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Karl Kreuser (Hrsg.): Mediationskompetenz

Rezensiert von Prof. Yvonne Hofstetter Rogger, 14.06.2012

Cover Karl Kreuser (Hrsg.): Mediationskompetenz ISBN 978-3-8309-2605-4

Karl Kreuser (Hrsg.): Mediationskompetenz. Mediation als Profession etablieren ; theoretischer Ansatz und zahlreiche Praxisbeispiele. Waxmann Verlag (Münster/New York/München/Berlin) 2012. 205 Seiten. ISBN 978-3-8309-2605-4. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR.
Reihe: Kompetenzmanagement in der Praxis - Band 7.

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Thema

In diesem Buch wird das auf verschiedene Kontexte anwendbare Modell zur Klassifizierung und Messung von Kompetenzen KODE ®, das von Volker Heyse, John Erpenbeck und Stephan Ortmann, entwickelt wurde, auf die Tätigkeit der Mediation angewendet. Dies wir erreicht, in dem die Tätigkeit der Mediation hinsichtlich der dafür erforderlichen Kompetenzen analysiert und mit dem Klassifizierungs-Modell KODE ® in Verbindung gebracht wird.

Herausgeber

Dr. Karl Kreuser ist Berater für Organisationen, für selbstorganisierte Kompetenzentwicklung, Mediator und systemischer Strukturaufsteller. Prof. Dr. Volker Heyse ist Gründungsmitglied der privaten Fachhochschule des Mittelstands Bielefeld und lehrt auf dem Gebiet der Kompetenz- und Stärkenentwicklung. Thomas Robrecht ist Mediator, Ausbilder in Mediation und Vorstandsvorsitzender des deutschen Bundesverbandes Mediation (BM).

Entstehungshintergrund

Die Herausgeber wollen mit diesem Werk gleichzeitig einen Nutzen für die Kompetenzforschung als auch für die Professionalisierung der Mediation zu herbeiführen. Dabei geht es ihnen nicht allein um die für die Mediation im engeren Sinne notwendigen Kompetenzen, sondern auch das Übertragen von Mediationskompetenz in andere Tätigkeiten, insbesondere in Führungsfunktionen. Das Buch soll Grundlagen vermitteln, die in der professionellen Positionierung der Mediation sowie in der Ausbildung künftiger Mediatoren und Mediatorinnen genutzt werden können. Die Herausgeber bezeichnen das Werk als eine „erste Standortbestimmung in der Verschränkung von Kompetenz und Mediation und nicht als abschliessende Feststellung“ (S. 12).

Aufbau

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Im 1. Teil unter dem Titel „Erkenntnisse“ stehen die Grundlagen im Zentrum, nämlich Grundlagen zur Mediation einerseits und Grundlagen zum Verständnis von Kompetenz. Hier wird denn auch das Modell KODE ® auf die Mediation angewendet. Es geht um Mediationskompetenz, deren Bedeutung für die Anerkennung des Mediationsverfahrens einerseits und der Mediatorinnen und Mediatoren als Professionelle andererseits. Eine weitere Grundlage wird durch das Aufzeigen der Entwicklung der Mediation geboten. Schliesslich wird aufgezeigt, wie Mediatorinnen und Mediatoren selber die Bedeutung verschiedener Aspekte der Kompetenz einschätzen.

Im 2. Teil werden unter der Überschrift „Variationen“ Beispiele der Nutzung von Mediationskompetenz für verschiedene berufliche Aufgaben, Funktionen und Rollen aufgezeigt: von internationalen Aufgaben der Polizei bis zur Verbindung zwischen Projektmanagement und Mediation.

