, Trede, Hamberger, Chassé, Günder und Conen.

Seine zentralen zusammenfassende Aussagen sind:

  • Öffentliche Heimerziehung ist in der Öffentlichkeit immer noch negativ gefärbt
  • Ziel der Heimerziehung ist die Wiederherstellung der Erziehungsfähigkeit der Eltern und
  • damit die Rückkehr in die Familie

Daran anschließend referiert der Autor die Strukturmaximen von Heimerziehung, die da wären: Dezentralisierung, Regionalisierung, Alltags- und Lebensweltorientierung, Partizipation und Prävention.

Kurz geht er auf die in der Literatur benannten Kinder und Jugendlichen ein, die sich in Heimerziehung befinden oder von dieser betroffen sind.

Im nächsten Kapitel referiert der Autor bisherige Forschungsergebnisse zur Eltern- und Familienarbeit im Bereich der Heimerziehung, insbesondere Cohen, Planungsgruppe Petra, Hansen, IgfH, Hamberger, Faltermeier, Trede, Schröer und Homfeldt & Schulze-Krüdener.

Es folgt eine weitere Begründungslinie für Eltern- und Familienarbeit aus Sicht des SGB VIII, der fachwissenschaftlichen, systemischen und psychoanalytischen Sichtweisen. Insbesondere in der systemischen und psychoanalytischen Sichtweise referiert der Autor die Theorien der Loyalitäten und der Bindung des Kindes , resp. Jugendlichen zu seinen Eltern.

In den weiteren Kapiteln stellt der Autor systematisch und differenziert die Eltern- und Familienarbeit unter den Aspekten von Zielen und Methoden dar.

In der Methode unterscheidet er 3 Phasen.

  1. Phase: Die „Fremdunterbringung“ soll möglichst langfristig vorbereitet werden, inklusive Hausbesuche, Diagnostik, Problemexploration und Erwartung der Familie vor der Heimunterbringung . Dabei bezieht sich der Autor ausschließlich auf Cohen.
  2. Die Phase beschreibt die methodischen Schritte der Eltern- und Familienarbeit während der Unterbringung des Kindes, resp. Jugendlichen in der Einrichtung. Dies sind, bzw. sollen sein: informelle Kontakte, telefonische und schriftliche Kontakte, Besuche der Familie in der Einrichtung, Eltern- und Familiengespräche, Hausbesuche, Einbindung der Eltern in den Alltag der Einrichtung, Beurlaubungen, Trauerarbeit, Eltern- und Familienarbeit ohne Eltern, gruppenbezogene Elternarbeit und last not least (Re)Stabilisierung der Herkunftsfamilie.
  3. In der Phase beschreibt der Autor relativ kurz Rückführung, Verselbständigung und Nachbetreuung.

In dem folgenden Kapitel zeigt der Autor auf, dass vom Idealbild her gesehen, nach wie vor erhebliche Mängel in der praktischen Umsetzung der Theorie bestehen und zwar in strukturelle und organisatorischer Hinsicht einerseits und die Konflikte zwischen allen Beteiligten andererseits. Der Autor erwähnt en passant das Problem des Stellenschlüssels und der Finanzierung, sowie die ungenügende Qualifikation des Personals. Auf letzteres geht er bezüglich Berufsabschlüssen und Alterskohorten noch differenziert ein.

Im abschließenden Kapitel zeigt der Autor unter welchen Bedingungen mögliche Verbesserungen der Eltern- und Familienarbeit durch die Einrichtung erfolgen könnte und was dazu an Personalqualifikation, an berufsethischen Prinzipien und Diskursethik notwendig wäre.

Diskussion

Die Heimerziehung und auch die Eltern- und Familienarbeit stellen ohne Frage ein wichtiges Handlungsfeld der sozialpädagogischen Fachkräfte dar, deren fachlich und methodische Ausgestaltung sich am gesetzlichen Rahmen orientieren sollte und bezüglich der Eltern- und Familienarbeit ein profundes fachliches Wissen voraussetzt wie der Autor immer wieder erklärt.

Dieses Anliegen ist theoretisch aus dem systemischen Blick heraus zu begrüßen. In aller Regel scheitert dieses Anliegen jedoch auf dem Niveau der Erzieherinnenqualifikation, der beständigen Unterfinanzierung und einer äußerst dürftigen inhaltlich fachlichen Fachaufsicht. Wichtig sind die Feuerlöscher, nicht wie und unter welchen Bedingungen Partizipation, Einbezug der Eltern stattfindet (würde zusätzliches Geld kosten).

Die Darstellungen der Hilfen zur Erziehung in Geschichte und aktuell sind sehr stark vereinfacht. So z,.B., wenn Pestalozzi als Elternfeind charakterisiert wird, statt den „Stanser Brief“ genau zu zitieren, in dem deutlich wird, dass die Eltern die Kinder weiterhin verwahrlosen wollen damit sie gut aussehen zum betteln. Dies ist ärgerlich.

Der Autor legt sich sehr einseitig auf eine immer zu fordernde Elternarbeit fest. Nienstedt und Westermann (Pflegekinder und ihre Entwicklungschancen nach frühen traumatischen Erfahrungen) zeigen aber auf , dass gerade bei traumatisierten Kindern Elternkontakte eine Verstärkung der Traumatisierung herbeiführen können. Als Anmerkung: Verwahrlosung ist eine der häufigsten Traumatisierungen in der frühen Kindheit. Diese Auseinandersetzung hätte ich mir gewünscht. Ebenso wurde Klaus Wolf mit seinen empirischen Untersuchungen und seinen theoretischen Auseinandersetzungen über die Probleme heutiger Heimerziehung mit keinem Wort erwähnt.

Im methodischen Teil der Eltern- und Familienarbeit erscheinen die Phasen klassisch wie Rezepte.

Es fehlt eine Auseinandersetzung über Kinder und Jugendliche in Einrichtung und die jeweiligen Unterschiede in Bezug auf die Eltern- und Familienarbeit.

Unter der Überschrift Eltern- und Familienarbeit werden Kinder und Jugendliche gleich gemacht.

Ärgerlich ist auch, dass Anlagen benannt werden, die dem Text nicht beigefügt sind.

Fazit

Insgesamt wäre eine gezieltere kritische Auseinandersetzung mit den jeweiligen Theorieteilen wünschenswert gewesen. Die Texte bewegen sich zwischen sehr vereinfachten Darstellungen eines hoch komplexen Arbeitsfeldes einerseits und andererseits einem Methoden-Setting das eher an Rezepte erinnert, denn an reflexive eigenständiger Arbeit und Denke.

Die Praxis erscheint jeweils als Illustration und hat so keinen tatsächliche Grundlegung für die Theorie.

Rezension von
Prof. Dr. Peter Schütt
Hochschule Mittweida, Fachbereich Soziale Arbeit
Sozialarbeiter, Dipl. Pädagoge, Dipl. Psychologe, Familientherapeut
1967 -1969 Mitarbeiter im Team "Haus am Bach", Heim für schwerst geschädigte Kinder/Jugendliche
1977-83 Projekt Pflegekinderarbeit
1983-1990 Arbeit mit ehemaligen psychiatrisierten Langzeitpatienten

Es gibt 11 Rezensionen von Peter Schütt .

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ISSN 2190-9245