Dietrich Benner, Rolf Schieder et al. (Hrsg.): Religiöse Kompetenz als Teil pädagogischer Bildung
Rezensiert von Prof. Dr. Wilhelm Schwendemann, 27.02.2012
Dietrich Benner, Rolf Schieder, Henning Schluß, Joachim Willems (Hrsg.): Religiöse Kompetenz als Teil pädagogischer Bildung. Versuch einer empirisch, bildungstheoretisch und religionspädagogisch ausgewiesenen Konstruktion religiöser Dimensionen und Anspruchniveaus. Verlag Ferdinand Schöningh (Paderborn) 2011. 188 Seiten. ISBN 978-3-506-77077-6. 22,90 EUR.
Thema
Wie lässt sich religiöse Kompetenz im öffentlichen Schul- und Bildungswesen definieren und wie ist diese Kompetenz im Religionsunterricht messbar? Diesen beiden Grundfragen gehen die Herausgeber des Bandes nach, in dessen Mittelpunkt zwei von der DFG finanzierte Forschungsprojekte stehen:
- RU-BI-QUA: Bildungsstandards und Qualitätssicherung im Religionsunterricht am Beispiel des Evangelischen Religionsunterrichts.
- KERK – Sekundarstufe: Konstruktion und Erhebung von Religiösen Kompetenzniveaus am Beispiel des Evangelischen Religionsunterrichts.
Herausgeber
- Prof. em. Dr. Drs. h.c. Dietrich Benner: Professor für Erziehungswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin; Institut für Erziehungswissenschaft; Abt. Allgemeine Erziehungswissenschaft.
- Prof. Dr. Rolf Schieder: Professor für Praktische Theologie und Religionspädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin.
- Prof. Dr. Henning Schluß: Professor für Empirische Bildungsforschung und Bildungstheorie an der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft an der Universität Wien.
- Dr. Dr. habil. Joachim Willems: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Praktische Theologie/Religionspädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Aufbau
Die Studie gliedert sich wie folgt:
I. Der Berliner Ansatz zur Konstruktion und Erhebung religiöser Kompetenzniveaus im Bereich des öffentlichen Bildungssystems
- Begründungshorizonte des Ansatzes
- Das Kompetenzverständnis des Ansatzes und seine Bezüge zu anderen Modellierungen religiöser Kompetenz
- Unterschiede zwischen didaktischen Aufgaben und Testaufgaben sowie Zusammenhänge zwischen curricularen Vorgaben und der Erhebung religiöser Kompetenz
- Inhaltsbereiche zur Erfassung der drei Dimensionen religiöser Kompetenz
- Hinweise zur empirischen Ausrichtung und zu den Ergebnissen des Projekts
- Ausblick auf das nicht bewilligte Projekt KERK-Abiturstufe
II. Zur Entwicklung des Testinstruments
- Allgemeine Kriterien der Aufgabenentwicklung
- Testaufgaben zur Erhebung religionskundlicher Grundkenntnisse
- Testaufgaben zur Erhebung religiöser Partizipationskompetenz
- Offene Fragen – weiterführende Überlegungen
III. Pilotierung und Validierungsstudien. Vorgehen und Befunde
- Pretests und erste Pilotierungsstudien in Berlin und Brandenburg
- Dritte Pilotierungsstudie
- Hauptuntersuchung in Berlin und Brandenburg
IV. Systematischer Ertrag und weiterführende Fragen
- Die Entwicklung von Niveaustufen religiöser Kompetenz
- Interreligiöse Kompetenz und interreligiöse Kenntnisse
- KERK und die Diskussion über eine bildungs- und kompetenztheoretisch fundierte Religionspädagogik
- Weiterhin zu klärende Beziehungen zwischen Wissens- und Kompetenzorientierung
- Religionspolitische und religionspädagogische Konsequenzen
- Ausblick auf die Sekundarstufe II
V. Anhang – Beispiele für Testaufgaben
- Aufgaben zur Erfassung religionskundlicher Grundkenntnisse
- Aufgaben zur Erfassung religiöser Deutungskompetenz
- Aufgaben zur Erfassung religiöser Partizipationskompetenz
Literaturverzeichnis
Ad I.
