Klaus Fröhlich-Gildhoff, Stefanie Pietsch et al. (Hrsg.): Zusammenarbeit mit Eltern in Kindertageseinrichtungen
Rezensiert von Prof. Dr. Ulrich Bartosch, 20.09.2013
Klaus Fröhlich-Gildhoff, Stefanie Pietsch, Michael Wünsche, Maike Rönnau-Böse (Hrsg.): Zusammenarbeit mit Eltern in Kindertageseinrichtungen. Ein Curriculum für die Aus- und Weiterbildung.
FEL Verlag Forschung Entwicklung Lehre
(Freiburg) 2011.
260 Seiten.
ISBN 978-3-932650-43-7.
15,00 EUR.
Reihe: Materialien zur Frühpädagogik.
Entstehungshintergrund, Autoren und Thema
Das Curriculum wurde im Rahmen des Programms „Profis in Kitas – PIK II“ erstellt. Mit Förderung der Robert-Bosch-Stiftung widmete sich eine Forschungsgruppe der Evangelischen Hochschule Freiburg um den Psychologen Klaus Fröhlich-Gildhoff der Kooperation zwischen Kita und Eltern. Ihnen war deutlich geworden, dass die Zusammenarbeit mit den Eltern, wiewohl zentrale Aufgabe in der täglichen Praxis der Erzieherinnen, in der Ausbildung an Fachschule und Hochschule noch wenig strukturell thematisiert war. Im Verbund mit Hochschulen in Berlin, Köln, Düsseldorf und Bremen wurde das Unterrichtswerk in der Praxis erprobt und dann mit besonderen, ebenfalls neu konstruierten Instrumenten evaluiert.
Die Forscherinnen und Forscher wollten dabei „die Tauglichkeit des entwickelten Bildungskonzepts/Curriculums“ feststellen, ‚Kompetenzerwerb/Kompetenzentwicklung im Bereich Zusammenarbeit mit Eltern‘ erfassen und die verwendeten „quantitativen und qualitativen Evaluationsinstrumente/Methoden“ empirisch prüfen. (9f.) Ganz im Einklang mit den neuen Studiengängen und einer Hinwendung zur Lerner-zentrierten Lehre (student centered approach) richtet sich der Focus der curricularen Arbeit auf die Kompetenzentwicklung. Somit kann es nicht um eine möglichst umfassende Auflistung von Inhalten gehen, die lediglich das Wissen der Zielgruppe verbreitern bzw. vertiefen. Vielmehr ist zu fragen, was jemand kann, also in der Lage sein wird, professionell zu leisten, wenn die Anforderungen der Praxis tatsächlich an den/die Lernende/n herantreten.
Aufbau und Inhalt
Das Buch weist drei Abschnitte auf.
Der erste Teil beschreibt die Entwicklung, Umsetzung und Evaluation des Curriculums ‚Zusammenarbeit mit Eltern‘ und gibt dabei Auskunft über die konzeptionellen und theoretischen Grundlagen des Vorgehens und über die Methoden und Ergebnisse der Evaluation. (15-95) Mit einer kritischen Reflexion des Begriffs „Erziehungspartnerschaft“ wird die Zusammenarbeit zwischen Familie, Pädagoginnen und Kindern als „Beziehungsdreieck“ (17) beschrieben und in der komplexen Abwägung von unterschiedlichen Interessenlagen als „Wirkungskette“ (19) modelliert, in der die Haltung der Fachkräfte eine wichtige Funktion einnimmt. Zugleich gilt es besondere Anforderungen spezifischer Zielgruppen zu erkennen und zu berücksichtigen. Über „mehrdimensionale Zugänge“ (25-48) wurden Struktur und Inhalt des Curriculums konstruiert. Dazu dienten Gruppendiskussionen um die Erfahrungen und Anforderungen aus der Praxis-Perspektive zu erfassen. Sie wurden ergänzt durch eine Auswertung der aktuellen wissenschaftlichen Diskurse sowie der vorhandenen Modulbeschreibungen eingerichteter Studiengänge. Die vorhandenen Orientierungsrahmen und Unterrichtsmaterialen bilden den