Inhalt

Karl Kreuser entwickelt im ersten Beitrag eine Strukturierungsmöglichkeit zur Unterscheidung von Problem und Konflikt respektive der Kombination der beiden. Ein Konflikt liegt demnach dann vor, wenn ein oder mehrere Akteure voneinander abweichende Handlungsabsichten hinsichtlich eines Themas sehen und darin eine Begrenzung erleben. Dann erweitert er dieses Grundmuster, in dem er verschiedene Ebenen einführt: z. B. Konflikt hinsichtlich des Themas oder hinsichtlich des Umgangs mit den unterschiedlichen Handlungsabsichten umzugehen. Der Beitrag zeigt Möglichkeiten auf, das Phänomen des Konflikts anders zu begreifen, z. B.: „Der Konflikt kann als Strukturzustand bezeichnet werden, der durch bestimmte Beziehungen hervorgebracht ist…Wenn wir davon ausgehen, dass Zustandsänderungen durch Relationsänderungen erfolgen (denn die Elemente können wir nicht verändern), dann ist jede Form von Konfliktbearbeitung die Veränderung von Strukturen durch die Veränderung von Relationen.“ (S. 12) Ein Konflikt wird erst dann zu einem Problem, wenn die Zustandsveränderung als schwer oder unmöglich erscheint. Ob eine Lösung gefunden wird, hängt u. a. von der Konfliktkompetenz ab respektive von Handlungsdispositionen, um mit den Konflikten und Problemen lösungsorientiert umzugehen. Diese sind nicht in jedem mentalen Zustand gleich gut verfügbar. Wenn der mentale Zustand als schwierig erlebt wird, werden Konfliktbeteiligte als Gegner/innen wahrgenommen, und der Konflikt droht zu eskalieren. In dieser Situation ist die Fremdlösung durch Dritte angezeigt.

Im Weiteren wird das Phänomen Mediation als Konstrukt definiert. Mediation wird als Prozess beschrieben, der die Beteiligten aus dem mentalen Zustand, in welchem selbstorganisierte Konfliktlösung nicht mehr möglich ist, heraus führt. Mediation wird als „fremdgesteuerte Selbstlösung“ von der „Fremdlösung durch Dritte“, nämlich einem Urteil, unterschieden. Die Selbstlösung wird durch Deeskalation herbeigeführt. Diese reduziert die Wirkung der Emotionalität soweit, bis die Mediandinnen und Medianden wieder selber die Kontrolle über die Lösung übernehmen können. Mediation ist Strukturarbeit, die als Folge Beziehungen verändert. Mediation wird auch als Machtgebrauch verstanden, gemeint ist die durch den Auftrag durch die Mediandinnen und Medianden legitimierte Prozessautorität der Mediatorinnen und Mediatoren. Die Akzeptanz dieses auf den Prozess bezogenen Machtgebrauchs wird durch Allparteilichkeit und Wohlwollen erreicht. Mediation wird als geschützter Versuch gesehen, Strukturvarianten in einem durch Verschwiegenheit und Vertraulichkeit hergestellten Freiraum zu erproben.

Mediation als professionelle Dienstleistung bedarf bestimmter Voraussetzungen, damit sie zustande kommen kann. Mediatives Handeln ist verbunden mit der entsprechenden Haltung und Positionierung, die Tücken birgt und nach entsprechenden Kompetenzen ruft. Auch wenn der Titel des Buches „Mediationskompetenz“ lautet, wird schnell deutlich, dass nicht eine einzige Kompetenz sondern ein Bündel von Kompetenzen notwendig sind, um die für die Mediation typischen Effekte tatsächlich auslösen zu können. Zur Strukturierung dieser Kompetenzen stützt sich der Autor auf den „Kompetenzen-Explorer (KODE®X) nach Volker Heyse und John Erpenbeck, der von vier Grundkompetenzen ausgeht:

P – Personale Kompetenz

A – Aktivitäts- und Handlungskompetenz

F – Fach- und Methodenkompetenz

S – Sozial-kommunikative Kompetenz

Diese vier Grundkompetenzen sind in Teilkompetenzen aufgeschlüsselt. Anhand dieser Analyse bestätigt der Autor seine Hypothese, wonach Mediationskompetenz einen Kluster der Dimensionen P und S darstelle, die beide etwa gleich ausgeprägt seien, während F gering bis durchschnittlich und A durchschnittlich bis gut ausgeprägt sei.