Ziel der empirischen Studien war, neue Erkenntnisse der empirischen Bildungsforschung für theologische und religionspädagogische Fragestellungen in Bezug auf den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen zu nutzen (S. 13). Religion bzw. Religiöses wurde in der Projektgruppe als „diskursiver Tatbestand“ (vgl. Matthes 1992) verstanden. Religiöse Bildung ist dabei eine Fähigkeit, „verschiedene Erscheinungsformen von Religion wahrzunehmen, zu erkennen und mit ihnen deutend und partizipatorisch umzugehen.“ (S. 14) In der Tradition Schleiermachers wird religiöse Bildung als essenzieller Bestandteil öffentlicher Bildung verstanden, „die sich auf ausdifferenzierte Lebensformen und Gesellschaftsbereiche mit unterschiedlichen kategorialen Strukturen und Denkmustern bezieht, welche gegeneinander keinerlei Vorrang für sich beanspruchen können.“ (S. 15) Religion und Bildung gehören nach diesem Verständnis als komplementäre Partner zusammen. In der Schule taucht Religion zuerst in ihrer reflexiven Gestalt auf und nicht vorrangig performativ (vgl. Dressler 2008), was bedeutet, dass Religion nach dem sog. Grundbildungskonzept (vgl. Baumert; Stannat & Demmrich 2001, S. 21) eine eigene Domäne darstellt (S. 17). An Kompetenzen wird diesem Bereich der religiösen Bildung sowohl Problemlöse- als auch Problembearbeitungskompetenz zugeordnet. Die Herausgeber orientieren sich weniger an Wissen / Kenntnissen im Bereich der Religion, sondern vielmehr an komplexen Kompetenzen. Das Berliner Modell unterscheidet deshalb drei Kompetenzdimensionen für die sog. religiöse Kompetenz:
- religionskundliche Kenntnisse
- religiöse Deutungen und Interpretationen
- religiöse Partizipation und Performanz
Es geht nicht um Rekrutierung von Schülern und Schülerinnen für die Bezugsreligion des Lehrenden, sondern um „ihnen Grundkenntnisse im jeweiligen Fach sowie die Fähigkeit zu vermitteln, sich interpretierend und deutend sowie partizipierend und handelnd mit den jeweils domänenspezifischen Inhalten und Themen auseinanderzusetzen.“ (S. 21) Folgende Standards lassen sich in diesen Kompetenzdimensionen wieder finden: Sie beziehen sich „auf die Fähigkeit, den eignen Glauben und die eigenen Erfahrungen wahrzunehmen und zum Ausdruck zu bringen sowie vor dem Hintergrund christlicher und anderer religiöser Deutungen zu reflektieren; (2.) auf ein angemessenes Verständnis der Grundformen biblischer Überlieferung und religiöser Sprache, (3.) auf die Kenntnis individueller und kirchlicher Formen der Praxis von Religion und die Fähigkeit, an diesen zu partizipieren, (4.) auf die Fähigkeit, über das evangelische Verständnis des Christentums Auskunft zu geben, (5.) auf eine Wahrnehmung ethischer Entscheidungssituationen im individuellen und gesellschaftlichen Leben, welche die christliche Grundlegung von Werten und Normen versteht und in Handlungen übersetzt, (6.) auf die Auseinandersetzung mit anderen religiösen Glaubensweisen und nicht-religiösen Weltanschauungen sowie die Fähigkeit, mit Kritik an Religion umzugehen und die Berechtigung von Glauben aufzeigen zu können, (7.) schließlich auf die Fähigkeit, mit Angehörigen anderer Religionen sowie mit Menschen mit anderen Weltanschauungen respektvoll kommunizieren und kooperieren zu können und (8.) darauf, religiöse Motive und Elemente in der Kultur identifizieren, kritisch reflektieren sowie ihre Herkunft und Bedeutung erklären zu können.“ (S. 27) Danach diskutieren die Herausgeber die verschiedenen Ansätze, zum Beispiel des Comenius-Institutes, des baden-württembergischen Bildungsplans von 2004; des Berliner Modells und wie überhaupt Testaufgaben beschaffen sein müssten, um religiöse Kompetenz(en) messbar zu machen (S. 29). Unter religiöser Kompetenz lässt sich demnach verstehen: Kenntnisse, Wissen, Deutungen und Interpretationen, Partizipation und Erfahrungen und Religionsbezug (S. 31): „Die im schulischen Religionsunterricht zu erwerbende religiöse Deutungskompetenz bezieht sich auf religiöse Objekte und Inhalte (religiöse Texte, Darstellungen religiöser Motive, religiöse Bauwerke, Symbole, Rituale, Institutionen, Lehren etc.), die der Bezugsreligion des Unterrichts sowie anderen Konfessionen und Religionen entstammen oder sich in Deutungskontexten religiöser Sachverhalte und Phänomene in anderen kulturellen Bereichen wie z.B. der Kunst oder Politik finden.“ (S. 34) Im folgenden Unterkapitel differenzieren die ForscherInnen die Testmethoden und fokussieren dabei besonders die Modelle der probabilistischen Texttheorie (vgl. Rost 2004).
