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AK Feministische Sprachpraxis (Hrsg.): Feminismus schreiben lernen

Rezensiert von Prof. (i.R.) Dr. Gudrun Ehlert, 13.07.2012

Cover  AK Feministische Sprachpraxis (Hrsg.): Feminismus schreiben lernen ISBN 978-3-86099-699-7

AK Feministische Sprachpraxis (Hrsg.): Feminismus schreiben lernen. Brandes & Apsel (Frankfurt) 2011. 196 Seiten. ISBN 978-3-86099-699-7. 19,90 EUR. CH: 28,90 sFr.
Reihe: Wissen & Praxis - 163. Transdisziplinäre Genderstudien - 3.

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Herausgeber_innen

Der AK Feministische Sprachpraxis ist ein offener Zusammenschluss von feministischen Wissenschaflter_innen am Lehrstuhl Gender Studies und Sprachanalyse am Zentrum für transdisziplinäre Genderstudien der Humboldt-Universität zu Berlin, der durch verschiedene Aktionen in sprachliche Diskriminierungen zu intervenieren versucht.

Für die inhaltliche Konzeption und Durchführung der Publikation sind Lann Hornscheidt, Alyosxa Tudor und Evelyn Hayn verantwortlich. Prof. Dr. Lann Hornscheidt (Skandinavistische Linguistik und Gender Studies) ist Professorin für Gender Studies und Sprachanalyse am Zentrum für Transdisziplinäre Geschlechterstudien und Herausgeberin der Buchreihe Transdisziplinäre Genderstudien des Brandes & Apsel Verlages. Alyosxa Tudor und Evelyn Hayn sind zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Zentrum für Transdisziplinäre Genderstudien der HU Berlin. Das Buch ist entstanden, weil die Herausgeber_innen grundlegende Texte zu feministischen Sprachkritiken in den Gender Studies vermissen. Mit der Veröffentlichung wollen sie „antisexistische_contra_rassistische Impulse für eine Einführung in wissenschaftliches Arbeiten in den Gender Sudies geben und formulieren“ (S.7).

Aufbau und Inhalt

Die Publikation enthält fünf Beiträge, die von einem Vorwort und einem Glossar gerahmt sind.

Im Vorwort machen Lann Hornscheidt, Alyosxa Tudor und Evelyn Hayn deutlich, dass sich wissenschaftliches Arbeiten in den Gender Studies für sie nicht in formalisierten Leitlinien erschöpft. Es geht ihnen vielmehr darum, die Trennung in formale und inhaltliche Aspekte wissenschaftlichen Arbeitens zu hinterfragen und zu reflektieren. Die Herausgeber_innen versuchen neue Konzepte und Ideen zur Analyse von Machtverhältnissen und der Komplexität von Diskriminierungen zu entwerfen sowie „de-konstruktivistische Analysen mit differenzierten Feminismusverständnissen jenseits von >Geschlechtergerechtigkeit< und >Gleichstellungsmaßnahmen<“ (S.8). Sie betonen ihre positiv-empowernde Bezugnahme auf Feminismus als Konzept und begreifen „Feminismus lernen“ als eine Haltung. Mit dem Titel der Veröffentlichung „Feminismus schreiben lernen“ konzipieren sie ihr Verständnis von Feminismus als einen ständigen Lernprozess, in dem Schreiben als Form der Wissensproduktion und als Medium hinterfragt und verändert wird. Das Buch soll dazu anregen, über das eigene Schreiben als wissenschaftliche Praxis kritisch nachzudenken und möchte dazu ermutigen, neue Formen feministischer Sprach- und Schreibpraktiken auszuprobieren und in Schreibnormen zu intervenieren.

Der erste Beitrag „Feminismus“ von der AG Einleitung bildet den konzeptionellen Rahmen der Veröffentlichung. Die Schreibenden formulieren: „Feminismus ist für uns Dyke_Trans!“ (S.15) und entwerfen ein Konzept von Feminismus, in dem Sexismus analytisch ausdifferenziert wird. Darin werden sechs Grundtypen sexistischer Realisierungsformen identifiziert und begrifflich neu gefasst: ZweiGenderung, AndroGenderung, HeteraGenderung, ReproGenderung, CisGenderung und KategorialGenderung.

In den weiteren Beiträgen „feminismus w_orten lernen. Praktiken kritischer Ver_Ortung in feministischen Wissensproduktionen“ (Alyosxa Tudor), “Dyke_Trans schreiben lernen. Schreiben als feministische Praxis“ (Lann Hornscheidt), „Wissen feministisch re_produzieren lernen“ (Evelyn Hayn), „Sie fragen – Prof. Dr. H. antwortet. FAQs zu Sprache, Diskriminierung und Feminismus“ (Lann Hornscheidt) und „Feminismus schreiben lernen: Ein Glossar“ (Alyosxa Tudor und Lann Hornscheidt) wird das Anliegen der Schreibenden begründet, beschrieben und vertieft. Die Möglichkeit der Entwicklung einer nicht diskriminierenden Sprache und Schreibweise wird in der Verwendung von dynamischen Unterstrichformen und neuen Pronominalisierungen, in der Suche nach neuen Formen gesehen. Lann Hornscheidt beschreibt, wie durch den dynamischen Unterstrich „Bewegung in meine selbstdiskriminierende Erstarrung“ gekommen ist: „Lange Zeit habe ich eine VerHinderung des Sprechens durch Sexismus gespürt, ohne diese zu benennen, habe mich in der Hoffnung eines Mitgemeintseins und eines Angesprochenfühlens in Sprachformen mit Binnen-I oder einem statischen Unterstrich eingerichtet, und habe auf diese Weise meine eigene Ent_Erwähnung und die anderer Dyke_Trans selbst re-produziert…“ (Hornscheidt 2011, S. 130).

Diskussion und Fazit

Die Verfassenden haben neue Begrifflichkeiten und Schreibweisen entwickelt und das Anliegen eine nicht diskriminierende Sprache zu entwickeln, ist sehr zu begrüßen. Die hier vorgenommene Umsetzung ist aber gewöhnungsbedürftig und noch nicht überzeugend. Die Texte wirken langatmig, sie enthalten eine Vielzahl Wiederholungen und einzelne Begriffsschöpfungen erscheinen wenig einleuchtend. Mit welchem theoretischen Ausgang und welcher Reichweite kann „Dyke_Trans“ beanspruchen, Feminismus zu re_definieren? Aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive stellen sich außerdem Fragen an ein überwiegend diskursives Verständnis von Diskriminierung, Privilegierung und Machtverhältnissen. Damit einhergeht, dass die Kategorie „Klasse“ in die Auseinandersetzung um Diskriminierungen und soziale Positionierungen überhaupt nicht mit einfließt. Aber das ganze ist ja ein Experiment, das weiter entwickelt werden kann, soll und sicher auch wird.

Rezension von
Prof. (i.R.) Dr. Gudrun Ehlert
Hochschule Mittweida, Fakultät Soziale Arbeit
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Es gibt 33 Rezensionen von Gudrun Ehlert.

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Zitiervorschlag
Gudrun Ehlert. Rezension vom 13.07.2012 zu: AK Feministische Sprachpraxis (Hrsg.): Feminismus schreiben lernen. Brandes & Apsel (Frankfurt) 2011. ISBN 978-3-86099-699-7. Reihe: Wissen & Praxis - 163. Transdisziplinäre Genderstudien - 3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12099.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.


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