Heino Stöver, Michael Prinzleve (Hrsg.): Kokain und Crack. Pharmakodynamiken [...]
Rezensiert von Dipl. Soz.-Arb. Monica Wunsch, 26.04.2005
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Heino Stöver, Michael Prinzleve (Hrsg.): Kokain und Crack. Pharmakodynamiken, Verbreitung und Hilfeangebote. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2004. 238 Seiten. ISBN 978-3-7841-1494-1. 21,00 EUR. CH: 36,90 sFr.
Einführung in das Thema
Kokain und Crack - Begriffe , die der Großteil der Bevölkerung schon einmal gehört hat. Doch was wissen wir über diese Drogen? Basiert unser Wissen auf einem massenmedial publizierten Mythos, auf einer interessierten Vorstellung? Der Konsum von Kokain wird den "gehobenen Gesellschafts- und Künstlerkreisen" zugeschrieben. Crackkonsum gilt als amerikanisches Phänomen und impliziert die Ablehnung gesellschaftlich integrierter Lebensvorstellungen. Drogen, insbesondere illegalisierte Drogen, werden von dem Gros der Bevölkerung als Bedrohung des herrschenden Norm- und Werteverständnisses angesehen, ein kollektives differenziertes Wissen existiert so gut wie nicht.
Kokain wird von ca. 2 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung aus allen gesellschaftlichen Spektren konsumiert. Der Konsum von Crack liegt bei ca. 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung und überwiegt in der so genannten offenen Drogenszene. Konsumierende sind insbesondere Frauen, die, infolge ihres kompulsiven Drogenkonsums, der Prostitution nachgehen. Aufgrund der existierenden Handelsstrukturen ist der Crackkonsum vorwiegend in den Städten Hamburg und Frankfurt verbreitet. Trotzdem sollte der Crackbeikonsum von Heroingebrauchenden in anderen Städten nicht unterschätzt werden.
Die AutorInnen der vorliegenden Publikation beschreiben und analysieren, basierend auf ihrem Kontextwissen über den Konsum von Kokain, die Gebrauchsmuster und Hintergründe des Crackkonsums. " Sie gehen davon aus, dass weniger die pharmakologische Wirkung einer psychoaktiven Substanz ihre Wirkung beschreibt, als das kulturelle und gesellschaftliche Konsumumfeld, die vorhandene "Kulturation" ihres Gebrauchs." (S. 8)
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist klar und übersichtlich strukturiert. Es enthält drei Kapitel, in denen wissenschaftliche Auseinandersetzungen und Studien verschiedener AutorInnen Grundlagen zum Thema des Kokain- und Crackkonsums darlegen, Städte und Szenen beleuchten und Erfahrungen aus der Praxis: Hamburg, Frankfurt und Zürich beschreiben und analysieren.
- Das erste Kapitel beginnt mit einer Einführung in Die Wirkung von Crack (C. Haasen), einer Klärung was Kokain und Crack eigentlich ist, woraus es gewonnen wird und wie verschiedene Wirkungsformen aufgrund der unterschiedlichen Darreichungsformen aus einer Substanz resultieren. Im folgenden Beitrag "Das Gute" (kontrollierter) Kokainkonsum zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Anzeichen eines Enkulturationsprozesses? (U. E. Kemmesies, B. Werse) werden die Erscheinungsformen und der Verbreitungsgrad des Kokainkonsums im Kontext der Drogenpolitik und des soziokulturellen Umfeldes differenziert beschrieben und die Bedingungen und Möglichkeiten der En- und Dekulturationsprozesse von Kokain diskutiert. Der ausführlichste Beitrag Bestandsaufnahme "Crack-Konsum" in Deutschland: Verbreitung, Konsummuster, Risiken und Hilfeangebote von H. Stöver gibt anhand vielfältiger Studien einen hervorragenden Überblick über den aktuellen Informationsstand bis zum Jahre 2001. Im Folgenden wird kurz und übersichtlich Information über Safer Use: Kokain und Crack (C. Haasen, H. Zurhold, M. Prinzleve) gegeben.
