Dörte Weltzien, Anne Krebbe: Handbuch Gesprächsführung in der Kita
Rezensiert von Michael Schnabel, 27.12.2011

Dörte Weltzien, Anne Krebbe: Handbuch Gesprächsführung in der Kita. Verlag Herder GmbH (Freiburg, Basel, Wien) 2011. 272 Seiten. ISBN 978-3-451-32287-7. D: 24,95 EUR, A: 25,70 EUR, CH: 37,90 sFr.
Thema
Wenn Erzieher/innen, Lehrer/innen oder Sozialpädagogen/innen in ihren Aufgabenbereichen tätig werden, dann erzählen, erklären, berichten, ermuntern sie, stellen Fragen, fordern auf, oder hören zu - alles Prozesse der Kommunikation. Daher ist Bildung und Erziehung von Kindern ohne Kommunikation undenkbar. Mehr noch: Kommunikation ist für Bildung und Erziehung so grundlegend, dass mehrmals Konzepte der Pädagogik nur unter dem Aspekt der Kommunikation ausgearbeitet wurden. Weil Kommunikation und Pädagogik über weite Strecken parallel verlaufen, ist eine erfolgreiche Bildung und Erziehung dadurch gekennzeichnet, wie Kommunikation gestaltet wird und Gespräche miteinander gelingen. Folglich ist das Führen von gelingenden Gesprächen in allen pädagogischen Arbeitsfeldern ein Hauptanliegen. Das vorliegende „Handbuch Gesprächsführung in der Kita“ will zeigen, wie kommunikative Prozesse Bildung und Erziehung in Kindertageseinrichtungen steuern können und zugleich werden Konzepte und Methoden der Gesprächsführung dargestellt.
Aufbau und Inhalte
Die Autorinnen des Handbuches versuchen die Bedeutung der Kommunikation für alle Handlungsfelder in Kindertageseinrichtungen herauszustellen und weiterführend geben sie Anregungen und methodische Hinweise, wie Gespräche in den jeweiligen Arbeitsbereichen zu gestalten sind. Entsprechend diesem Vorhaben gliedert sich die Veröffentlichung in folgende zwei Teile:
Der erste Teil – mit den Kapiteln eins und zwei – behandelt zentrale Grundfragen der Kommunikation. Dabei versucht Kapitel eins kommunikative Prozesse zu beschreiben und die Bedeutung von Kommunikation für das Zusammenleben herauszustreichen. Weiterhin wird aufgezeigt, dass unsere Wahrnehmung Kommunikation grundlegend prägt und zum anderen wie Kommunikation die Wahrnehmung steuern kann. Weiterhin ist das Gelingen von Gesprächen vielfach störenden Einflüssen ausgesetzt, die eine professionelle Gesprächsführung erkennen und mindern soll. Abschließend erhält der Begriff “ Kommunikative Kompetenz“ anschauliche Konturen. Kapitel zwei beschäftigt sich mit Konzepten und Methoden der Gesprächsführung, beispielsweise dem Personenzentrierten Ansatz nach C. R. Rogers, der Themenzentrierten Interaktion nach R. C. Cohn und der Gewaltfreien Kommunikation von M. B. Rosenberg. Zunächst wird der Nutzen von Gesprächsmethoden eingegrenzt. Dann geben die Autorinnen einen kurzen Abriss wichtiger Konzepte der Gesprächsführung. Methoden der Gesprächsführung brauchen eine dialogische Grundhaltung, ist die abschließende These dieses Kapitels.
Der zweite Teil geht auf die Arbeitsfelder in Kindertageseinrichtungen ein, die eine Herausforderung an kommunikative Kompetenzen darstellen. Es werden folgende Praxisanforderungen in den jeweiligen Kapiteln angesprochen: Gespräche im Team, Gespräche mit Kindern, Gespräche in Leitungsfunktionen und Gespräche mit Eltern. Im Kapitel „Gespräche im Team“ wird an Hand eines Beispiels gezeigt, wie man Gespräche analysieren, verstehen und verändern kann. Der Beitrag „Gespräche mit Kindern“ zeigt an mehreren Beispielen, wie Gesprächsanlässe aufgegriffen und weitergeführt werden können. Der Schwerpunkt „Gespräche in Leitungsfunktion“ stellt sich vor allem der Frage, welchen Einfluss die eigene Persönlichkeit auf Gespräche nimmt. Bei den Gesprächen mit Eltern wird ganz besonders das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt und zugleich wird deutlich, wie mit den Eltern eine kooperative Partnerschaft angebahnt werden kann.
