Sebastian Hothan: Interessengruppen und ihr Einfluss auf [...]
Rezensiert von Prof. Dr. Daniel Buhr, 01.12.2011
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Sebastian Hothan: Interessengruppen und ihr Einfluss auf die Wohlfahrt der Bundesrepublik Deutschland. Eine empirische Untersuchung entlang des Argumentationsstrangs von Mancur Olson.
Peter Lang Verlag
(Bern · Bruxelles · Frankfurt am Main · New York · Oxford) 2011.
126 Seiten.
ISBN 978-3-631-61888-2.
D: 22,80 EUR,
A: 23,40 EUR,
CH: 34,00 sFr.
Reihe: Beiträge zur Politikwissenschaft - Band 95.
Thema
Sind Interessengruppen einer Demokratie zuträglich oder schädlich? Die Antworten zu dieser Frage sind vielfältig und polarisierend – auch in der Wissenschaft. Sie reichen vom Bild des „Totengräbers“, über das des „Verbändestaats“ bis zu dem des Demokratiestabilisators. Der Politologe und Volkswirt Sebastian Hothan fügt diesen Antworten eine weitere hinzu. Eine empirisch gestützte. Theoretisch begibt er sich dabei auf die „Schulter des Riesen“ Mancur Olson. Ihm zufolge befinden sich Demokratien in einem Dilemma: Einerseits sei politische Stabilität notwendig, um überhaupt Wohlstand zu generieren und zu bewahren, andererseits seien solche stabilen Verhältnisse der perfekte Nährboden für die Herausbildung vieler Interessengruppen, die dann in ihrem Sinne Umverteilungen anstreben und so Einfluss auf die Wohlfahrt ausübten. Ein Einfluss, der schließlich auch zum „Niedergang einer Nation“ (Olson 1982) führen könne. Ob dieser von Olson prognostizierte Einfluss von Interessengruppen auch auf die Wohlfahrt der Bundesrepublik Deutschland nachzuweisen ist, wird von Sebastian Hothan in seinem Buch, das aus einer Abschlussarbeit hervorgegangen ist, empirisch untersucht. Das Ergebnis stützt zwar Olsons These, wonach das Alter einer Demokratie einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung sozialer Wohlfahrt habe. Dass dieser Einfluss aber auf die Interessengruppen zurückzuführen sei, verneint der Autor. Ein langfristig negativer Einfluss der Interessengruppen auf die Prosperität Deutschlands sei nicht zu belegen.
Autor
Sebastian Hothan, geboren 1981; 2005-2010 Studium der Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Universität Göttingen.
Aufbau und Inhalt
Hothans Buch gliedert sich in neun Kapitel. Nach einer kurzen Einleitung skizziert der Autor den „Gang der Untersuchung“, ehe er im dritten Kapitel zentrale Begriffe definiert: Verband, Interessengruppe, Gemeinwohl, Wohlfahrt etc. Nach einer breiten – wenngleich nicht sehr tiefen – Vorstellung diverser moderner politischen Theorien, mit denen der Einfluss von Interessengruppen analysiert werden kann, widmet er Kapitel fünf allein den theoretischen Konzepten Mancur Olsons: der „Logik kollektiven Handelns“ und dem „Aufstieg und Niedergang von Nationen“. Nach einem kleinen Exkurs zu Schumpeter und Hirsch breitet der Autor in Kapitel sieben den aktuellen Forschungsstand zur Theorie der institutionellen Sklerose aus: die relevanten Variablen bisheriger Studien und deren Operationalisierungen. Dabei geht er auch auf die Schwierigkeiten und Restriktionen ein, vor allem die Mess- und Datenprobleme bei komparativen Designs. Anschließend spezifiziert Sebastian Hothan sein eigenes multiples Regressionsmodell, welches er dann im achten Kapitel einem empirischen Test unterzieht, ehe das Buch mit einem knappen Fazit endet.
Diskussion
Sebastian Hothan bewegt sich mit seinem Buch an der spannenden Schnittstelle von Ökonomie, Soziologie und Politikwissenschaft. Und schon allein das ist ein Verdienst, bewegen sich diese Disziplinen doch nur allzu oft nebenher denn interdisziplinär. So folgt der Autor auch hier Mancur Olson, der in seinen Publikationen bewusst Fächer übergreifend arbeitet. Wo er ihm nicht folgt: bei der Argumentation. Denn Hothans empirischer Überprüfung hält Olsons Niedergangs-These nicht stand. Gleichwohl gibt der Autor zu, dass die Operationalisierung und Messung des Niedergangs, vor allem der Einfluss der unabhängigen Variablen, nicht unproblematisch sei. So bleibt wohl auch nach der Lektüre dieser Studie genügend Spielraum zur Beantwortung der Eingangsfrage, zumal wenn man diese mit größerer Reichweite beantworten will.
Fazit
Das Buch bereichert die Diskussion über die angeblich wohlfahrtseinschränkende Wirkung von Interessengruppen mit empirischen Belegen. Es liefert damit interessante Anknüpfungspunkte für die sozialwissenschaftliche Verbändeforschung – und räumt vielleicht auch mit manchem Vorurteil auf.
Rezension von
Prof. Dr. Daniel Buhr
Eberhard Karls Universität Tübingen,
Institut für Politikwissenschaft.
Professur für Policy Analyse und Politische Wirtschaftslehre
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Es gibt 6 Rezensionen von Daniel Buhr.
Zitiervorschlag
Daniel Buhr. Rezension vom 01.12.2011 zu:
Sebastian Hothan: Interessengruppen und ihr Einfluss auf die Wohlfahrt der Bundesrepublik Deutschland. Eine empirische Untersuchung entlang des Argumentationsstrangs von Mancur Olson. Peter Lang Verlag
(Bern · Bruxelles · Frankfurt am Main · New York · Oxford) 2011.
ISBN 978-3-631-61888-2.
Reihe: Beiträge zur Politikwissenschaft - Band 95.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12349.php, Datum des Zugriffs 26.03.2023.
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