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Ingrid Gissel-Palkovich: Lehrbuch allgemeiner sozialer Dienst - ASD

Rezensiert von Prof. Dr. Wolfgang Klug, 03.02.2012

Cover Ingrid Gissel-Palkovich: Lehrbuch allgemeiner sozialer Dienst - ASD ISBN 978-3-7799-2210-0

Ingrid Gissel-Palkovich: Lehrbuch allgemeiner sozialer Dienst - ASD. Rahmenbedingungen, Aufgaben und Professionalität. Juventa Verlag (Weinheim) 2011. 319 Seiten. ISBN 978-3-7799-2210-0. 23,95 EUR.
Reihe: Studienmodule soziale Arbeit.

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Thema

„Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) bzw. Kommunale Soziale Dienst (KSD) hat in den letzten Jahren immer wieder unter dem Stichwort ‚Kinderschutz‘ für Schlagzeilen in den Medien gesorgt und öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. In diesem Lehrbuch wird der ASD im Hinblick auf seine inhaltlich-fachliche Dimension beschrieben. Der ASD steht für ein generalistisch ausgerichtetes Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit in kommunaler Trägerschaft, das in divergierenden Organisationsformen und mit unterschiedlichen Aufgabenzuschnitten in den Kommunen zu finden ist. Seine Aufgaben liegen in der Grundversorgung der Bevölkerung einer Kommune mit sozialen Unterstützungsleistungen sowie in der Gewährleistung des staatlichen Wächteramtes. Das Lehrbuch bietet eine grundlegende Einführung in das Thema. Es beginnt mit einem Blick auf die Historie des ASD und beschreibt die Rahmenbedingungen des ASD, hierzu zählen gesellschaftliche Entwicklungsprozesse ebenso wie gesetzliche und verwaltungstechnische Grundlagen sowie Finanzierungs- und Steuerungsprinzipien. Unter dem Stichwort der ASD als Handlungsfeld Sozialer Arbeit rücken Aspekte der Fachlichkeit und Professionalität in den Fokus. Es werden binnenstrukturelle Organisations- und Arbeitsprinzipien beschrieben und es wird ausführlich auf das Leistungs- und Aufgabenspektrum des ASD eingegangen. Außerdem werden die für den ASD relevanten theoretischen und methodischen Grundlagen der Sozialen Arbeit dargestellt.“ (Klappentext)

Autorin

Prof. Dr. Ingrid Gissel-Palkovich lehrt am Fachbereich Soziale Arbeit an der Fachhochschule Kiel am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Soziale Dienste, öffentliche Kinder- und Jugendhilfe, Konzepte und Methoden der Sozialen Arbeit. Sie ist Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Allgemeiner Sozialer Dienst/Kommunaler Sozialer Dienst (BAG ASD/KSD) und zertifizierte Case-Management-Ausbilderin.

Aufbau und Inhalt

Das 1. Kapitel befasst sich mit der „Historischen Entwicklung des ASD“. Es führt den Leser von der ehrenamtlichen Armenpflege Mitte des 19. Jahrhunderts über die Entwicklung des ASD im Nationalsozialismus bis zum ASD von heute.

Im 2. Kapitel werden die gesellschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen erörtert. Dabei wird deutlich, wie die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse über gesetzliche Aufgaben Wandlungen des ASD forcieren.

Der ASD als Teil der öffentlichen Verwaltung wird im 3. Kapitel thematisiert. Hier werden wichtige Begriffe aus dem Bereich der öffentlichen Kommunalverwaltung definiert und in den Kontext von Verwaltungshandeln gestellt.

Finanzierung und Ausstattung ist das 4. Kapitel überschrieben. Es reflektiert Probleme der Verteilung der Ressourcen in einem kommunalen Haushalt, damit verbunden Fragen der Bezahlung der Fachkräfte und Finanzierung der Personalkosten sowie die Probleme mit der „Leistungsverdichtung“. Interessant ist auch die Rolle des ASB als Instanz der Verteilung knapper Güter, was zum Verhältnis des ASDs zu Freien Trägern führt.

Im Mittelpunkt des 5. Kapitels stehen Fragen der Steuerung, Binnenstruktur und Arbeitsprinzipien. Die Autorin referiert hier zunächst das Thema „Neue Steuerungsmodelle“ mit seinen bekannten Zielen, Strategien und Instrumenten. Danach werden Aspekte interner Organisation in den Mittelpunkt gerückt. Hierzu gehören „operative Verfahren der Prozessteuerung und -optimierung ebenso wie Organisationsformen und Arbeitsprinzipien der Dezentralisierung und Regionalisierung, Bezirkssozialarbeit und der Teamarbeit.“ (S. 91)

Es folgt im 6. Kapitel das allgemeine Leistungsspektrum des ASD. Hier wird, ausgehend von einer systemtheoretischen Perspektive, die „Brücken- und Schnittstellenfunktion“ entwickelt. Neben anderen Funktionen (z. B. Schutzfunktion, mediatorische Funktion oder Vermittlerfunktion) werden Handlungsdimensionen und -arten dargelegt. Darunter sind u. a. einzelfall- und gruppenbezogene und sozialraumbezogene Arbeit gemeint. Auch die Handlungsarten (Beraten, Moderieren, Planen, Intervenieren usw.) werden kurz ausgeführt.