Ad II.
Die Schwierigkeit bestand vor allem darin, für alle Dimensionen religiöser Kompetenz geeignete Testaufgaben zu entwickeln. Von Klauer (2002) werden Aufgabenformen für kognitive Lehrziele übernommen (vgl. Grafiken S. 45, 48, 49). Bei den Testaufgaben wird deutlich, dass Grundkenntnisse eine wesentliche Basis der Deutung darstellen („learning about religion“; vgl. Schieder 2008, S. 17). Wichtig wurde dabei folgende Erkenntnis: „Bei der Konstruktion von Aufgaben zur Erhebung des religionskundlichen Wissens von Schülerinnen und Schülern am Ende der Sekundarstufe I galt es Aufgaben zu konstruieren, die sich auf Kenntnisse beziehen, die der Tendenz nach primär in unterrichtlichen Lehr-Lernprozessen erworben werden.“ (S. 50) Diese Wissensbasis wurde in Beziehung gesetzt zu den außerschulischen religiösen Sozialisationsprozessen, über die die Schüler und Schülerinnen in Fragebögen Auskunft gegeben haben. In den Testaufgaben waren Aufgaben diverser Art gestaltet, die die Schüler und Schülerinnen hermeneutisch herausgefordert haben und in denen verschiedene hermeneutische Perspektiven gefordert waren: „Die im RU zu erwerbende Deutungskompetenz bezieht sich auf im engeren Sinne religiöse Objekte und Inhalte (religiöse Texte, Darstellung religiöser Motive, religiöse Bauwerke, Symbole, Rituale, Institutionen, lehren etc.) in der Bezugsreligion und in anderen Konfessionen und Religionen sowie auf Deutungen religiöser Sachverhalte und Phänomene in anderen kulturellen Bereichen wie z.B. der Kunst, der Politik oder Werbung. Durch diese Differenzierung soll berücksichtigt werden, dass sich z.B. biblische Gleichnisse nicht nur religiös, sondern auch ethisch, politisch oder ökonomisch interpretieren lassen.“ (S. 55; dazu auch: Benner; Schieder; Schluß & Willems 2004, S. 11) Die Aufgaben hatten den Typus wie: Was sagt der Text über … aus? Welche Beschreibung trifft zu auf…? Was wird in der Aussage ausgeschlossen? Wie lässt sich … zuordnen? (S. 56) Die Erhebung religiöser Partizipationskompetenz stellte die Forschenden vor eine echte Schwierigkeit. Hilfreich waren dann in den Testaufgaben Formulierungen wie folgt: Stell Dir vor…; du machst den Vorschlag, …, um … zu erreichen. Sammle Informationen/Vorschläge von … Ihr gründet eine Arbeitsgemeinschaft und wollt nun Folgendes tun… (S. 63) Die religiöse Partizipationskompetenz wird als Kompetenz charakterisiert, „die über die Dimensionen religiöser Grundkenntnisse und Deutungen hinausgeht und sich auf die Fähigkeit bezieht,
- sich an religiösen Handlungen beratend zu beteiligen,
- sich in entsprechende Beratungen als Person einzubringen,
- individuelle Stellungnahmen in den Formen von Zustimmung, Ablehnung oder Kritik zu formulieren
- sowie an der Entwicklung neuer Handlungsoptionen bzw. Alternativen mitzuwirken.“ (S. 63)
Problematisieren kann man in den Untersuchungen jedoch, ob die jeweiligen Kompetenzdimensionen religiöser Bildung sich tatsächlich in den Fragen der Forschenden und in den Antworten der Schüler und Schülerinnen abbilden.
