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Paul P. Maglio, Cheryl Kieliszewski et al. (Hrsg.): Handbook of Service Sciences

Rezensiert von Prof. Dr. Bernd Halfar, 24.08.2012

Cover Paul P. Maglio, Cheryl Kieliszewski et al. (Hrsg.): Handbook of Service Sciences ISBN 978-1-4419-1627-3

Paul P. Maglio, Cheryl Kieliszewski, Jim Spohrer (Hrsg.): Handbook of Service Sciences. Springer (Berlin) 2010. 754 Seiten. ISBN 978-1-4419-1627-3. 129,95 EUR.

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Erster Eindruck

Wie bespricht man einen Sammelband mit 754 Seiten, 56 Autoren, 17 eng gedruckten Seiten Autorenindex und -gefühlt- 2000 anregenden Ideen?

Das Ganze ist in englischer Sprache geschrieben –, man fängt an zu lesen.

Und man liest und liest, fängt an zu exzerpieren,,,

Das Buch ist ein Hammer, der Traum eines jeden, der als Lehrer, als Manager oder als budding service scientist sich mit, wie übersetzt man das eigentlich zutreffend?, service science beschäftigt. Dienstleistungswissenschaft?

Aufbau und Inhalt

Das Buch hat eine eigenartige Gliederung und basiert auf drei Säulen:

  1. Context,
  2. Research und Practice
  3. sowie Zukunft,

die in sieben Kapiteln ausgearbeitet werden.

Der „Kontextteil“ liefert das Grundlagenwissen, die Plattform, von der aus die folgenden Kapitel überhaupt verstanden werden können. Wir finden hier Beiträge über die Service Profit Chain, über den Wertschöpfungsbeitrag von Kunden in Serviceoperationen, über Kundenwertberechnungen und über die „Service Duality“. Die Titel, die Texte und die Autoren kommen einem bekannt vor, aber die Herausgeber haben hier einen echten Plot eingebaut: Die Texte sind Klassiker, häufig Aufsätze aus der Harvard Business Review, aber sie sind geliftet, überarbeitet, auf den Stand der Zeit gebracht. Die Autoren setzen sich kritisch mit ihren eigenen Arbeiten, zumeist aus den 90-ern des letzten Jahrhunderts, aus der Blütezeit der service science, auseinander und zeigen, wie sie jetzt ihre theoretischen und methodischen Ansätze formulieren.

Diese Klassikerplattform wird durch ein Theoriekapitel ergänzt, das drei frische Arbeiten serviert, die ein theoretisches, verbundenes Fundament für Service Science erstellen. Sampson verknüpft in seiner „Unified Service Theory“ relevante Ansätze zu einer Grundstruktur einer Service Science, die über das Dienstleistungsmanagement hinausgeht. Vargo/Lusch/Akaka entwickeln die neue Service Science mit einer „Service Dominant Logic“ und Spohrer/Maglio liefern einen systematischen Überblick bestehender Paradigmen in ihrem excellenten Beitrag „Toward a Science of Service Systems: Value and Symbols“.

Die zweite Säule liefert Stoff zu „Research and Practice“. Dieser Block ist in vier Kapitel mit jeweils vier bis fünf Arbeiten unterteilt. Forschung und Praxis als gemeinsame Überschrift? Jaaaa, das geht gut, wenn man sich mit der Dienstleistungsrealität, mit der Servicewelt auseinandersetzen will. Hier findet der Leser empirische Studien und analysierte Praxiserfahrungen. Die Überschriften der vier Kapitel lauten

  1. „Design“,
  2. „Operations“,
  3. „Delivery“ und
  4. „Innovation“.

Exemplarisch für die Klasse der hier versammelten Arbeiten, aber auch für die reflexive Struktur des Buches, verweise ich auf den Beitrag von Bitner/ Zeithaml/Gremler über „Technology´s Impact on the Gaps Model of Service Quality“.

