Karl König: Arbeit und Persönlichkeit
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 13.10.2011

Karl König: Arbeit und Persönlichkeit.
Brandes & Apsel
(Frankfurt) 2011.
175 Seiten.
ISBN 978-3-86099-706-2.
19,90 EUR.
CH: 33,50 sFr.
Reihe: Psychodynamik der Arbeitswelt - Band 1.
Ursachen von Entfremdung in der Arbeitswelt
„Arbeit ist das halbe Leben“ – oder mehr oder weniger? Es gibt alltägliche, psychologische und intellektuelle Zugänge zur Frage, was Arbeit mit den Menschen macht: Lust oder Last? Wohlbefinden und Bestätigung oder Mühsal und Zwang, Herausforderung oder Überforderung, Befriedigung oder Resignation… „Arbeit“ ist ein persönlicher wie kollektiver, politischer wie pathologischer Begriff. Das Thema spielt demnach eine Rolle bei gesellschaftlichen wie weltanschaulichen Prozessen, in Bildung, Erziehung, Gesundheit und Krankheit. Es sind oft die menschlichen Anweisungen, die Verständnisse und Missverständnisse verursachen: „Ora et labora“ – oder „Müßiggang ist aller Laster Anfang“, im Sinne der aristotelischen „energeia“, dem griechischen pónos, oder das lateinische „neg-otium“, immer ist es die Rangfolge, die den Menschen suggerieren will, was zu tun ist! Es ist die uralte Frage nach Fremd- oder Selbstbestimmung, die den Diskurs um den Sinn und die Bedeutung von Arbeit im menschlichen Dasein bestimmt. Deshalb vollzieht sich das Nachdenken über Arbeit und Arbeitsethos meist in philosophischen, soziologischen und politischen Kategorien, verstanden als Herausforderungen der Aufklärung, Emanzipation und Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit des Menschen.
Entstehungshintergrund und Autor
Wenn Psychologen, Psychotherapeuten und Psychoanalytiker über „Arbeit“ reflektieren, geht es in erster Linie um die Frage, was „Arbeit mit den Menschen macht“, also darüber, wie das Individuum auf die Art und Weise reagiert, die die jeweilige Charakterentwicklung, Arbeitsauffassung und -stil hervorbringen. Es sind die klinischen Typologien, die erkennen lassen, wie „ursprünglich aus pathologischen Charaktertypen abgeleitete Formen der Normalität“ entstehen und erklären lassen. Dem im gesellschaftlichen Diskurs aktuell und äußerst kontrovers diskutiertem Phänomen von der „Krise der Arbeit“ steht nämlich das Dilemma von der „Erschöpfung durch Arbeit“ gegenüber.
Der Göttinger Psychoanalyst und Internist Karl König beschäftigt sich schon seit langem mit Fragen der Charakterstrukturen auf den Arbeitsstil des Menschen und den daraus resultierenden Arbeitsstörungen. Er fasst seine bisherigen Forschungsarbeiten und klinischen Erfahrungen zusammen und zeigt auf, „dass eine Verbindung von Ich-Psychologie, die sich mit Ich-Funktionen, zum Beispiel mit den sogenannten Abwehrmechanismen, beschäftigt, in Kombination mit Erkenntnissen und Konzepten der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie eine differenzierte und dennoch übersichtliche Betrachtung ermöglicht“.
Inhalt
Der Autor beginnt seine Arbeit mit einer kurzen Einführung in die klinischen Typologien, indem er danach fragt, wie ein Charakter entsteht. Danach gliedert er seine Reflexionen in drei Kapitel: „Arbeiten: Motive, Hindernisse Störungen“, „…: Allein oder zu Mehreren“ und „…: Risiko für die Gesundheit“. Und er schließt seine Darstellungen ab mit: „Ergänzungen“.
Die Kenntnis darüber, welche Charaktertypen sich im individuellen Verhalten und gesellschaftlichen Miteinander zeigen und wie sich ihr spezieller Umgang bei Arbeitsprozessen auswirken. Die dabei herausdifferenzierten Charaktere und die aus der Theorie- und Praxiserfahrung ausgewählten Beispiele und Zuordnungen zu bestimmten Verhaltensweisen führen beim Leser ohne Zweifel zu einer Reihe von Aha-Erlebnissen.
