Veronika Fischer, Monika Springer (Hrsg.): Handbuch Migration und Familie
Rezensiert von Prof. Dr. Nausikaa Schirilla, 13.11.2012

Veronika Fischer, Monika Springer (Hrsg.): Handbuch Migration und Familie. Grundlagen für die Soziale Arbeit mit Familien. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2010. 528 Seiten. ISBN 978-3-89974-649-5. 49,80 EUR.
Thema
Das Handbuch will ein Lesebuch mit aktueller Literatur aus der Forschung und mit sozialpädagogischen Anregungen aus der Praxis für den Themenbereich Migration und Familie darstellen. Es wird dem aktuellen Interesse an Familien und Familienpolitik gerecht und bildet die Situation von Familien in der Migration ab. Damit beschreibt der Band aber zugleich auch bundesrepublikanische Realität, nämlich aktuelle Veränderungen in der Bevölkerungs- und Sozialstruktur. Erklärtes Ziel ist, der Vielfalt von Lebensrealitäten von Migrantenfamilien gerecht zu werden. Der Band vertritt auch den Anspruch, Migration nicht (nur) als Problem, sondern (auch) als Ressource darzustellen. Entsprechend liefert der Band einen breiten, ausgesprochen interdisziplinären und theoretisch wie praktisch orientierten Zugang zum Thema Migration und Familie. Damit soll eine Grundlage für die Soziale Arbeit mit Familien geschaffen werden, die sowohl theoretischer als auch praktischer Natur ist.
Entstehungshintergrund
Die Herausgeberinnen konstatieren, dass sich trotz des legendären 6. Familienberichts mit seinen Spezialbericht zum Thema Familie in der Migration kein eigener Forschungszweig dazu herausgebildet hat, obwohl der 6. Familienbericht das regelrecht forderte und die Datenlage seitdem wesentlich besser ist, denn jetzt können über den Mikrozensus Familien bzw. Personen mit Migrationshintergrund ermittelt werden. Weiterhin konstatieren Fischer und Springer, dass in der pädagogischen Literatur ein defizitärer Zugang zum Thema Migrantenfamilien überwiegt – auch hier soll umgesteuert werden. Das Handbuch ist entsprechend breit und vielfältig aufgebaut.
Aufbau und Inhalt
Das Handbuch ist in zwei große Teile und dort jeweils in verschiedene Unterteile gegliedert.
- Teil A liefert interdispizplinäre theoretische Grundlagen zu den Themen Migration und Familie,
- Teil B bezieht sich auf die soziale Arbeit mit Familien in der Migration.
Der erste Teil – theoretische Grundlagen zu den Themen Migration und Familie – liefert mit migrationssoziologischen Zugängen eine solide Grundlage: Ludger Pries schreibt über Globalisierung und Migration, Karl-Heinz Meier-Braun und Dieter Filsinger über Zuwanderungsgeschichte und Migrationspolitik.
Im zweiten Teil von A werden unter dem Titel Lebenslagen verschiedene Facetten der sozial strukturellen Situation beleuchtet, so die ökonomische Situation von Migrantenfamilien, rechtliche Aspekte, der milieutheoretische Zugang, die Themen Gewalt und Kriminalitätsrisiko, Medien, Gesundheit, Religion und Potentiale der Selbstorganisation.
Der dritte Teil hat einen intergenerativen Fokus und beschreibt Eltern – Kind Beziehungen, die Bildungssituation, Konzepte von Elternschaft und Erziehung, die Bedeutung von Netzwerken, geschlechtsspezifische Aspekte und den Status von älteren Migranten.
Der praktische Teil widmet sich dem sozialpädagogischen/ sozialarbeiterischen Arbeitsfeld Familie in der Migration. Zunächst werden unter dem Titel Qualitätsanforderungen fachliche Zugänge zur Familienarbeit und verschiedene interkulturelle Konzepte wie interkulturelle Kompetenz und diversity dargestellt. Ein Beitrag verweist auf die Bedeutung der kommunalen Ebene für das Handlungsfeld.
In einem weiteren Teil werden verschieden Arbeitsweisen, sozialpädagogische Methoden und Interventionsformen dargestellt, wie beispielsweise Familienbildung, sozialpädagogische Familienhilfe, Hilfen zur Erziehung etc. Dieser Teil ist sehr breit angelegt und alle Arbeitsweisen werden mit Hinblick auf KlientInnen mit Migrationshintergrund entfaltet. Das letzte Kapitel heißt Konzepte der Eltern- und Familienbildung und stellt konkrete Programme vor wie Eltern Stärken, das Vorschulprogramm HIPPY, das Rucksackprojekt u.a. . Dieser von Monika Springer verfasste Teil zeigt zum Einen die Bedeutung von Elterntrainings für die Arbeit mit Migrantenfamilien auf und fordert eine enge Vernetzung von Familienbildung und Sprachförderung.
Zielgruppe und Diskussion
Das Handbuch ist als Grundlage und Einführung konzipiert und richtet sich an Studierende im pädagogischen und sozialen Fächern, an Fachkräfte im Erziehungs- und Bildungssystem sowie an Multiplikatorinnen der Elternarbeit. Der Band wird in seiner Anlage und in der Auswahl und Zusammenstellung der Beiträge diesem Anspruch gerecht. Die Beiträge sind in sich gut, verständlich und aussagestark und von überschaubarer Länge. Die Autoren der einzelnen Beiträge sind in der Regel ausgewiesene Experten für das Fachgebiet, entweder als Theoretiker oder als Praktiker, so beispielsweise Michael Krummacher für Integration und die kommunale Ebene oder Talibe Süzen, die über Hilfen zur Erziehung schreibt.
Relativ zu Beginn findet sich in Beitrag, der sich auf die Sinusstudie Migrantenmilieus bezieht. Als wichtigstes Ergebnis der Sinusstudie wird die relative Irrelevanz von national ethnischer Zugehörigkeit für soziale Milieus beschrieben – so wird deutlich, warum im weiteren Verlauf der Komposition des Handbuches nicht auf ethnisch kulturelle Besonderheiten bestimmter nationaler oder ethnischer Familienkulturen Bezug genommen werden muss. Dennoch hätte man sich mehr Beträge zu den „heiklen“ Themen wie Tradition, Gewalt, Autorität gewünscht, besondern weil das Handbuch für Studierende und angehende Fachkräfte gedacht ist. Des weiteren wird nicht immer klar, warum ein Artikel dem einen und nicht dem anderen Artikel zugeordnet ist. Auch ist die Auswahl der Methoden und Konzepte bei weitem nicht erschöpfend und es wird nicht klar, warum welche methodischen Felder bzw. Arbeitskonzepte ausgewählt worden sind.
Zu einem Handbuch gehört auch ein Register und der Band verfügt über ein ausführliches Register mit vielen Nachschlagemöglichkeiten. Die einzelnen Artikel sind zwar nach einem Strukturprinzip angeordnet, sie bauen aber nicht aufeinander auf, so dass es immer wieder möglich ist, einzelne Fragen nachzuschauen und Problematiken nachzulesen. Die Beiträge sind sowohl für Nicht - Migrationsexperten als auch für Nicht -FamilienexpertInnen verständlich geschrieben.
Diskussion
Trotz der erwähnten Mängel bleibt festzuhalten dass Veronika Fischer und Monika Springer ein brauchbares und für Studium und Praxis geeignetes Handbuch herausgegeben haben.
Rezension von
Prof. Dr. Nausikaa Schirilla
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