Ad III.
Die Projekte und die dazugehörigen Pretests und Vorstudien wurden in drei Zeitabschnitten und Arbeitsphasen hauptsächlich in 2006-2007 durchgeführt. Wichtig ist dabei, dass die Deutungs- und Partizipationskompetenz jeweils noch in drei Unterkompetenzen unterteilt wurden:
- religiöse Deutungskompetenz:
-
Erfahrungswissen
-
Grundkenntnisse
-
Hermeneutische Fähigkeiten
-
- religiöse Partizipationskompetenz
-
Reflexion erworbener Partizipationserfahrungen
-
Kenntnisse religiöser Kommunikations- und Organisationsformen
-
Stellungnahme zu religiösen Partizipationsmöglichkeiten
-
Die dritte Pilotierungsstudie fand im Juni 2007 in Berlin / Brandenburg statt. Feinjustierungen des Untersuchungsdesigns erfolgten hierbei im Gender- und Schulformenbereich. Deutlich wurden dabei Kognitionsunterschiede zwischen den Schulformen, aber auch zwischen Jungen und Mädchen. Die Testformen untersuchten dann auch die Sensitivität für außerschulische Einflüsse (d.h., Verbindung zwischen religiöser Erfahrung und sozialem Hintergrund und schwerpunktmäßig die Einflüsse schulischer Bildung im Religionsunterricht). Insgesamt standen in beiden Projekten, die von der DFG gefördert wurden 157 Items aus 26 Aufgabenkomplexen zur Verfügung. Als zusammenfassendes Ergebnis kann formuliert werden, dass Einflüsse außerschulischer religiöser Lernwelten religiöse Grundkenntnisse deutlich beeinflussen. Hierzu gehören z.B. auch der häusliche Buchbestand und die Lektüre außerhalb des schulischen Unterrichts (S. 112). Auch die Dauer der Teilnahme am schulischen Religionsunterricht ist von erheblicher Bedeutung.
Ad IV.
Im Anschluss an die Erhebung entwickelte das Forschungsteam ein Niveau-Stufenmodell religiöser Deutungskompetenz, das ich nachfolgend vollständig wiedergeben werde (S.126):
- Niveau 1: Schülerinnen und Schüler können religiöse Texte und Rituale interpretieren, die Bezüge zu lebensweltlich bekannten religiösen Konventionen und Erfahrungen aufweisen.
- Niveau 2: Schülerinnen und Schüler können das religiöse Konzept erfassen, das religiösen Texten und Sachverhalten zugrunde liegt, auch wenn keine unmittelbaren Bezüge zu lebensweltlichen Erfahrungen gegeben sind.
- Niveau 3: Schülerinnen und Schüler können religiöse Texte und Sachverhalte aus verschiedenen Religionen erfassen, Perspektivenwechsel zwischen diesen vollziehen und Deutungsprobleme interreligiös sowie im öffentlichen Raum diskutieren.
- Niveau 4: Schülerinnen und Schüler können religiöse Inhalte und Konzepte in religiösen und außerreligiösen Kontexten erfassen, konkurrierende Auslegungen durch Vollzug eines Perspektivenwechsels reflektieren und problematisieren sowie zu diesem Zwecke eigene Vorerwartungen hinterfragen.
- Niveau 5: Schülerinnen und Schüler können religiöse Inhalte und Sachverhalte von unterschiedlichen Fachlogiken (Ökonomie, Politik, Moral, Recht) her interpretieren und im Lichte solcher Fachlogiken mehrperspektivisch beurteilen.