Das größte, 7. Kapitel ist überschrieben mit „Das Aufgabenspektrum des ASD, seiner Zielgruppen und Kooperationspartner“. Ausführlich kommen Aufgaben und Kooperationspartner im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe, der Sozialhilfe, der Behinderten- und Gesundheitshilfe zur Sprache. Hier wird deutlich, wie notwendig die „systemübergreifende Kooperation“ ist und welche Voraussetzungen dazu nötig sind (fachliches Konzept und professionelles Standing).

Das 8. Kapitel beleuchtet „Spezifische Aufgaben und ihre fachliche Ausgestaltung“. Inhaltlich geht es dabei um Hilfeplanung, Trennungs- und Scheidungsberatung, Jugendgerichtshilfe und Krisenintervention. Besonders das Hilfeplanverfahren wird sehr ausführlich behandelt, während Trennungs- und Scheidungsberatung eher kurz abgehandelt wird. Im letzten Unterkapitel findet auch das Thema „Kindeswohlgefährdung“ seinen Platz.

Professionelles Handeln im ASD“ lautet die Überschrift über das 9. Kapitel. Hier unterscheidet die Autorin zwischen „Theoretischen Konzepten“ und „Handlungskonzepten“, um in einem dritten Unterkapitel Theorien und Methoden in das „Handeln und das Selbstverständnis der Handelnden“ zu integrieren.

Es folgt ein 10. Kapitel „Case Management als grundlegendes Handlungskonzept des ASD“. Gegenstand dieses Kapitels ist die Geschichte, Zielgruppe, Theorie und Methodik des Case Management. Dieses Kapitel wird mit einem sehr ausführlich erläuterten und gut illustrierten Fallbeispiel abgeschlossen.

Gissel-Palkovich fährt mit einem 11. Kapitel fort, das sieTheorie-, Methoden- und Instrumentenpool“ überschreibt. Hier werden Lebensweltansatz, systemtheoretische Paradigmen, Empowerment, Sozialraumorientierung, aufsuchende und reflektierte ASD-Arbeit nebeneinandergestellt.

Das Buch wird mit „Zusammenfassung, Perspektiven und Herausforderungen der Zukunft“ beschlossen.

Diskussion

Vorab ist der Autorin ein großes Lob zu zollen: Es gibt m. W. kein vergleichbares Werk, das so kenntnisreich und mit profunder Fachlichkeit über das ebenso heterogene wie weitgehend unerforschte Handlungsfeld des ASD reflektiert. Fast nebenbei erfährt der Leser noch zentrale Aspekte sozialarbeiterischer Fachlichkeit: Theorien, Methoden, Handlungsprinzipien. Das Buch ist logisch aufgebaut, nachvollziehbar gegliedert und geizt nicht mit Anregungen zum Weiterarbeiten. Aus Sicht des Rezensenten sind (fast) alle Kapitel sehr gut gelungen, besonders das Case-Management-Kapitel ist ein Musterbeispiel für didaktisch hervorragend aufbereitetes Methodenwissen. Schon für dieses Kapitel würde es sich lohnen, das Buch zu lesen.

Das Werk hätte gut auch ein Methodenbuch werden können, vielleicht wäre es im 11. Kapitel auch besser ein solches geworden, weil der „Instrumentenpool“ von Geno- und Soziogramm über Kompetenzdialog bis hin zu Sozialraumanalyse einen sehr weiten Bogen schlägt und damit natürlich immer Gefahr läuft, in die „Steckbrief“-Haltung zu verfallen, etwas in kurzen Worten beschreiben zu wollen, was andere auf vielen Hundert Seiten kaum geschafft haben. Der Gefahr, dadurch Halbwissen zu verbreiten, steht ein positiver Aspekt gegenüber: Man gewinnt durch den breiten Methodenfundus der Autorin und ihr Bestreben, einschlägige Quellen zu sammeln und zu verarbeiten, einen Überblick über verschiedene praktische Möglichkeiten, sodass der vom „Instrumentenpool“ angeregte Leser dann zu den durchwegs angegebenen Grundlagenwerken greifen kann. Schnell werden auch die „Leib-und-Magen“- Sujets (z. B. Case Management) der Autorin deutlich, während andere Themen (z. B. Kindeswohlgefährdung) – wiewohl wahrscheinlich für den ASD von einiger Bedeutung – eher pflichtschuldig auf wenigen Seiten und methodisch wenig ambitioniert behandelt werden. Es ist – und dies sei ausdrücklich hier vermerkt – das gute Recht eines Fachbuches, eigene Schwerpunkte zu setzen, allerdings wäre zu bedenken, dass das Buch für Erstsemester gedacht ist und damit bei diesen möglicherweise der Eindruck entsteht, beim ASD hätte man es hauptsächlich mit gut motivierten Klienten zu tun und nicht (auch) mit Pflichtklientel.