Hier wird das „alte“, und so fruchtbare GAP-Modell nochmals gründlich referiert und dann „technologisch“ wiederaufbereitet. Zwischen der 1985 erstmals von Parasuraman/Zeithaml/Berry vorgelegten GAP-Publikation sind 27 Jahre sprunghafter IT-Entwicklung vergangen und so ist es nahezuliegend, das Modell unter aktuellen technologischen Bedingungen zu überdenken. Die Autoren überlegen, wie denn die einzelnen GAPs durch den Einsatz von Informationstechnik (besser) geschlossen werden könnten. Exemplarisch ist dieser Beitrag hier für das gesamte Buch herangezogen: die Zwerge sitzen auf den Schultern der Riesen und können deshalb, so die an Newton anknüpfende wissenssoziologische Überlieferung von Robert Merton, weiter als diese blicken. In diesem Buch besteht die faszinierende Besonderheit darin, dass viele Zwerge selbst die Riesen sind.

Im Abschnitt, der sich mit Businessdesign, hier verstanden als Design of Enterprise Service Systems, befasst, finden sich noch weitere hervorragende Aufsätze über empirische Forschungen und Praxiserfahrungen von designten Service Systemen. Was die Forschung (und die Praxis) darüber weiß, wie man Servicesysteme steuert und organisiert, die Amerikaner sprechen hier gerne von „engineering of service systems“, berichten die vier Aufsätze im „Operationsblock“. ?Besonders interessant ist für die Sozialarbeit, auch in seiner Schreibweise, der Beitrag von Metters über „The Neglect of Service Science in the Operations Management Field“, und der Artikel von Oliva/Sterman über „Death Spirals und Viruous Cycles: Human Ressource Dynamics in Knowledge – Based Services.?Im Abschnitt „Delivery“ geht es dann um die Dienstleistungskonfigurationen, um die Industrialization of Information Intensive Services und um die Konfiguration komplexer Dienstleistungsprodukte. Abgeschlossen wird das Kapitel „Research and Practice“ mit fünf Aufsätzen zum Gebiet „Innovation“. Miles erklärt die Grundstruktur von Service Innovation in seinem einleitendem Beitrag, dem dann vier ausgezeichnete Artikel folgen, in denen die aktuellen Fragen nach Nachhaltigkeitsentwicklung jenseits industrieller und technologistischer Konzepte oder nach Konsumententauglichkeit für innovative Dienstleistungen oder nach Schlüsselkonzepten für Dienstleistungsinnovationen abgehandelt werden.

Was bleibt, ist die letzte Säule dieses Buches, die sich mit Future beschäftigt. Hier lesen wir sieben Aufsätze, die um die Bedingungen der Zukunftsfähigkeit von Service Science kreisen. Diese Beiträge sind wiederum konzeptionell, wenn es nicht so grauenhaft klingen würde, „total spannend“, weil hier Autoren ihre vor vielen Jahren geschriebenen Zukunftsperspektiven der Service Science selbst weiterschreiben. Das Haltbarkeitsdatum der eigenen Arbeit ist sozusagen abgelaufen, und man hat die Pflicht und Schuldigkeit, aber offensichtlich auch das Vergnügen, das etwas ranzig gewordene intellektuelle Produkt neu zu gestalten.

Diskussion und Fazit

Ich komme mir vor wie ein Specht, der immer wieder auf dieselbe Stelle haut und doch keine Kopfschmerzen bekommt: auch dieses Buch aus dem Service Science Bereich zeigt das hohe Niveau, theoretisch, empirisch, textlich, einer Disziplin, die sich selbst als interdisziplinär versteht, die sich in der Entwicklung zu einer Wissenschaftsdisziplin begreift und in ihren Arbeiten Stein auf Stein für ein Gebäude setzt, in das „eigentlich“ die Sozialarbeit gut hineinpassen würde. Doch die Riesen der Sozialarbeitswissenschaft passen in ihrer Selbsteinschätzung nicht durch den Eingang in das Service Science Gebäude. Zu kompliziert ist die Themenstellung der Sozialarbeitswissenschaft. . Kennt eigentlich noch jemand den Herrn Tur Tur?

Rezension von
Prof. Dr. Bernd Halfar

Es gibt 38 Rezensionen von Bernd Halfar.

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Zitiervorschlag
Bernd Halfar. Rezension vom 24.08.2012 zu: Paul P. Maglio, Cheryl Kieliszewski, Jim Spohrer (Hrsg.): Handbook of Service Sciences. Springer (Berlin) 2010. ISBN 978-1-4419-1627-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12105.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.


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