Weiter wäre hier zu differenzieren, dass die Deutungskompetenz sich spezifisch an religiöse Sprachgattungen literarischer und sonstiger Art heftet, was eine domänenspezifische religiöse Kompetenz insgesamt begründet. Deutlich wird auch, dass Grundkenntnisse etwas anderes darstellen als Kompetenzen und dass der Bezug zur Herkunftsreligion nicht ohne weiteres etwas über Grundkenntnisse usw. über andere Religionen und Religionsgruppen aussagt (S. 131). Diesbezüglich formulierte das Team folgende Schwierigkeiten: „Diejenigen Items sind leichter, die sich auf Stoff beziehen, der im Religionsunterricht intensiv behandelt wird, die sich auf lebensweltlich relevante oder auf massenmedial präsente Sachverhalte beziehen. Items sind schwieriger, wenn sie nicht lediglich isolierte Kenntnisbestände abfragen, sondern wenn mehrere Kenntnisse gleichzeitig nötig sind, um das Item zu lösen, wenn Sinnzusammenhänge gewusst werden müssen und/oder wenn unterschiedliche Perspektiven aufeinander bezogen bzw. Perspektivenwechsel vollzogen werden müssen. Die Formulierungen der Attraktoren bzw. Distraktoren: Items sind dann leichter, wenn zentrale Begriffe aus der Frage auch in der Formulierung des Attraktors (und gleichzeitig nicht in den Formulierungen der Distraktoren) verwendet werden. Der Schwierigkeitsgrad der Items hängt ab von den Aufgabenformaten: Items im Multiple-Choice-Format mit einem Attraktor sind i.d.R. leichter als halboffene Frageformate oder Multiple-Choice-Aufgaben mit mehreren richtigen Antworten, die genau alle zu finden sind.“ (S. 135) Die Teilnahme am Religionsunterricht an öffentlichen Schulen hat als Effekt eine wahrnehmbare Fähigkeit zur interreligiösen Gestaltung und Begegnung gezeigt, was die Einstellung von LER-Beauftragten widerlegt, dass der konfessionelle Religionsunterricht nicht in der Lage sei, „ein wechselseitiges Verständnis von Angehörigen unterschiedlicher Religionen und Kulturen zu fördern.“ (S. 136) Das Gegenteil ist der Fall und ist nun auch empirisch belegt. Ausgeblendet wurde in vielen Untersuchungen in der jüngsten Zeit die Frage, welche Kompetenzen Schüler und Schülerinnen tatsächlich erwerben (vgl. Ziebertz 2003; 2009; Feige 2006; 2007; Liebold 2004). Wichtig in der KERK-Untersuchung ist deshalb die Differenzierung – in Bezug auf den kompetenzorientierten Religionsunterricht – der ausgewiesenen Gütekriterien (S. 145): „Was im Unterricht erlernt wird, soll anschließend niemals bloß gewusst, sondern so erworben worden sein, dass es von denen, die durch bildenden Unterricht erzogen worden sind, auf unterschiedliche Anwendungs-, Deutungs- und Partizipationskontexte appliziert werden kann.“ (S. 146) Das Ziel des kompetenzorientierten Religionsunterrichts besteht also darin, traditionelle Wissensorientierung von Unterricht mit den spezifischen Faktoren der Kompetenzorientierung zu verbinden.
Diskussion
Gerade die sehr aufschlussreichen Diskussionen der quantitativen-empirischen Ergebnisse der beiden Forschungsprojekte lassen für die Zukunft hoffen, dass es gelingt, im Bereich religiöser Bildung im öffentlichen Schulsystem, zu validen Daten zu kommen und schulpädagogisch die Notwendigkeit religiöser Bildung im öffentlichen Bildungswesen zu unterstreichen. Gerade das Ergebnis interreligiöser Kommunikations- und Sprachbefähigung bei Schülern und Schülerinnen, die nicht nur während der Grundschulzeit den Religionsunterricht besucht haben, muss zu denken geben. Das Buch ist überaus nützlich zu lesen und in seiner aktuellen Bedeutung nicht zu unterschätzen.
Fazit
Die Ergebnisse der beiden Forschungsprojekte in Berlin und Brandenburg zeigen auf, wie wichtig es in einer pluralen und multireligiösen Gesellschaft ist, sich mit den Fragen der Religion auseinander zu setzen und zumindest über Grundkenntnisse zu verfügen, die Partizipation ermöglichen und neue Deutungskontexte und -horizonte erschließen helfen.
Literatur
- Baumert, Jürgen; Stanat, Petra; Demmrich, Anke (Hg.) (2001): PISA 2000. Deutsches PISA-Konsortium. Opladen: Leske + Budrich.
- Benner, Dietrich; Schieder, Rolf; Schluß, Henning; Willems, Joachim (2004): Qualitätssicherung und Bildungsstandards für den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, am Beispiel des Evangelischen Religionsunterrichts. (RU-Bi-Qua), DFG-Antrag. Berlin: Humboldt Universität zu Berlin.