vierten Zugang. Dies fließt in einen „Qualifikationsrahmen ZmE (Prozessmodell)“ ein und lässt die Formulierung von „Kompetenzbeschreibungen“ zu. (25) Somit erhält das „Curriculum ZmE“ eine empirische Basis für Ablaufplanung, Methodenwahl und Materialenerstellung. Zugleich ist durch die Formulierung von Kompetenzzielen auch die Messung der erreichten Kompetenz angelegt. Hierfür entwickelte das Team eigene Ansätze, die in einem eigenen Unterabschnitt detailliert beschrieben werden. Im Zentrum steht ein Kompetenzmodell, das Fröhlich-Gildhoff, Nentwig-Gesemann und Pietsch bereits 2011 eingeführt haben und das hier zusammen mit den Erfassungsinstrumenten und den Ergebnissen der Analyse in seinen wichtigsten Aspekten referiert wird. An fünf Hochschulstandorten wurde das Curriculum eingesetzt und die Kompetenzentwicklung der Studierenden untersucht. Die Autoren resümieren: „Die Ergebnisse der Evaluation geben Aufschluss darüber, dass signifikante Kompetenzentwicklung bei den Studierenden im Prä-Post-vergleich sowohl in der Selbsteinschätzung (standardisierter Fragebogen) als auch in der Fremdeinschätzung (standardisierte Auswertung des Kompetenzerfassungsinstruments (‚Dilemma-Situationen‘) der Studierenden zu konstatieren sind.“ (85) Im Ergebnis wurden das variantenreiche „methodisch-didaktische Vorgehen“ und die häufigen „Reflexionsanlässe“ als Grundlage des Erfolges benannt. (86)
Der zweite Teil, das Curriculum ‚Zusammenarbeit mit den Eltern‘, wird in zehn Einheiten präsentiert. (98-200) Voraus wird die Konstruktionslogik beschrieben. Sie bezieht sich auf den Qualifikationsrahmen Früpädagogik B.A., der mit der Robert Bosch Stiftung erarbeitet wurde. Dieser bezieht sich umfassend auf den Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit (QR SArb). Die vorhandenen Kategorien werden durch Kompetenzbeschreibungen konkretisiert, um dann wiederum mit Inhalten in Bezug gesetzt zu werden. Weiterhin werden die passenden Möglichkeiten zur Lehr-Lern-Organisation ausgewählt und benannt. Auf diesem Weg sind dann Kompetenzdimensionen und Inhalte in Beziehung gesetzt und ergeben eine klare und transparente Konstruktion des Curriculums.(109) Ab der Seite 120 wandelt sich der Text vom Forschungsbericht zum Arbeitsbuch. Die zehn Einheiten, die einer gemeinsamen Logik und Struktur folgen, werden beschrieben. Dabei kommt dann auch ein CD im Anhang des Buches zum Einsatz, die weitergehendes Material verfügbar macht. Die Einheiten werden von unterschiedlichen Autorinnen und Autoren besonders verantwortet. An dieser Stelle können nur die Themen benannt werden: Überblick und theoretische Grundlagen zur Zusammenarbeit mit Eltern/Kompetenzerfassung (Fröhlich-Gildhoff&Pietsch); Rechtlich-normativer Rahmen/Kita als Dienstleistungsbetrieb (Wünsche); Gesprächsführung (Fröhlich-Gildhoff&Pietsch); Analysemethoden (Rönnau-Böse&Wünsche); Erziehungsstile (Pietsch&Fröhlich-Gildhoff); Spezifische Methoden der Zusammenarbeit mit Eltern (Rönnau-Böse); Familienbildungsangebote/Grundlagen der Erwachsenenbildung (Pietsch, Rönnau-Böse&Fröhlich-Gildhoff); Schlüsselprozesse/Übergänge (Fröhlich-Gildhoff&Wünsche); Zusammenarbeit mit Eltern im Kontext von Migration (Fischer); Innovative Konzepte und internationale Perspektiven/Kompetenzerfassung (Wünsche&Pietsch).