Aus Sicht des Rezensenten ist es allenfalls das 9. Kapitel, das einer kritischen Überprüfung bedürfte. In ihm wendet sich die Autorin gegen einen Begriff von Professionalität, die sich an „strukturellen Merkmalen der Berufsgruppe“ erkennen lässt (S. 192). Stattdessen macht sie Professionalität an der Interaktion zwischen Sozialarbeiter/-in und Adressat/-in fest. An anderer Stelle heißt es in Fortsetzung dieser Professionalitätskonzeption: „Sozialarbeiter/innen wählen vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen verschiedene Begründungsmodelle und Arbeitsweisen aus …“ (S. 202). Es ist zu bezweifeln, dass so ein von der Berufsgruppe abgelöstes und individualisiertes Professionalitätskonzept anschlussfähig ist an das Verständnis anderer Professionen (und insofern hilfreich ist für die Professionalisierung Sozialer Arbeit), es leistet zudem einem methodischen Privatismus Vorschub, der meint, weder empirisch abgesicherte Theorien noch entsprechende Methoden brauchen zu müssen. Dies will die Autorin ausdrücklich nicht, im Gegenteil beklagt sie eine Haltung der Praktiker, die sich etwa in der Aussage zeigt: „Wir brauchen keine Theorie“ (S.207). Doch auch die Trennung von „theoretischen Konzepten“ und „Handlungskonzepten“ (synonym mit „Methoden“ verwendet) erscheint in diesem Zusammenhang schwierig: Einerseits wird (sehr überzeugend) die Notwendigkeit des „Zusammenwirkens“ von Theorie und Methode gefordert (S. 194). Andererseits folgt dann eine Aufzählung von „Handlungskonzepten“ (also Methoden), bei denen ohne Theoriebezug, bestenfalls der in einer Fußnote angegebenen Literatur, die theoretische Grundlage nachgewiesen werden kann. Wäre es nicht sinnvoll, Konzepte (oder Konzeptionen) als „handlungsorientierte Vereinbarung einer Organisation oder Einrichtung zu ihren Zielvorstellungen und den Mitteln und Wegen“ zu verstehen, wie etwa das Fachlexikon für Soziale Arbeit (2007, S. 574) vorschlägt? Und wäre an dieser Stelle (Kapitel 9) nicht weniger (Methoden) mehr (im Sinne des dann auszuführenden Theoriezusammenhangs) gewesen? Dass sich die Autorin einen solchen Konzeptbegriff offenbar durchaus vorstellen kann, zeigt sie beispielhaft am Kapitel über Case Management als „Handlungskonzept“, bei dem sie mit der Beschreibung der Zielgruppe, der theoretischen Grundlagen und der Abläufe die Konzepteinheit dokumentiert. Vielleicht erscheint dieses Kapitel deshalb dem Rezensenten als das beste des Buches.

Die genannten Kritikpunkte sind angesichts des guten Buches eine Petitesse und sollen als eine Anregung für den Fachdiskurs verstanden werden.

Zielgruppe

„Die Reihe ‚Studienmodule Soziale Arbeit‘ präsentiert Grundlagentexte für Studienanfänger in den Diplom- und Bachelor-Studiengängen“ (Klappentext). Für diese Zielgruppe ist das Buch hervorragend geeignet.

Ausstattung

Das Buch ist gut ausgestattet: So sind „Wissenskomponenten“ in Kästen abgesetzt, in denen kurz und bündig wichtige Begriffe erläutert werden, es werden Übungsfragen gestellt, gleichermaßen aber Zusammenfassungen, Literaturempfehlungen und ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis geboten. Ein Serviceteil mit nützlichen Adressen und Materialien rundet das Buch gut ab. Man könnte sich noch ein Stichwortverzeichnis wünschen, aber dann wäre das Buch ausstattungstechnisch perfekt – und nichts mehr zu verbessern in der 2. Auflage, die man herzlich wünscht.

Fazit

Wir haben es mit einem wichtigen Fachbuch zu tun, wie man sich es für viele Arbeitsbereiche der Sozialen Arbeit als Ausstattung (nicht nur) für die ersten Semester wünscht. Das Buch ist uneingeschränkt zu empfehlen, insbesondere für die Studierenden, die sich einen Überblick über das Arbeitsfeld verschaffen wollen. Auch Lehrende an Hochschulen können vom methodischen Wissensfundus der Autorin profitieren.

Rezension von
Prof. Dr. Wolfgang Klug
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Fakultät Soziale Arbeit
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Es gibt 56 Rezensionen von Wolfgang Klug.

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ISSN 2190-9245