Markus Weil, Mandy Schiefner u.a. (Hrsg.): Aktionsfelder der Hochschuldidaktik
Rezensiert von Benjamin Klages, 04.06.2012

Markus Weil, Mandy Schiefner, Balthasar Eugster, Kathrin Futter (Hrsg.): Aktionsfelder der Hochschuldidaktik. Waxmann Verlag (Münster/New York/München/Berlin) 2011. 288 Seiten. ISBN 978-3-8309-2529-3. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR.
Thema
Hochschuldidaktik (HD) ist wieder sowohl als Programm als auch als Akteurin in den spürbaren (Um-) Gestaltungsmaßnahmen der akademischen Bildungslandschaft sichtbar. Die hierfür entsprechenden Maßnahmen an der Institution Universität beziehen sich im Kern auf die Justierung der voneinander unlösbaren Handlungsformen forschen, lehren und lernen, und sind damit außerordentlich konkret.
Herausgebende und Entstehungshintergrund
Die Herausgebenden sind Markus Weil, Mandy Schiefner, Balthasar Eugster und Kathrin Futter, allesamt ehemalige oder aktuelle Mitarbeitende der Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik der Universität Zürich. Die Intention dieses Bandes liegt für sie zum einen in der „Dokumentation und Aufbereitung der gemachten Erfahrungen“ und zum anderen in der Verfügbarmachung von „Anregungs- und Reflexionspunkte[n] für zukünftige hochschuldidaktische Arbeit“ (S.13). In vergleichbarer Diktion wurde in den vergangenen Jahren aus eben der Einrichtung eine bemerkenswerte Fülle an interessanten Beiträgen zu hochschuldidaktischen Aktivitäten zur Verfügung gestellt. Dieser Band ist nun explizit dem aus dem Amt geschiedenen, langjährigen Leiter der Arbeitsstelle Peter Tremp gewidmet.
Aufbau und Inhalt
Der Titel überschreibt schlüssig den angebotenen Inhalt des Bandes, indem die Komposita nachvollziehbar die im Text formulierte Programmatik repräsentieren. Dabei geht es um die explizite Beschreibung von HD, nicht ausschließlich als einfache Ansammlung von Methoden, sondern vielmehr als Darstellung eines komplexen Handlungszusammenhangs von Lehren und Lernen an Hochschule, den es gezielt zu nutzen und zu entwickeln gilt: „Hochschuldidaktik ist vieles und das oftmals gleichzeitig. Die Aktionsfelder als Kapitelstruktur Weiterbildungszentrum, Expertiseagentur, Diskursraum und Zukunftslabor drücken genau das aus“ (S.16). Sie bilden damit thematisch strukturierende Cluster. Jedes einzelne umfasst einen Text zur konzeptionellen Einfassung und einzelne, inhaltlich konkrete Beiträge der diversen Autoren. Beides ist in den ersten Seiten des Buches fragmentarisch eingeführt und verortet. Die Kapitelumfänge sind relativ gleichverteilt, jedoch variieren stark die Anzahl der Texte darin und damit der Spielraum für die jeweiligen Autoren.
Das einleitende Kapitel Weiterbildungszentrum begründet den Band mit konzeptionellen Überlegungen zur Ausrichtung von Programmstruktur und -inhalten eines hochschuldidaktischen Zentrums an einer Universität und bietet darin als handlungsleitende Prämissen die Verhältnisbestimmung von Lehren und Lernen sowie Forderungen der Forschungsbasiertheit universitärer Lehre. Dazu äußern sich vor allem die Mitarbeitenden des HD-Zentrums der Universität Zürich, die ihr Erfahrungswissen als Vergleichshorizont oder Transformationsangebot zum Umgang mit Themen der Ausgestaltung hochschuldidaktischer Weiterbildungen anbieten. Markus Weil eröffnet den Zugang zu zentralen Themen der HD und deckt dabei auf, welche besondere, gar doppelte Bedeutung dem Einstieg in die Hochschullehre zugewiesen werden kann – sowohl für Lehrende als auch für Lernende. Kathrin Futter konkretisiert anhand der Programmstruktur von ‚Teaching Skills‘ eine erprobte Qualifizierungsmaßnahme für Hochschullehrende, als ein Aspekt einer möglichen Professionalisierung der Hochschullehre. Mandy Schiefner identifiziert die Weiterbildung von Akteur_innen der wissenschaftlichen Weiterbildung für Hochschullehrende als wachsendes Gestaltungsfeld für HD selbst und fordert dabei eine notwendige Formulierung eines spezifischen Anspruchscharakters. Balthasar Eugster & Gabriela Zaugg-Ineichen offenbaren einen kritischen Blick auf aktuelle programmatische Forderungen an Hochschullehrentwicklung und skizzieren ein Alternativangebot in Hinblick auf die Bedeutung von Reflexionsformen in der Lehre als Chance zur Irritation des eigenen kommunikativen Handelns, als Element gelungenen wissen-schaffenden Handelns insgesamt. Mandy Schiefner beschreibt Aufbau und Funktionsweise einer Homepage als informelles hochschuldidaktisches Weiterbildungsangebot, vor allem in Hinblick auf die konzeptionelle Realisierung von Komponenten mit dem Anspruch zum dialogischen Austausch der Nutzenden. Yvonne Marti, Brigitte Kleinert & Beatrice Leisibach stellen die administrativen Strukturen von hochschuldidaktischer Weiterbildung dar und erläutern, dass auch die Verwaltung von Bildungsmaßnahmen das Moment des Verstehens benötigt um zielführend Informationen dahin zu leiten, wo sie gebraucht werden.
