Klaudia Erhardt, Katrin Grüber: Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung [...]
Rezensiert von Dr. Karoline Klamp-Gretschel, 27.12.2012
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Klaudia Erhardt, Katrin Grüber: Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung am Leben in der Kommune. Ergebnisse eines Forschungsprojekts. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2011. 145 Seiten. ISBN 978-3-7841-2053-9. 16,80 EUR. CH: 24,50 sFr.
Thema
Im Zentrum des Buches steht die Frage
nach Möglichkeiten der Teilhabe von Menschen mit geistiger
Behinderung in der Kommune. Kriterien zur Umsetzung von Teilhabe im
Nahbereich von Menschen mit geistiger Behinderung sollen entwickelt
werden, um vorhandene und zukünftige Projekte daraufhin prüfen zu
können. Fachkräfte, Angehörige und weitere Interessierte sollen
sensibilisiert werden, um frühzeitig zu erkennen, wenn Projekte zur
Teilhabeförderung in Fremdbestimmung und Paternalismus münden.
Klaudia Erhardt und Katrin Grüber referieren im
ersten Teil des Buches die aktuelle wissenschaftliche Erkenntnislage
in diesem Forschungsbereich, um im zweiten Teil anhand entwickelter
Kriterien bestehende Projekte hinsichtlich ihrer Qualitäten zur
Teilhabeförderung zu untersuchen.
Autorinnen
Klaudia Erhardt ist Diplom-Soziologin, wissenschaftliche Dokumentarin und seit 2007 am Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft beschäftigt. Dr. Katrin Grüber ist Biologin und Leiterin des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft.
Entstehungshintergrund
Als Entstehungshintergrund werden die Bestrebungen der Caritas zur Förderung der selbstbestimmten Teilhabe genannt (vgl. S. 9), die in einem Projektauftrag mündeten, der an das Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft erteilt wurde. Es sollte geklärt werden, wie selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung aussehen kann und wie Träger_innen der Behindertenhilfe, in dem Fall die Caritas, diese unterstützen können.
Aufbau und Inhalt
Das Buch von Klaudia Erhardt und Katrin Grüber beinhaltet neun Kapitel, diese sind
- Hintergrund der Studie, Fragestellung und Vorgehen
- Zum Personenkreis „Menschen mit geistiger Behinderung“
- Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit geistiger Behinderung
- Das inklusive Gemeinwesen
- Kriterien für die Beurteilung von Teilhabeprojekten
- Die Teilhabequalitäten der Projekte
- Resumée
- Rahmendaten des Projekts
- Literatur und Quellen,
sowie ein Vorwort von Prälat Peter Neher, eine Einführung von Dr. Franz Fink (Leiter des Referats Altenhilfe, Behindertenhilfe und Gesundheitsförderung im Deutschen Caritasverband) und Empfehlungen an die Caritas zur Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung von Apl. Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl (Historiker und außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Geschichtswissenschaften, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld).
In Kapitel 1 leiten Klaudia Erhardt und Katrin Grüber in das Thema ihrer Forschungsarbeit ein und legen ihr weiteres Vorgehen dar.
Kapitel 2 setzt sich mit der Definition von „Geistiger Behinderung“, den Problemen der verwendeten Termini (Kap. 2.1), der Zuschreibung von geistiger Behinderung nach Kriterien der ICD-10-GM (Kap. 2.2) und der unzureichenden statistischen Daten über Menschen mit (geistiger) Behinderung in Deutschland (Kap. 2.3) auseinander.
Kapitel 3 befasst sich mit Teilhabe und Selbstbestimmung, indem Teilhabe aus verschiedenen Blickwinkeln (Segregation, Messbarkeit, „Eine/einer von uns“-Sein) (Kap. 3.1) beleuchtet wird. Selbstbestimmung wird im Spannungsfeld zur Fürsorge betrachtet und das Entwicklungspotential von Menschen mit geistiger Behinderung anhand eines Exkurses zur ´Leichten Sprache’ erörtert (Kap. 3.2).