Wenn Mediation über ein enges Verständnis hinaus ohne Konflikt gedacht wird, sondern als Ansatz zur Veränderung von Handlungsstrukturen hin zu selbstorganisierten Lösungen, erscheint Mediationskompetenz in einem anderen Licht. Sie kann in viel häufigeren Situationen genutzt werden als in der Konflliktmendiation im engeren Sinne, nämlich in vielen sozialen Situationen mit tatsächlichem oder erwartetem Leidensdruck. Der Nutzen von Mediationskompetenz kann dann in vielen Bereichen erkannt werden (Integration, Netzwerkarbeit, Kooperation, Entscheidungsprozesse) und in verschiedene Funktionen übertragen werden (Führung, Projektleitung, Coaching, Supervision etc.). Mediationskompetenz wird wie Führungs-, Diversity-, Gender- oder interkulturelle Kompetenz als eine generalistische Kompetenz begriffen.

Volker Heyses Beitrag setzt sich mit der Frage auseinander, wann Mediatoren kompetent seien. Diese Frage wird vorerst unter dem Aspekt der Anerkennung und Inanspruchnahme von Mediation betrachtet. Die Akzeptanz von Mediation wird überall dort schwierig, wo Fach- und Sachbezogenheit höher bewertet wird als die zwischenmenschliche Dimension und dort wo Vermeidungsstrategien und Misstrauenskultur vorherreschen.

Ein weiterer Aspekt zur Fragestellung liegt in der Unterscheidung von Qualifikationen und Kompetenzen. Während Qualifikationen für Handlungssituationen mit klarer Zielsetzung und vorbestimmtem Weg ausreichen, seien Kompetenzen gefragt für erfolgreiches Handeln in offenen, unscharfen, komplexen Situationen, die nach kreativer Zukunftsgestaltung rufen. Heyse betont, dass Kompetenzen auf Werten fundieren, durch Erfahrung konsolidiert und über Emotionen und Motivation verinnerlicht werden. Wenn Kompetenzen so verstanden werden, stellt sich die Frage, wie sie erworben werden. Eine theoretische Vermittlung kann nicht zu einer generalisierten Disposition führen, die notwendig ist, um sich in der realen Situation zu zeigen und wirksam zu werden. Gefordert wird hingegen die Bearbeitung von problemhaften Situationen unter Anleitung erfahrener Lehrer/innen, die Feedback geben und Reflexion auslösen.

Heyse entwickelt ein Rollen- und Kompetenzenmodell. Als in der Mediation ubiquitäre Rollen beschreibt er: „Comunicator“, „Professional“, „Collaborater“, „Innovator“, „Scolar“, „Mediation Advocate“, „Consultor“ und für bestimmte Einsatzgebiete zusätzlich noch „Expert“ (Organsiationsentwicklung) und „Akquisator“.

Im dritten Beitrag beschreibt Thomas Robrecht die Entstehung und den heutigen Stand der Mediation mit ihren Wesensmerkmalen und ihrem Markt. Hier wird auch ein Überblick vermittelt über die Organisationen der Mediation in den deutschsprachigen Ländern.

Stefan Ortmann stellt im vierten Beitrag Methode und Ergebnis einer Online-Umfrage vor, an der 562 Mediatorinnen und Mediatoren teilgenommen haben. Die in diesem Buch vertretenen Hypothesen werden untersucht und durch die Ergebnisse der Umfrage bestätigt. Die befragten Mediatorinnen und Mediatoren bewerten sowohl die personalen (P) als auch die sozial-kommunikativen Kompetenzen (S) etwa gleich hoch, deutlich höher als Aktivitäts- und Handlungskompetenzen (A) sowie Fach- und Methodenkompetenzen (F). Die 16 am häufigsten genannten Kompetenzen sind: Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Humor, Glaubwürdigkeit, Verständnisbereitschaft, ganzheitliches Denken, Offenheit für Veränderungen, Dialogfähigkeit/Kundenorientierung, Beziehungsmanagement, Analytische Fähigkeiten, Belastbarkeit, Optimismus, Sprachgewandtheit, Systematisch-methodisches Vorgehen und Integrationsfähigkeit.

Im fünften Beitrag zeigt Erich Barthel auf, wie Mediationskompetenz das Bewältigen der Herausforderungen von Führungskräften unterstützt. Insbesondere im konstruktiven Umgang mit Widersprüchen, denen mit herkömmlichen Entscheidungslogiken nicht beizukommen ist, erweist sich Mediationskompetenz als relevant. Ebenso können Führungskräfte mit Mediationskompetenz Innovation in Organisationen fördern.