Im vertiefenden Kapitel Expertenagentur bekommt die verbreitete, zustimmende Haltung gegenüber einer als essentiell verstandenen Schaffung eigener, hochschuldidaktischer Wissensbeständen eine konkretisierende Form, indem in einem eher forschend erschließenden Modus, die hier eingebrachten, schon vielerorts referenzierten Expert_innen in ihren Texten einige der zentralen und offenbar normativ aufgeladenen Diskussionen in ein zunehmend theoretisches Verhältnis setzen. Ulrich Welbers legt einen aufdeckenden Blick auf das populäre Begriffspaar ‚Forschendes Lernen‘ und formuliert Kritik an einem zu einfachen Umgang damit, da es sich doch möglicherweise um den Kern von Menschwerdung und Wissenschaft handelt und die Bedeutung für HD damit eine sehr grundsätzliche sei. Carolin Kreber entwirft in ihrem englischsprachigen Beitrag, wie eine Konzeption von forschungsbasierter Lehre einerseits auf die Förderung von forschendem Handeln bei Studierenden abzielt und andererseits einer kritisch-reflexiven Haltung der Lehrenden ihrem eigenen didaktischen Handeln gegenüber dienlich sein kann. Ludwig Huber differenziert grundsätzliche Besonderheiten von Fachkulturen in der Wissenschaft und erläutert, in wie fern das Wissen darum bedeutsam für professionelles Handeln von Hochschuldidaktiker_innen ist, da diese schließlich im Umgang mit Fachwissenschaftler_innen den Modus eines buchstäblichen Dialogs als spezifische Form interkultureller Kompetenz einsetzen müssten. Gabi Reinmann bietet erste, schlüssige Gedanken zu inhaltlichen Aspekten und formalen Anlässen für Handlungsbedarfe in Hinblick auf die ausbaufähige Konzeptionierung von und Forschung zu Lehrkompetenz als Gestaltungs- und Zielaspekt wissenschaftlicher Weiterbildung.
Das weitgefächerte Kapitel Diskursraum veranschaulicht über Inhalt und Form der diversen Beiträge die Heterogenität einer hochschuldidaktischen Auseinander- und Schwerpunktsetzung und dokumentiert dabei bündig ausgerichtet mögliche Praxen zur Gestaltung eines komplexen Handlungszusammenhangs. Koni Osterwald berichtet als professionelle hochschuldidaktische Gesprächspartnerin an der ETH Zürich im Interview über ihre Erfahrungen und Standpunkte zu der Relevanz von reflektierender Diskursführung und praktischem Handeln in der HD. Geri Thomann schildert, ebenfalls in einem Frage-Antwort-Format, wie an der Pädagogischen Hochschule Zürich die HD eine Doppelfunktion zugewiesen bekommt, indem sie einerseits innen und andererseits außerhalb der Hochschule wirken muss und damit sowohl als Personal- als auch als Organisationsentwicklungsmaßnahme auftreten kann. Michael Comte bietet Einblick in Erklärungszusammenhänge von möglichen Bedeutungen einer konsequenten Forschungsbasierung der HD, die damit als fundierte Fazilitatorin vom und im akademischen Diskurs präsent und gestärkt sein kann. Santina Battaglia beschreibt das International Consortium for Educational Development anhand einer Analyse seiner zentralen Kommunikationsformate, welche als weltweite, fachlich-wissenschaftliche und strategisch-politische Diskursräume von HD zu verstehen sind. Christin Schirlo informiert über die seit vielen Jahren realisierten Entwicklungsprozesse der universitären Ausbildung im Bereich Humanmedizin und die daran anschließende bzw. zugrundegelegte, gelungene Dialogpartnerschaft von HD und Medizin. Lucien Criblez bietet eine Positionierung in Bezug auf HD als Methodik, die einen erweiterten Blick auf (Wissens-)Bildung an Hochschulen zulässt und die institutionen-spezifische Forschungs-Funktion auch auf das eigene Schaffen rückzubeziehen sucht. Regula Schmid Keeling schlägt vor, den Zirkel, eine historisch bedeutsame Diskursform, als Struktur für einen sich öffnenden Reflexionsraum durch einen besonnenen Blick auf den Hochschulalltag hochschuldidaktisch einzubeziehen, und umreißt ihre Erfahrungen dazu. Bruno Wohlgemuth greift das Konzept eines etablierten Instruments zur Formulierung und Dokumentation von Lern- resp. Lehrzielen auf und überträgt es auf den hochschuldidaktischen Diskurs als Mittel zum (Selbst-)Dialog.