In Kapitel 4 diskutieren die Autorinnen das Potential des Gemeinwesens, inklusiv zu agieren und Menschen mit geistiger Behinderung Teilhabe zu ermöglichen, dazu wird der Fokus auf die Tätigkeit von Fachkräften im Sozialraum (Kap. 4.1), auf den Umgang und die Bewertung von Menschen mit geistiger Behinderung durch Menschen ohne Behinderung (Kap. 4.2) und auf die Teilhabeplanung in der Kommune (Kap. 4.3) gelegt.
In Kapitel 5 werden Kriterien zur Beurteilung des Teilhabepotentials von Projekten zusammengestellt und anhand von Fragen, die sich Projektkoordinierende stellen sollten, illustriert.
So dass in Kapitel 6 neun konkrete Projekte zur Förderung der Teilhabe zunächst kurz beschrieben (Kap. 6.1) und hinsichtlich des Vorhandenseins der vorgestellten Kriterien beleuchtet werden (Kap. 6.2).
In Kapitel 7 ziehen Klaudia Erhardt und Katrin Grüber ein Fazit, heben die zentralen Kriterien zur Teilhabeförderung hervor und betonen abschließend, dass „[…] an den Bedürfnissen der Betroffenen die Umsetzung der UN-Konvention für alle Menschen, ungeachtet der Art und Schwere ihrer Behinderung, vorangetrieben werden kann.“ (S. 127)
Kapitel 8 stellt in tabellarischer Form die Rahmendaten des Projektes vor.
Kapitel 9 ist das Literatur- und Quellenverzeichnis.
Diskussion
Klaudia Erhardt und Katrin Grüber stellen in ihrer Forschungsarbeit einen Überblick von Kriterien zur Messung des Teilhabepotentials in Projekten zur Förderung von Teilhabe und Selbstbestimmung zusammen, der zur Konzeption neuer Angebote und Projekte genutzt werden kann. Durch die exemplarische Anwendung der Kriterien auf bestehende bzw. abgeschlossene Projekte (Kap. 6) können die Inhalte der einzelnen Bereiche plastischer dargestellt werden und eine regelmäßige Anwendung in der Praxis der Behindertenhilfe erscheint sinnvoll. Eine umfangreichere Projektanalyse anhand der Kriterien wäre zur tieferen Auseinandersetzung möglich gewesen. In Anbetracht des explorativen Charakters des Forschungsauftrags, den die Autorinnen in dem Buch mit den erarbeiteten Ergebnissen darlegen, kann die Publikation als Anstoß zu weiteren theoretischen und praktischen Auseinandersetzungen mit ´selbstbestimmter Teilhabe’ vs. ´Fürsorge’ verstanden werden.
Fazit
Klaudia Erhardt und Katrin Grüber ist es gelungen, einen weiteren Schritt in der Teilhabeforschung zu machen, indem sie sich über die Aspekte Kosten- und Fürsorgeorientierung hinweg einer Orientierung am Individuum und vor allen Dingen selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung verpflichtet fühlen. Zukünftig können Projekte zur Teilhabeförderung die eigenen Teilhabequalitäten anhand dieses Forschungsberichts überprüfen und Teilhabe kann selbstbestimmter stattfinden. Es gelingt den Autorinnen Theorie und Praxis zu vereinen, so dass dieses Buch sowohl für Wissenschaftler_innen, Fachkräfte und Studierende sowie weitere interessierte Leser_innen uneingeschränkt empfohlen werden kann.
Rezension von
Dr. Karoline Klamp-Gretschel
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Zitiervorschlag
Karoline Klamp-Gretschel. Rezension vom 27.12.2012 zu:
Klaudia Erhardt, Katrin Grüber: Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung am Leben in der Kommune. Ergebnisse eines Forschungsprojekts. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb
(Freiburg) 2011.
ISBN 978-3-7841-2053-9.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12359.php, Datum des Zugriffs 03.12.2023.
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