- Das zweite Kapitel beginnt mit Kokain in Frankfurt. Konsummuster und Verteilerhandel im "bürgerlichen" Milieu (H.Hess, R. Behr). Der Beitrag basiert u.a. auf einem Studienprojekt, an der Universität Frankfurt, mit KokainkonsumentInnen die sich innerhalb gesellschaftlich anerkannter "genormter" Lebensverhältnisse bewegen und nicht der "auffälligen" Drogenszene zuzurechnen sind. Dass Crackkonsum insbesondere unter den Frauen verbreitet ist, die sich in "offenen Straßenszenen" bewegen und der Prostitution nachgehen und inwiefern die Verbreitung von Crack Einfluss auf die sozialen Praktiken auf dem Straßenstrich nimmt, beschreibt Prostitution von Stein zu Stein von A. Langer. Der Beitrag von M. Prinzleve, M.-S. Martens, C. Haasen Alles nur noch Crack? Mythen und Fakten zum Crackkonsum am Beispiel der "offenen Drogenszene" in Hamburg, Stadtteil St. Georg beschreibt eine Studie, die belegt, dass der Konsum von Crack in dieser Szene zwar weit verbreitet ist, überwiegend jedoch polyvalente Gebrauchsmuster vorzufinden sind und der Konsum von Crack einhergeht mit einer Reduzierung des Konsums von Kokainhydrochlorid. Das Ende vom Boom?!? - Crack in Frankfurt am Main von U. E. Kemmesies stellt eine Studie zur Verbreitung und Imageveränderung von Crack aus den Jahren 2003/2003 vor.
- Das dritte Kapitel beschreibt mit Der Mythos von Crackmonstern und hilflosen Helfern (P. Möller, M. Prinzleve), Steinbruch Drogenhilfe - Wie Crack-Raucher an einem falschen Kompromiss kratzen (M. M. Dörrlamm) die Veränderungen in den "offenen Drogenszenen" durch Crack seit Beginn der 90er Jahre und den sich daraus entwickelnden Handlungsbedarf für sozialpolitische Akteure und Drogenhilfeangebote. Inhalationsräume - ein Angebot der Ambulanten Drogenhilfe der Stadt Zürich für Risiko-ärmeren Konsum (R. Blättler) beschreibt die Hintergründe und die Umsetzung eines Konzeptes für risikoärmere Konsumformen anhand des 2001 gestarteten Pilotprojektes, Inhalationsräume in zwei der fünf dezentral verteilten Kontakt- und Anlaufstellen (K &A) mit Konsumräumen zu installieren.
Fazit und Zielgruppe
Das Buch ist sehr gut lesbar und spiegelt, nicht zuletzt durch die Einbeziehung vielfältiger Studien, die Entwicklung des Kokain- und Crackkonsums bis heute wieder. Es gibt fundiert Auskunft über die Substanz Kokain, ihre Gebrauchsformen und Konsummuster eingebettet in den soziokulturellen und sozialpolitischen Kontext. Möglichkeiten eines risikoärmeren Gebrauchsverhaltens und adäquate sozialmedizinische und sozialarbeiterische Handlungsstrategien werden aufgezeigt.
Das Buch erscheint mir als ein Muss für alle SozialarbeiterInnen und -pädagogInnen, ÄrztInnen und SozialpolitikerInnen, die im Kontext ihrer Arbeit mit DrogenkonsumentInnen zu tun haben. Das Unwissen über die Hintergründe, Gebrauchsformen und adäquate Handlungsstrategien ist zu weit verbreitet, als dass diese Publikation übergangen werden dürfte.
Rezension von
Dipl. Soz.-Arb. Monica Wunsch
Mercedes Monica Wunsch
Dipl.-Soz.Arb. (FH)
Geschäftsführender Vorstand
Zug um Zug e.V. und Tochtergesellschaften (Köln)
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