Im vorausschauenden Kapitel Zukunftslabor formulieren die Herausgebenden als gedankliche Simulationen eine kreative Zusammenführung von spontanen Innovationen und bewährten Routinen für eine sinnvolle Entwicklung der HD. Kathrin Futter tastet sich fragend an eine potentielle Adaption eines fachspezifisch-hochschuldidaktischen Coachings für den universitären Kontext zur Förderung von Lehrerexpertise heran und greift dafür auf ein in anderen institutionellen Zusammenhängen bereits erprobtes Modell zurück. Mandy Schiefer klärt den Blick für didaktisch sinnvolle Einsatzszenarien von Web 2.0 in Bildungsinstitutionen, vor allem in Hinblick auf die produktiven Potentiale spezifischer Momente der Rollentransformation – sowohl von Studierenden als auch von Lehrenden – und damit als zeitgemäßes Medium für formelle wie auch informelle Bildungsarbeit. Balthasar Eugster schlüsselt die begriffliche Fassung resp. die gebräuchliche Form der Nutzung der Idee einer Einheit von Forschung und Lehre als rhetorische Unschärfe gegenüber einem elementar dialektischen Verhältnis auf, um anschließend im Konstrukt des ‚Lehrenden Forschens‘ eine für hochschuldidaktische Begründungszusammenhänge schlüssige wie produktive Verbindung beider Seiten erkennen zu lassen. Markus Weil stellt vor dem Hintergrund anhaltender Kritik an Internationalisierungsprozesse der Hochschullehre konzeptionelle und handlungspraktische Optionen einer hochschuldidaktisch orientierten Bezugnahme dieser Entwicklungen auf wissenschaftliches Handeln insgesamt vor.
Im Schlusswort formuliert Peter Tremp rückblickend und zielbewusst eine Einladung zur aktiven Mitgestaltung hochschuldidakischer Handlungszusammenhänge, wie er sie in Zürich erlebt und lebendig gemacht hat, und wie sie als Idee auch andernorts eine produktive Diskussion zum Lehren und Lernen an Hochschule anzustoßen vermag.
Diskussion
Aktionsfelder der Hochschuldidaktik zeichnen sich durch Vielseitigkeit aus, und derart zeigt sich auch der vorliegende Band. Die Weitläufigkeit und die Dynamik eines aktuell bedeutsamen Felds werden veranschaulicht durch die zusammengeführten und diversen fachlichen Hintergründe der Autoren und die Form ihrer Beteiligung am hochschuldidaktischen Diskurs. Das Spektrum erstreckt sich von Fachwissenschaftler_innen mit punktueller beruflicher Bezugnahme darauf, über hauptamtlich tätige Praktiker_innen konkreter Weiterbildungsmaßnahmen, hin zu ausgewiesenen Expert_innen einer langjährigen hochschuldidaktischen Auseinandersetzung. In diese wird dem Leser ein umfassender Einblick ermöglicht und zugleich zugelassen, dass zentrale Themenkomplexe - bspw. die produktive Verhältnissetzung von Forschung und Lehre – in den Fokus gelangen. Dabei spielt es offensichtlich eine gewichtige Rolle, wie häufig bestimmte Aspekte insgesamt thematisiert werden, jedoch auch, wie viel Platz und didaktisches Expert_innenwissen zur Elaboration und Reflexion konkreter Erfahrungen und Ideen zur Verfügung stehen. Hier wird deutlich, was (hochschul)didaktisch als Prämisse gilt: das es neben einer ausreichenden Distanz sowohl zusätzlichen Raum als auch geeignete Mittel braucht, um sich differenziert oder gar differenzierend auf den Gegenstand des Interesses zu beziehen.
