Eva-Maria Schumacher: Schwierige Situationen in der Lehre
Rezensiert von Prof. Dr. Jana Günther, 25.07.2012

Eva-Maria Schumacher: Schwierige Situationen in der Lehre. Methoden der Kommunikation und Didaktik für die Lehrpraxis.
Verlag Barbara Budrich GmbH
(Opladen, Berlin, Toronto) 2011.
127 Seiten.
ISBN 978-3-8252-3507-9.
D: 9,90 EUR,
A: 10,20 EUR,
CH: 15,90 sFr.
Reihe: UTB - 3507. Kompetent lehren - Band 2.
Autorin
Eva-Maria Schumacher ist Diplom-Pädagogin. Sie arbeitet als Trainerin und Coach mit den Schwerpunkten Personalentwicklung und Hochschuldidaktik. (www.constructif.de)
Entstehungshintergrund
Die Publikation „Schwierige Situationen in der Lehre“ ist der zweite Band der im UTB- und Budrich-Verlag erscheinenden Reihe „Kompetent lehren“.
Aufbau und Inhalt
Viele Lehrende kennen wahrscheinlich diese Gedanken: „Studierende kommen zu spät, es ist im Hörsaal unruhig. Studierende leiden unter einer Art ‚Gruppenarbeitsallergie‘, sind klausurorientiert und einige neigen zu ‚eigen-sinnigem‘ Verhalten“ (S. 12). Dieses Buch veranschaulicht einerseits, dass Störungen und Konflikte in Lehrveranstaltungen normal sind und anderseits gibt die Autorin Eva-Maria Schumacher wertvolle Hinweise und Strategien für einen offenen und konstruktiven Umgang mit selbigen. Wesentlich ist hierbei für die Autorin, dass sich Lehrende über ihre Rolle bewusst werden und konflikthafte Situationen ernst nehmen. Sie sind nämlich nicht ‚nur‘ Wissensvermittler_innen, sondern auch „LernprozessbegleiterInnen, BeraterInnen, ModeratorInnen, Vorbilder, Lerncoachs“ (S. 15).
Der 127-seitige Band gliedert sich in vier Kapitel und zwei thematische Hauptteile, ersterer widmet sich „Didaktischer Prävention“ und der zweite dem „Umgang mit Störungen und Konflikten“.
In Kapitel 1 erläutert Schumann zunächst signifikante Begrifflichkeiten und Definitionen, welche dem allgemeinen Verständnis dienen. Sie erörtert Gründe für Störungen, Konflikte und Lernwiderstände und plädiert für eine Perspektive, die Lehren und Lernen als Kommunikationsprozess wahrnimmt. Die Autorin geht zudem näher auf das Konzept der Themenzentrierten Interaktion (TZI) ein, welches sie als Grundprinzip ihres Lehransatzes gewählt hat. Für eine bessere Konfliktbearbeitung schlägt sie in diesem Abschnitt außerdem erste Methoden zur didaktischen Prävention und tatsächlichen Intervention im Konfliktfall vor.
In Kapitel 2 „Didaktische Prävention“ geht es vor allem darum, die eigene Lehre als Gesamtkonzeption zu überdenken und damit bestimmte Konflikte von vornherein zu vermeiden. Dabei haben äußere strukturelle sowie thematische Faktoren ein ebenso großes Gewicht wie die Reflexion der eigenen Rolle als Lehrende_r und die Gruppe in ihrer eigenen Dynamik. Für Prozesse der Gruppendynamik schlägt die Autorin ein 4-phasiges Modell und den jeweiligen Phasen entsprechende Leitungsaufgaben für Dozent_innen vor (S.41-42). Als didaktische Prävention empfiehlt Schumacher außerdem den Abschluss einer gemeinsamen Lern- und Arbeitsvereinbarung und erläutert die notwendigen Schritte dafür. Besonders der inhaltliche Teil zur Lernprozess-Steuerung (Kap. 2.3) vermittelt dem/ der Lesenden eine Vielzahl leicht umzusetzender Methoden, welche den Lehralltag vereinfachen sowie die Interaktion in Seminaren bereichern können.
Das Kapitel 3 „Umgang mit Störungen, Konflikten und Lernwiderstand“ widmet sich dem eigentlichen Konfliktmanagement. Prinzipiell, so Schumacher, sollten Konflikte als Lernprozesse für Studierende und Lehrende gesehen werden (S. 79). Dabei geht die Autorin auf die verschiedenen Konfliktarten und spezifische Lösungsansätze zur Konfliktbearbeitung ein. Um Lehrenden eine kontinuierliche kritische Reflexion zu ermöglichen, bekommen sie in dem Kapitel Leitlinien der Selbstsupervision vermittelt. Die Leser_innen lernen hier zudem die Störungsstufen und spezifische Interventionsmöglichkeiten kennen.
Die Fallbeispiele in Kapitel 4 geben dem/ der Lehrenden noch einmal konkrete Tipps und Tricks mit auf den Weg, wie mit typischen schwierigen Lehrsituationen in der Praxis umgegangen werden kann.
Fazit
Nicht zuletzt wegen der neuen Herausforderungen in den modularisierten Studiengängen, in welchen ganz neue Kompetenzen von den Lehrenden gefordert sind und es zeitgleich um neue Handlungskompetenzen geht, versteht Schumacher einen konstruktiven Umgang mit Konflikten als „Teil des Lernens und des Lernprozesses“ (S. 15). Durch die kontinuierlich nach jedem Teilkapitel gestellten Reflexionsfragen wird dem/ der Leser_in ermöglicht, schon während des Lesens die eigene Lehrpraxis zu überdenken. Der Band ist reich illustriert und vermittelt sinnvolle Methoden und Techniken, die den Lehralltag erleichtern können.
Die Unterteilung der Konflikte bzw. Gruppenprozesse nach Rahmenbedingungen (im Buch „Globe“), Thema, Gruppe und Lehrendem (im Buch „Ich“) ist inhaltlich zwar nachvollziehbar, warum jedoch TZI als ein Lösungs- bzw. Strukturmodell angeboten wird, hätte m. E. einer umfassenderen, eventuell auch kritischeren, Auseinandersetzung bedurft. Nicht zuletzt wirkt dadurch die Aufteilung der praktischen Konfliktfälle in Kapitel 4 zum Teil etwas starr an dem Modell orientiert.
Nichtsdestotrotz verfügt der Band „Schwierige Situationen in der Lehre“ über einen beachtlichen Fundus an Techniken, die es ermöglichen, Lehrveranstaltungen zu verbessern und für Lehrende wie Lernende gleichermaßen zielorientiert zu gestalten. Die angebotenen Methoden sind gut erklärt und aufgrund dessen auch leicht in die Praxis umzusetzen. Ein Großteil der vorgestellten Handwerkszeuge ist außerdem auch für das Konfliktmanagement außerhalb von Hochschule und Forschung äußerst nützlich.
Rezension von
Prof. Dr. Jana Günther
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