- Benner, Dietrich Schieder Rolf; Schluß, Henning; Willems, Joachim (Hg.) (2011): Religiöse Kompetenz als Teil öffentlicher Bildung. Versuch einer empirisch bildungstheoretisch und religionspädagogisch ausgewiesenen Konstruktion religiöser Dimensionen und Anspruchsniveaus. Paderborn, München, Wien, Zürich: Schöningh.
- Dressler, Bernhard (2008): Performanz und Kompetenz. Überlegungen zu einer Didaktik des Perspektivwechsels. In: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie (1), S. 74-88.
- Feige, Andreas; Dressler, Bernhard; Tzscheetzsch, Werner (Hg.) (2006): Religionslehrer oder Religionslehrerin werden. Zwölf Analysen berufsbiografischer Selbstwahrnehmungen. Ostfildern: Schwabenverl. Online verfügbar unter http://bvbr.bib-bvb.de:8991/F?func=service&doc_library=BVB01&doc_number=013183236&line_number=0002&func_code=DB_RECORDS&service_type=MEDIA.
- Feige, Andreas; Friedrichs, Nils; Köllmann, Michael (2007): Religionsunterricht von morgen? Studienmotivationen und Vorstellungen über die zukünftige Berufspraxis bei Studierenden der ev. und kath. Theologie/Religionspädagogik. Ostfildern: Schwabenverlag.
- Klauer, Karl Josef (2002): Wie misst man Schulleistungen? In: Franz E. Weinert (Hg.): Leistungsmessungen in Schulen. 2. Aufl. Weinheim ; Basel: Beltz, S. 103-115.
- Matthes, Joachim (1992): Auf der Suche nach dem Religiösen. Reflexion zu Theorie und Empirie religionssoziologischer Forschung. In: Sociologia Internationalis 30, S. 129-142.
- Rost, Jürgen (2004): Lehrbuch Testtheorie – Testkonstruktion. 2. Aufl. Bern: Huber (statistik und me).
- Schieder, Rolf (2008): Was ist religious literacy? In: Martin Schreiner (Hg.): Religious literacy und evangelische Schulen. Die Berliner Barbara-Schadeberg-Vorlesungen. Münster, München, Berlin: Waxmann (Schule in evangelischer Trägerschaft), S. 11-23.
- Schreiner, Martin (Hg.) (2008): Religious literacy und evangelische Schulen. Die Berliner Barbara-Schadeberg-Vorlesungen. Münster, München, Berlin: Waxmann (Schule in evangelischer Trägerschaft).
- Weinert, Franz E. (Hg.) (2002): Leistungsmessungen in Schulen. 2. Aufl. Weinheim ; Basel: Beltz. Online verfügbar unter http://worldcatlibraries.org/wcpa/oclc/464014610.
- Ziebertz, Hans-Georg; Kalbheim, Boris; Riegel, Ulrich; Prokopf, Andreas (Hg.) (2003): Religiöse Signaturen heute. Ein religionspädagogischer Beitrag zur empirischen Jugendforschung. Gütersloh, Freiburg im Breisgau: Kaiser Gütersloher Verl.-Haus; Herder (Religionspädagogik in pluraler Gesellschaft, 3).
- Ziebertz, Hans-Georg; Kay, William K.; Riegel, Ulrich (Hg.) (2009): Youth in Europe III. An international empirical study about the impact of religion on life orientation. Münster: Lit (International practical theology, 10).
Rezension von
Prof. Dr. Wilhelm Schwendemann
Professor für Evangelische Theologie, Schulpädagogik und Religionsdidaktik an der Evangelischen Hochschule Freiburg im Fachbereich II (Theologische Bildungs- und Diakoniewissenschaft)
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Zitiervorschlag
Wilhelm Schwendemann. Rezension vom 27.02.2012 zu:
Dietrich Benner, Rolf Schieder, Henning Schluß, Joachim Willems (Hrsg.): Religiöse Kompetenz als Teil pädagogischer Bildung. Versuch einer empirisch, bildungstheoretisch und religionspädagogisch ausgewiesenen Konstruktion religiöser Dimensionen und Anspruchniveaus. Verlag Ferdinand Schöningh
(Paderborn) 2011.
ISBN 978-3-506-77077-6.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12501.php, Datum des Zugriffs 11.10.2024.
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