So wie die Herausgeber eine gewisse Vielperspektivität der HD nicht nur programmatisch fordern sondern sichtlich auch fördern, gliedern sie die diversen Beiträge in eine strukturierte Fassung konzeptioneller Systematisierung und Positionierung. Diese bietet einerseits dem hochschuldidaktischen Novizen einen übersichtlichen Wegeplan für ein waberndes Feld und zeigt andererseits der Expert_innenschaft mutig auf, welche Rollen und Funktionen es für aktive Hochschuldidaktiker_innen einzunehmen gilt. Darin wird hier eine spezifische Homogenität der hochschuldidaktischen Diskussion abgebildet, die sich in dem auch hier wohl unbestrittene Anspruch an das hochschuldidaktische Handeln als wissenschaftliches Handeln – möglichst in Form einer kategorisch wissenschaftlichen Begründungsverpflichtung sowie in der Realisierung geeigneter Forschungsmodi – richtet und gleichzeitig darlegt, wie überaus hoch dieser Anspruch zu sein scheint. Denn derjenige mit einer forschenden Haltung einem Gegenstand gegenüber, sollte im Ideal eine forschende Haltung auch kritisch gegenüber sich selbst zum Tragen bringen. Die „Aufgabe ihrer Selbstreflexion“ hat die deutschsprachige HD spätestens Anfang der 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, von Ludwig Huber formuliert, erfahren. In diesem Modus ginge es um die Klärung von vielschichtigen Interessenlagen von und an HD. Die Bedingungen in diesem Zusammenhang haben sich mittlerweile wohl gravierend verändert, insbesondere durch Maßnahmen im Zuge des Bologna-Prozesses, die Zielstellung der Akteure bleibt aber vermutlich nicht weniger gewichtig und hehr. Ein ‚Zwischenraum‘ für eine derart grundsätzliche Analyse oder zumindest Diskussion wird einmal mehr leider nicht geboten. Es wird der verfügbare Platz für das genutzt, was die (Hochschul-)Didaktiker aus Zürich offensichtlich vorbildlich beherrschen, nämlich die gelungene Abstimmung von Inhalt und Form, also von interessanten Erfahrungen, guten Ideen und hilfreichen Argumentationen in einer tragend verbildlichenden Figurierung, in diesem Fall für einen Sammelband zur Dokumentation von relevanten Momenten hochschuldidaktischer Aktivität.
Fazit
Die Diskussion um die Verhältnisbestimmung von Forschen, Lehren und Lernen ist aktuell und sinnvoll. Der vorliegende Band bietet einen erhellenden Ein- und Ausblick auf das konkrete Geschehen in lebendigen hochschuldidaktischen Wirkungsbereichen und dokumentiert anschaulich Arbeiten der Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik der Universität Zürich, die seit vielen Jahren als gelungenes Beispiel für aktives hochschuldidaktisches Wirken, nach innen wie nach außen, auf sich aufmerksam macht. Wieder einmal wird deutlich, wie produktiv eine auf Reflexivität angelegte, konsequente Verhältnissetzung von handlungspraktischem und abstrahiertem Wissen für die Realisierung von Expertise sein kann.
Der Wechsel von Textformen und Autor_innen und dabei auch Positionen und Perspektiven wie auch der konvenable Einsatz von Methapern gestaltet die Lektüre insgesamt gut lesbar und (auch punktuell) aufschlussreich. Die benannte Zielgruppe, „primär mit Hochschuldidaktik betraute Personen, etwa Mitarbeitende entsprechender Fachstellen, Dozierende, Modulverantwortliche und Personen, die für die Gestaltung, Konzeption und Umsetzung von hochschuldidaktischen Aktionsfeldern verantwortlich sind“ (S.13) – sollte den Band zum direkten Nutzen für ihre Arbeit studieren.
Literatur
- Huber L. (1983): Ausbildung und Sozialisation in der Hochschule. Huber L. (Hrsg.): Enzyklopädie Erziehungswissenschaft ; 10. Stuttgart: Klett-Cotta: 114 – 138.
Rezension von
Benjamin Klages
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Zitiervorschlag
Benjamin Klages. Rezension vom 04.06.2012 zu:
Markus Weil, Mandy Schiefner, Balthasar Eugster, Kathrin Futter (Hrsg.): Aktionsfelder der Hochschuldidaktik. Waxmann Verlag
(Münster/New York/München/Berlin) 2011.
ISBN 978-3-8309-2529-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12394.php, Datum des Zugriffs 02.12.2023.
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