Die Autorinnen wollen mit Hilfe des Handbuches die dialogische Bereitschaft der sozialpädagogischen Fachkräfte unterstützen und die Gesprächsführungskompetenz in den genannten Handlungsfeldern erweitern.
Diskussion
Das von D. Weltzien und A. Kebbe ausgearbeitete Handbuch zur Gesprächsführung ist übersichtlich gegliedert und weitgehend durch praktische Arbeitsfelder in Kindertageseinrichtungen strukturiert. Eine derartige Ausrichtung auf die praktischen Anforderungen in Teamgesprächen, in Gesprächen mit Kindern, in Elterngesprächen und in Gesprächen als Leiter/in, zeigt aufschlussreiche Zusammenhänge und ungewöhnliche Perspektiven auf, wie sie bisher kaum zur Sprache kamen. Obgleich die genannten Praxisfelder die Grundstruktur für die Darstellung liefern, stehen nicht ausschließlich praktische Fragen und Techniken der Gesprächsführung im Zentrum der Publikation, sondern mehr allgemeine Zusammenhänge von Kommunikation, sowie die Gestaltung und Analyse von Gesprächen. Die Publikation ist daher mehr ein Lehrbuch der Gesprächsführung und weniger ein Praxisbuch zur Planung und Gestaltung von Gesprächen. Da sich die Veröffentlichung an pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen wendet, werden die Erwartungen aus der Praxis nach handfesten Planungsschritten und erfolgsversprechenden Gesprächstechniken eher enttäuscht.
Trotz aller Theorielastigkeit ist das Handbuch abwechslungsreich gestaltet: Viele Beispiele veranschaulichen die grundlegenden Ausführungen zur Kommunikation, Fragen und Tests regen zur Reflexion an, Anregungen für die Praxis unterstützen die Optimierung der eigenen Gesprächskompetenzen. Und dennoch könnte das Handbuch ansprechender und moderner gestaltet werden: Es fehlen Übersichten, Graphiken, Skizzen, Zeichnungen und Bilder, die einige allzu umfängliche Ausführungen auflockern könnten. Weiterhin ist für den kundigen Leser die Auswahl der kommunikativen Ansätze befremdlich: Denn es werden unter der Überschrift „Methoden“ eher unterschiedliche Konzepte vorgestellt, wobei die Forschungen von Schulz von Thun zu den vier Aspekten der Kommunikation und zum „Inneren Team“ nur am Rande erwähnt werden.
Eine große Schwachstelle des Handbuches ist die reduzierte Behandlung von Gesprächstechniken und Gesprächsarten, die in Kindertageseinrichtungen gebraucht werden, beispielsweise Entwicklungsgespräche, Beratungsgespräche, Tür- und Angelgespräche. Besonders schmalspurig sind die Überlegungen zu Elterngesprächen, obgleich gerade von Praktikern/innen zu diesem Schwerpunkt in Fortbildungen große Erwartungen geäußert werden. Die überschaubaren Ausführungen in diesem Kapitel zum Kindeswohl und zu den „Einfühlsamen Gesprächskompetenzen“ können die Wünsche und Erwartungen aus der Praxis kaum erfüllen.
Die Vernachlässigung praktischer Fragen zeigt sich auch im Literaturverzeichnis. Dort sind keine Angaben zu Büchern zu finden, die pragmatisch auf die Fragen der Gesprächsführung in Kindertageseinrichtungen eingehen.
Fazit
Pädagogische Fachkräfte, die ihre Praxis kritisch durchdenken wollen, finden in der Veröffentlichung viele Anregungen, Fragen und Reflexionsanstöße. Eine derart kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Praxis kann zur Qualifizierung der Gesprächskompetenz beitragen.
Rezension von
Michael Schnabel
Staatsinstitut für Frühpädagogik, München
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