Individuelle und/oder kollektive Arbeit wird nicht selten bestimmt von der ausgeübten, beruflichen oder privaten Tätigkeit. Zu erkennen, welche Strukturen, Prägungen oder Entwicklungen den Verhaltensweisen der spezifischen Charaktertypen zugrunde liegen und wie sie in den jeweiligen Situationen wirken, ist eine Herausforderung, die deutlich machen kann, „ob sich die Menschen mit gegensätzlichen Strukturen aufeinander zu bewegen oder ihre Unterschiede betonen“.
Weil (sicherlich nicht immer, aber oft) Arbeitsunfälle sich dadurch ereignen, dass der Geschädigte in der jeweiligen Situation Verhaltensweisen zeigte, die mit seinen Persönlichkeitsstrukturen zusammen hängen, wird die Frage danach im Kapitel Risiko für die Gesundheit“ diskutiert. Ein weit verbreitetes, zunehmendes Problem stellen auch die Symptomatiken dar, die zum „Burnout“ führen. Sie zu erkennen und den (möglichen) Verhaltensweisen der aufgeführten Charaktertypen zuordnen und die Ursachen verstehen zu können, gehört sicherlich in den Analyse- und Praxiskoffer von Professionellen.
Mit „Ergänzungen“ verweist der Autor auf die vielfältigen Bedächtigkeiten und Ratschlägen, die positive Arbeitsbeziehungen begünstigen und Störungen abmildern oder vielleicht sogar verhindern können: Die Auseinandersetzung mit dem Begabungsbegriff gehört genau so dazu, wie die Entdeckung einer produktiven, emotionalen und charakterspezifischen Neugier, die Eigenschaften Schüchternheit und Anerkennung, den Chancen und Risiken der Kritik und des Protestes, beim Umgang mit Freizeit, und nicht zuletzt den Fähigkeiten und Strategien, sich zu präsentieren und zu bewerben. Für den Profi ist schließlich auch bedeutsam, welche Therapien bei Arbeitsstörungen und Erschöpfungen durch Arbeit bei den jeweiligen Charaktertypen angewandt werden und erfolgreich sein können.
Fazit
„Erschöpfung durch Arbeit“ ist kein Phänomen, das Menschen in die Wiege gelegt wird. Die Ursachenforschung kann natürlich auch nicht allein durch klinische und psychotherapeutische Zugänge erfolgen. Soziologische, gesellschaftspolitische und systemkritische Analysen dazu liegen zahlreich vor, verbunden mit der Aufforderung, wie sie von der Weltkommission „Kultur und Entwicklung“ 1995 (1997) eindringlich formuliert wurde: „Die Menschheit steht vor der Herausforderung umzudenken, sich umzuorientieren und gesellschaftlich umzuorganisieren, kurz: neue Lebensformen zu finden“.
Die Arbeit des Psychotherapeuten und Wissenschaftlers Karl König „Arbeit und Persönlichkeit“ leistet einen wichtigen Beitrag zu der Erkenntnis, dass jedem menschlichen Charakter ein spezifischer Arbeitsstil eigen ist. Der psychoanalytische Zugang dazu verdeutlicht die notwendigen, differenzierten Reflexion und den Forschungsbedarf; nicht zuletzt in den Zeiten der sich immer interdependenter, (un)gerechter entwickelnden Welt, die (nicht nur) eine „Krise der Arbeit“ produziert.
Psychotherapeuten, Psychoanalytiker, Psychiater, Psychologen, Arbeitsmediziner, Supervisoren, Coaches, Berater, Arbeitervertreter und -agenturen, Arbeits- und Sozialwissenschaftler, Arbeitsrechtler, pädagogische Mitarbeiter und gesellschaftlich Interessierte werden in dem Buch sicherlich keine Rezepturen finden; aber eine Reihe von Anregungen, Praxis- und Forschungshilfen!
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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