Wilhelm Heidemann, Heinrich Greving: Praxisfeld Heimerziehung
Rezensiert von Prof. em. Dr. Matthias Moch, 15.04.2012
Wilhelm Heidemann, Heinrich Greving: Praxisfeld Heimerziehung. Lehrbuch für sozialpädagogische Berufe.
Bildungsverlag EINS GmbH
(Köln) 2011.
272 Seiten.
ISBN 978-3-427-50556-3.
D: 19,95 EUR,
A: 20,60 EUR.
Reihe: Ausbildung und Studium.
Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-427-50580-8 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.
Autoren und Thema
Die Autoren Dr. Heinrich Greving (Jg. 1962), Professor für Heilpädagogik an der katholischen Hochschule Münster, und Wilhelm Heidemann ( Jg. 1950), Dipl. Sozialarbeiter u. Organisationsberater, verfügen beide über langjährige Erfahrungen im Praxisfeld der Heimerziehung. Dabei schöpfen sie aus ihrem Alltagswissen, was wesentlich dazu beiträgt, dass die gesamte Darstellung absolut ansprechend und praxisnah erfolgt.
Zielgruppen
Zielgruppen der Publikation sind in erster Linie Studierende an Fachhochschulen sowie Fachschüler an Fachschulen für Erzieherberufe.
Aufbau
Der Aufbau der 260 Seiten umfassenden Publikation ist nach zentralen Handlungsfeldern der Heimerziehung gegliedert:
- „Kinder und Jugendliche in ihrer Lebenswelt verstehen, Beziehungen entwickeln“
- „Gruppenpädagogisch handeln, soziales Lernen fördern“
- „Entwicklungs- und Bildungsprozesse fördern“
Inhalt
Nach einer Einführung in die Grundlagen des Konzepts der Lebensweltorientierung wird zur Veranschaulichung des Praxisfeldes sowie zur Konkretisierung der Übungen als einführendes Beispiel die Wohngruppe „Schillerstrasse“ beschrieben:
Die Profile der 10 dort lebenden Jugendlichen sowie der 4 MitarbeiterInnen skizzieren das mögliche Spektrum von Persönlichkeiten, die in der Wohngruppenarbeit täglich miteinander zu tun haben. Im Verlauf der folgenden Kapitel wird auf dieses Beispiel immer wieder zurückgegriffen.
Im ersten handlungsfeldbezogenen Kapitel werden zunächst grundlegende Fragen behandelt: Was ist Heimerziehung, in welchen Strukturen wird sie geleistet? Gesetzliche Grundlagen werden ebenso erörtert wie der organisatorische Aufbau und die verschiedenen Formen von Heim-Einrichtungen. Kompetenzen und
Berufsprofile werden dargestellt, Verhaltensstörungen werden im Überblick erklärt.
Das Kapitel “ Gruppenpädagogisch handeln“ behandelt die Themen “ Familienprinzip“,
„Team- und Gruppenarbeit“ sowie den Tagesablauf einer Heimgruppe. Einzelne Arbeitsfelder, Aufgaben und Zuständigkeiten finden Berücksichtigung. Kompetenzen, Hierarchiefragen und Dynamiken werden besprochen.
Im dritten Hauptkapitel stehen die entwickungsfördernden Prozesse im Mittelpunkt. Hausaufgaben, Erziehungsplanung und ihre gesetzlichen Grundlagen sowie die Themen
Selbständigkeitserziehung und Partizipation werden diskutiert.
Die gesamte Darstellung wird durch Bilder und viele Grafiken aufgelockert. Tabellen und Übersichten erleichtern das Verständnis. Immer wieder finden sich Checklisten, Beispiele zur Konkretisierung und Verdeutlichung. Alle Themen werden vor dem Hintergrund von gründlich Aufgearbeiteter Literatur sehr praxisbezogen erarbeitet.
Diskussion
Die Stärken des Buches liegen in der kompakten Darstellung und Erklärung der zentralen Aufgaben und Problemfelder in der Heimerziehung. Viele fachliche Informationen werden zielgerichtet zusammengestellt. Der Text ist durchweg gut und verständlich geschrieben, einzelne Fragestellungen werden plastisch dargestellt, die naheliegenden Fragen werden praxis-orientiert und durch viele Übungen vermittelt. Ganz wesentliche theoretische Grundlagen werden sehr gut auf die Praxis übertragen.
Die Publikation dient nicht in erster Linie einer akademischen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand der Heimerziehung. Eher stellt sie eine sehr fundierte Einführung in ein komplexes Handlungsfeld dar, welches der Berufsanfänger / die Berufsanfängerin zu durchdringen hat. Zu diesem Zweck werden in einzelnen Kapiteln jeweils spezifische Grundlagen erklärt und nutzbar gemacht. Ein umgreifendes Verständnis der Thematik: „Individuum und Institution in einem Hilfe-Kontrolle-Kontext“ wird damit erst mal zurückgestellt.
Dem einschlägig informierten Leser mag auffallen, dass die einzelnen Kapitel manchmal etwa unverbunden nebeneinander stehen. Zusammenfassende und auswertende Bündelungen fehlen weitgehend. Der Buchtext endet abrupt, ohne Schlusskapitel. Auch die fortentwickelten Schnittstellen der Heimerziehung zu anderen Bereichen kommen etwas zu kurz. Fragen der praktizierten Milieuorientierung werden zwar gestreift, die fachliche Zusammenarbeit mit dem (auch fachlichen) Umfeld bleibt in seiner modernen Bedeutung unterbelichtet. Dies mag für manche Teilthemen akzeptabel sein, nicht aber für das Thema „Zusammenarbeit mit Eltern“, welches absolut vernachlässigt wird. Auch die Lebenslaufperspektive sowie Übergänge in andere Hilfen werden wenig beachtet.
Die zugrunde gelegte Literatur bezieht neuere kritische Diskussionen zur Heimerziehung nicht ein. Auch vermisst der Leser Hinweise auf aktuelle Ansätze und auch auf Evaluationsergebnisse.
Fazit
Für eine grundlegende praxisbezogene Einführung in das spannende Arbeitsfeld der Stationären Erziehungshilfe ist das Buch bestens geeignet. Auch für alle diejenigen, die noch vor oder im ersten Praktikum stehen, bieten die Lektüre und die Übungen zahlreiche und fundierte Anregungen. Die plastische und übersichtliche Darstellung macht es gerade auch für den nicht-akademischen Leser attraktiv.
Rezension von
Prof. em. Dr. Matthias Moch
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Zitiervorschlag
Matthias Moch. Rezension vom 15.04.2012 zu:
Wilhelm Heidemann, Heinrich Greving: Praxisfeld Heimerziehung. Lehrbuch für sozialpädagogische Berufe. Bildungsverlag EINS GmbH
(Köln) 2011.
ISBN 978-3-427-50556-3.
Reihe: Ausbildung und Studium.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12356.php, Datum des Zugriffs 08.12.2024.
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