Die Beiträge im zweiten Teil des Buches werden hier nur noch aufgezählt. Allen gemeinsam ist die Aussage, dass Mediationskompetenz in sehr unterschiedliche berufliche Rollen und Funktionen genutzt werden kann und das Verfügen über diese Kompetenz Auswirkungen darauf hat, wie die Berufsleute ihre Rollen wahrnehmen und ihre Funktionen definieren und ausfüllen. Heiko Schmidt: Mediation bei internationalen Aufgaben der Polizei. Horst Werner, Susanne Mayer: Mediationskompetenz in der betrieblichen Arbeitssicherheit. Sabine Henke: Konflikte kosten Geld. Und noch viel mehr . Warum wir eine positive Konfliktkultur in Unternehmen brauchen. Berta Schreckeneder: Projektmanagement und Mediation. Eine Beziehung, die sich lohnt. Rupert Saller: Wo es brennt bei der Feuerwehr. Mediative Kompetenzen bei der Führung im Ehrenamt.

Diskussion

Das Buch wird dem meisten eingangs genannten Ansprüchen gerecht. Es füllt ein Vakuum in der Mediations-Literatur, vielleicht gerade, weil die Autoren Karl Kreuser und Voker Heyse Kompetenzforscher und nicht Mediatoren sind. Der Blickwinkel der Kompetenzforschung ist ein Gewinn für die Positionierung der Mediation. Ihre Erkenntnisse stellen die Argumentation all jener Interessenvertreter/inne der Mediation in Frage, die für kurze Weiterbildungen plädieren und das Erlernen des methodischen Vorgehens als genügend erachten. Im Buch wird deutlich, dass der Weg zum Mediator / zur Mediatorin einer anspruchsvollen Kompetenzentwicklung bedarf und dazu unterschiedliche Lernformen notwendig sind. Es wird zwar kurz darauf hingewiesen, dass es auf diesem Weg erfahrene Lehrer und Lehrerinnen braucht, die Mediatorinnen und Mediatoren nahe an konkreten Problemsituationen im Lernen begleiten, Feedback geben und zu Reflexion herausfordern. Doch angesichts der Komplexität des für die Mediation postulierten Kompetenzenclusters, der zwar lernbar ist, jedoch ganz besondere Anforderungen an den Lernprozess stellt, kommt dieser Teil viel zu kurz.

Der zweite Teil des Buches bestätigt, dass Mediationskompetenz in vieler Hinsicht nützlich ist. Die Erfahrungen der Autorinnen und Autoren bekräftigen die berechtigte Erwartung der vielen Professionellen, die eine gründliche Mediationsausbildung absolvieren: Mediation lernt man nicht allein, um Mediationen durchführen zu können, sondern um sich eine zentrale Schlüsselkompetenz zu erwerben, die in vielen Funktionen nützlich sind, in denen Innovation, integrativer Umgang mit Dilemmata und die Kommunikation mit Menschen in herausfordernden Situationen entscheidend ist. Allerdings wird von den Autorinnen und Autoren manche nützliche Technik aus der psychosozialen Beratung oder der Organisationsberatung der Mediations zugeschrieben. Wer sich in der Beratungsdisziplin nicht so gut auskennt, bezeichnet manches als „mediative Methode“ oder „mediative Haltung“, das nicht ursprünglich aus der Mediation kommt, jedoch über die Mediation verbreitet wird.

Fazit

Mediationskompetenz wird wie nirgends sonst analysiert. Worauf es im Kern ankommt, damit Mediatorinnen und Mediatoren Streitende in den mentalen Zustand führen können, der aus dem Konflikt hinaus zu selbst entwickelten Lösungen führt, wird im Detail beschrieben. Interessant sind auch die Erfahrungen, wie Mediationskompetenz in verschiedene berufliche Funktionen und Rollen sinnvoll genutzt werden kann.

Rezension von
Prof. Yvonne Hofstetter Rogger
Dozentin BFH Mediatorin SDM Mitherausgeberin und Redaktionskoordinatorin "Perspektive Mediation"
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ISSN 2190-9245