Einen dritten Teil bilden „Inhaltliche Originalbeiträge zum Thema“. Sie sind als korrespondierende Quellentexte zu lesen. Martin R. Textor bilanziert mit autobiographischen Akzenten die Entwicklung der Elternarbeit und prognostiziert die dauerhafte Wichtigkeit des Themas bei zugleich schwieriger werdenden Randbedingungen. (203-219) „Orientierungen im Erziehungsprozess“ will Sigrid Tschöpe-Scheffler geben. Sie reflektiert dabei die überlieferte Weisheit, dass es zur Erziehung eines Kindes eines ganzen Dorfes bedarf, hierfür müssten heute „Orte der Rückbindung, Einbettung und Vergewisserung“ für die Eltern und die Kinder geschaffen werden. Zwei Fachtexte von Meinrad M. Armbruster („Eltern-AG“; 228-235) und Sybille Fischer („kultursensible Zusammenarbeit“; 236-262) ergänzen den Band.
Diskussion
Der Band präsentiert sich genau genommen als Arbeitsbuch. Er kann in unterschiedlichster Weise ‚gebraucht‘ werden. Für Verantwortliche in der schulischen und hochschulischen Ausbildung stellt die Qualifikationsbeschreibung eine verlässliche Grundlage für die Einbindung des Themenfeldes in die Konstruktion des eigenen Angebots dar. Dabei kann offen bleiben, ob das Curriculum in der gegebenen Form übernommen, oder in Teilen angepasst und weiterentwickelt wird. Die Verbindung zum Instrument der Qualifikationsrahmen ermöglicht den direkten Anschluss an die gegenwärtigen Diskurse über die Zuordnung und Wertung der Ausbildungswege in den DQR. Freilich ist die erfolgte Zuordnung auf Stufe 6 DQR für Fachschule und Hochschule zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht beschlossen gewesen. Die Forschungsergebnisse und besonders die Kompetenzfeststellungsverfahren behalten jedoch gerade für die weitere Entwicklung des Feldes Aktualität und Gültigkeit.
Fazit
Der Band 7 der „Materialien zur Frühpädagogik“ ist ein mehrdimensionales Instrument. Es bietet aufschlussreiche Einblicke in die spezifische aktuelle Forschung und ihrer Methoden. Es stellt einen fundierten Qualifikationsrahmen mit einem korrespondierenden Curriculum bereit. Die zehn Einheiten können als Grundlage für die Praxis der schulischen, hochschulischen und weiterbildenden Qualifikationsarbeit umgesetzt oder weiterentwickelt werden. Die fachlichen Texte erschließen weitere Vertiefungsmöglichkeiten für die Leserin und den Leser. Sehr viele Facetten werden im handlichen Umfang – nebst CD – eines nützlichen Begleiters vereinigt. Ein empfehlenswertes Arbeitsbuch für Ausbildung und Praxis.
Rezension von
Prof. Dr. Ulrich Bartosch
Präsident der Universität Passau
Bis 2019 Professur für Pädagogik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW) seit 2009; Mitglied im Team deutscher Bologna-Experten des DAAD (2007-2013); ehem. Vorsitzender des deutschen Fachbereichstages Soziale Arbeit (2006-2012)
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Es gibt 14 Rezensionen von Ulrich Bartosch.
Zitiervorschlag
Ulrich Bartosch. Rezension vom 20.09.2013 zu:
Klaus Fröhlich-Gildhoff, Stefanie Pietsch, Michael Wünsche, Maike Rönnau-Böse (Hrsg.): Zusammenarbeit mit Eltern in Kindertageseinrichtungen. Ein Curriculum für die Aus- und Weiterbildung. FEL Verlag Forschung Entwicklung Lehre
(Freiburg) 2011.
ISBN 978-3-932650-43-7.
Reihe: Materialien zur Frühpädagogik.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12089.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.
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