Gudrun Becker-Hohmann: Berufliche Fort- und Weiterbildung im Gesundheitswesen
Rezensiert von Prof. Dr. Steffen Fleßa, 03.01.2012
Gudrun Becker-Hohmann: Berufliche Fort- und Weiterbildung im Gesundheitswesen. Ein theoretisches Modell der praktischen Bildungsarbeit – dargestellt am Beispiel des Krankenhaus-Betriebes ; eine Fallstudie zum beruflichen Alltag.
Verlag Dr. Kovač GmbH
(Hamburg) 2011.
481 Seiten.
ISBN 978-3-8300-5741-3.
118,00 EUR.
Schriftenreihe Studien zur Erwachsenenbildung - Band 32.
Autorin
Dr. Gudrun Becker-Hohmann ist Expertin für Fort- und Weiterbildung im Gesundheitswesen und hat langjährige Erfahrungen in der Leitung eines entsprechenden Instituts an einem großen Akutkrankenhaus. Sie ist derzeit im Ausland, so dass weder aus dem Buch noch aus dem Internet weitergehende Informationen über die Autorin verfügbar sind.
Entstehungshintergrund
Die vorliegende Monografie ist eine Dissertation, die an der Philosophischen Fakultät IV der Humboldt-Universität zu Berlin im Jahr 2011 eingereicht wurde. Sie stellt eine wissenschaftliche Reflexion der (fast) lebenslangen Erfahrung einer Berufspraktikerin der Fort- und Weiterbildung im Gesundheitswesen dar.
Aufbau und Inhalt
Die vorliegende Monografie von Gudrun Becker-Hohmann geht korrekterweise davon aus, dass eine strukturierte Weiterbildung im Gesundheitswesen bislang nur sehr unzureichend implementiert wurde. Dies erstaunt insbesondere, da gerade Krankenhäuser Großbetriebe sind und die besondere Bedeutung des Personals immer wieder in Forschung und Praxis betont wird. Im Normalfall erfolgt jedoch die Weiterbildung von Mitarbeitern von Krankenhäusern ohne ein theoretisches Handlungskonzept und basiert überwiegend auf den individuellen Vorstellungen der für Fort- und Weiterbildung Zuständigen. Häufig entstehen dadurch Fort- und Weiterbildungsprogramme, die zu einem bestimmten Zeitpunkt und für eine bestimmte Zielgruppe geeignet sind, jedoch keinem dynamischen Prozess unterliegen. Die Fort- und Weiterbildung lebt damit nicht im historisch-gesellschaftlichen Wandel und erfüllt nicht die Anforderungen, die heute von modernen Gesundheitsbetrieben gestellt werden.
Die Autorin entwickelt hingegen in ihrer vorliegenden Dissertation eine didaktische Programmplanung, die unter Berücksichtigung notwendiger Nebenbedingungen (wie z. B. Budget) theoriegestützt und erschöpfend alle Bereiche der betrieblichen Fort- und Weiterbildung umfasst und für das Krankenhaus in Wert setzt. Nach einer Einleitung, in der sie ihre Themenstellung definiert und in den Gesamtzusammenhang der Fort- und Weiterbildung stellt, diskutiert sie das didaktische Handeln in der Fort- und Weiterbildung und skizziert erstmals ihr theoretisches Modell der praktischen Bildungsarbeit, wobei insbesondere die didaktischen Handlungsfelder (der gesellschaftliche Bedingungsrahmen, der institutionelle Bedingungsrahmen, die didaktische Programmplanung, das Engagement der Lernprozesse) diskutiert werden. Es folgt ein Kapitel zu den theoretischen Grundlagen didaktischen Handelns, das sowohl den Stand der Weiterbildungsforschung in Krankenhäusern als auch das didaktische Handeln als Schwerpunkt der Programmplanung diskutiert. So werden begriffsgeschichtliche und theoretische Ansätze didaktischen Handelns in der Erwachsenenbildung aufgenommen. Das dritte Kapitel ist hierbei stark theoriebezogen und erfordert gewisse Vorkenntnisse.
Im vierten Kapitel stellt die Autorin ihre Methodik vor. Sie hat ihre Erfahrungen in einem konkreten Krankenhausbetrieb, in dem sie viele Jahre in der Fort- und Weiterbildung leitend gewirkt hat, als Fallstudie weiterentwickelt und führt eine qualitative Forschung vor. Hierbei unterscheidet sie in den weiteren Kapiteln das makrodidaktische Handlungsfeld (Kapitel 5), die Längsschnittanalyse der Programmstruktur (Kapitel 6) sowie das mikrodidaktische Handlungsfeld (Kapitel 7). Zu dem makrodidaktischen Handlungsfeld gehören u. a. der regionalpolitische und gesellschaftliche Kontext, das Krankenhaus, in dem sie ihre Tätigkeit ausgeübt hatte mit seinen innerbetrieblichen Rahmenbedingungen und die personellen Ressourcen.
Zur Längsschnittanalyse der Programmstruktur gehören die verschiedenen Teile der Fort- und Weiterbildung wie z. B. Lernfelder, Zielgruppen und Budgetentwicklung. Das mikrodidaktische Handlungsprogramm entspricht der didaktischen Programmrealisation, einschließlich der Fort- und Weiterbildung der Ausbilder, der Supervision und einer Diskussion von Weiterbildungslehrgängen im Pflegeberuf.
Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse der Fallstudie sowie einer Diskussion und Bewertung derselben, wobei die Autorin letztlich über den Fallstudiencharakter nicht hinaus kommt.
Fazit
Die vorliegende Arbeit ist einerseits als Dissertation konzipiert, die an einer philosophischen Fakultät eingereicht wurde. Sie stellt damit vergleichsweise hohe Anforderungen an Begrifflichkeiten, an die Vorkenntnisse aus der Pädagogik sowie an qualitative Forschungsmethoden. Andererseits handelt es sich um eine Fallstudie, die auf einer langjährigen Erfahrung basiert. Die vorliegende Arbeit ist folglich einerseits all denjenigen zu empfehlen, die auf der Suche nach einem theoretischen Konzept der Fort- und Weiterbildung in Krankenhäusern sind, andererseits ist sie lesenswert für Wissenschaftler, die ein Beispiel für eine konkrete Anwendung pädagogischer Theorie suchen. Ob sie für Führungskräfte im Gesundheitswesen relevant ist, bleibt fraglich. Nur an wenigen Stellen gelingt es der Autorin die konkrete Führungsverantwortung für die Fort- und Weiterbildung zu adressieren und in einer für Führungskräfte ohne explizit pädagogischen Hintergrund verständlichen Weise darzustellen. Dies disqualifiziert die Arbeit in keiner Weise, schränkt jedoch ihre Relevanz für das praktische Management etwas ein.
Rezension von
Prof. Dr. Steffen Fleßa
Universität Greifswald, Department of Health Care Management
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Es gibt 25 Rezensionen von Steffen Fleßa.
Zitiervorschlag
Steffen Fleßa. Rezension vom 03.01.2012 zu:
Gudrun Becker-Hohmann: Berufliche Fort- und Weiterbildung im Gesundheitswesen. Ein theoretisches Modell der praktischen Bildungsarbeit – dargestellt am Beispiel des Krankenhaus-Betriebes ; eine Fallstudie zum beruflichen Alltag. Verlag Dr. Kovač GmbH
(Hamburg) 2011.
ISBN 978-3-8300-5741-3.
Schriftenreihe Studien zur Erwachsenenbildung - Band 32.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12202.php, Datum des Zugriffs 02.12.2024.
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