Bernhard Schmidt-Hertha, Helmut Kuwan et al. (Hrsg.): Web 2.0
Rezensiert von Dr. Matthias Rohs, 29.12.2011

Bernhard Schmidt-Hertha, Helmut Kuwan, Gerd Gidion (Hrsg.): Web 2.0. Neue Qualifikationsanforderungen in Unternehmen. W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG (Bielefeld) 2011. 200 Seiten. ISBN 978-3-7639-4900-7. 19,90 EUR. CH: 34,50 sFr.
Thema
Web 2.0 ist kein neues Phänomen. Seit mehr als 5 Jahren ist es in der Diskussion und erfährt zunehmend auch in betrieblichen Kontext (als Enterprise 2.0) Beachtung. Dabei werden oft hohe Erwartungen mit der systematischen Einführung von Web 2.0 in Unternehmen verbunden, wobei der aktuelle Status der Verbreitung und Nutzung eher noch selten damit korreliert . Zudem zeigen sich noch viele offen Fragen, wie z. B. bezüglich des Datenschutzes. Bisher kaum untersucht wurden die Kompetenzanforderungen, die mit der Einführung von Web 2.0 verbunden sind. Als Teil der Initiative zur Früherkennung von Qualifikationserfordernissen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) schließt das Buch „Web 2.0 – Neue Qualifikationsanforderungen in Unternehmen“ diese wichtige Lücke. Konkretes Ziel ist es, Qualifikationsanforderungen für Web 2.0 in der Arbeitswelt für die Perspektive von 5 Jahren zu beleuchten.
Zur Analyse der Qualifikationsanforderungen wurden Literaturrecherchen, Expertenbefragungen mit Vertretern aus der Wissenschaft (9), aus Unternehmen (6), IT-Experten (6) sowie Betriebsfallstudien und ein Workshop mit den beteiligten Experten durchgeführt.
Aufbau
Das 206 Seiten umfassende Buch ist in 7 Kapitel strukturiert.
- Ausgangslage und Zielsetzung des Forschungsprojekts „web2skills“,
- Konzeption des Projektes,
- Trends und Entwicklungen im Kontext von Web 2.0 in der Arbeitswelt – Zusammenschau aus Literatur und Praxis,
- Web 2.0 in unterschiedlichen Anwendungsfeldern: Anwendungsbeispiele und Erfahrungen aus der Praxis,
- Aktuelle und zukünftige Qualifikationsanforderungen im Kontext von Web 2.0,
- Besonders betroffene Bereiche und Brennpunkte des Einsatzes von Web 2.0-Anwendungen in der Arbeitswelt und
- Zusammenfassende Bewertung der Ergebnisse der Studie und Überlegungen zu bildungspolitischen Herausforderungen.
Inhalt
Ausgehend von einer grundlegenden Betrachtung des Terminus „Web 2.0“ widmen sich die Autoren, die gleichzeitig Herausgeber des Buches sind, in einem ersten Schritt der Beschreibung von Trends und Entwicklungen im Kontext von Web 2.0 in der Arbeitswelt. Betrachtet werden dabei u. a. Cloud Computing, Mobile Learning, Social Media aber auch Fragen des Datenschutzes und des „Digital Divide“. Im folgenden Kapitel werden diese Entwicklungen dann im Blickfeld verschiedener Anwendungsfelder, wie Prozessmanagement, Kommunikation/Kooperation, Personalmanagement, Informations- und Wissensmanagement, unternehmens- und personenbezogenes Marketing sowie im Bereich der Markt-, Geschäfts- und Kundenentwicklung und der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen betrachtet. Schon diese systematischen Analyse stellen gegenüber anderen Publikationen in diesem Feld, die sich vornehmlich auf die Darstellung einzelner Fallstudien beschränken, einen deutlich Gewinn dar.
Daran anschließend wird der eigentliche Kern der Forschungsarbeit ins Blickfeld genommen: Die aktuellen und zukünftigen Qualifikationsanforderungen im Kontext von Web 2.0 Dabei werden folgende relevante Bereiche identifiziert:
- Kommunikation im virtuellen Raum,
- Kooperationsfähigkeit in virtuellen Arbeitswelten,
- Umgang mit Informationen und Wissen,
- Datenschutz, rechtliche Aspekte und Vertraulichkeitsanforderungen,
- Eigenverantwortliches Lernen und parallele Aufgabenbearbeitung sowie
- IT-Kompetenzen.
Darüber hinaus werden Qualifikationen, wie die Anwendung und Auswahl von Web 2.0-Anwendungen, „Etikette“ in der Internetkommunikation u.a. besprochen. Für die einzelnen Kompetenzbereiche wird eine Einschätzung der Bedeutung der Kompetenzfacette und der Reichweite bezüglich der Beschäftigtengruppen vorgenommen. Dabei wird der aktuelle Status betrachtet als auch Hypotheseen für die Kompetenzanforderungen 2015 formuliert.
Abschließend erfolgt noch eine Abschätzung für die Kompetenzanforderungen im Kontext von Web 2.0 für einzelne Branchen. Auch wenn fast alle Kompetenzfacetten an Bedeutung zunehmen bzw. für mehr Personen relevant werden, zeigen sich doch zwischen den Branchen Unterschiede. Besondere Relevanz besitzen Web 2.0-Kompetenzen für die Wirtschaftszweige, die
- eine besondere Nähe zu IT haben,
- in hohem Maße mit Forschung und Entwicklung befasst sind,
- eine hohe Komplexität in der Produktions- und Dienstleistungsprozessen haben und
- wo sich ein hoher Nutzen der Anwendungen zeigt.
Aber nicht nur die Branchen haben Einfluss auf die Bedeutung der Web 2.0-Kompetenzen, sondern auch das Unternehmensprofil. Identifiziert wurden hier Merkmale wie
- Internationalität,
- Altersstruktur,
- Wettbewerbsintensität,
- Unternehmenskultur und mit geringem Einfluss die
- die Unternehmensgröße.
Diskussion
Die Aufbereitung des Vorgehens und der Forschungsergebnisse ist stringent uns sehr gut zu lesen. Alle wichtigen Ergebnisse sind hervorgehoben und leicht zu erfassen. Die Ergebnisse sind bezüglich der einzelnen Kompetenzfacetten für die Experten sicherlich nicht unerwartet, aber wohl erstmals in dieser Sichtweise so herausgearbeitet und mit konkreten Prognosen versehen. Die Studie besitzt damit ein Alleinstellungsmerkmal in einem hoch innovativen Bereich, dem eine hohe Bedeutung für Unternehmen prognostiziert wird.
Die Kritikpunkte der Studie sind von den Autoren bereits sehr gut herausgearbeitet. So wurden – entsprechend dem Fokus der Früherkennungsinitiative des BMBF – Kompetenzanforderungen auf mittlerer Qualifkationsebene in den Blick genommen, obwohl vielleicht gerade Akademiker in diesem Kontext eine besondere Rolle spielen. Zudem lässt sich ein großer Teil der genannten Anforderungen nicht ausschließlich auf das „Web 2.0“ zurückführen, was aber im Buch auch analytisch betrachtet wird. Insofern zeigen sich kaum Schwachpunkte, sondern vielmehr Aufgaben für eine Ausweitung und Vertiefung der Untersuchung, wie z. B. durch breitere qualitative Erhebungen oder beispielsweise einer Betrachtung der Kompetenzanforderungen durch die kulturellen und organisatorischen Veränderungen, die die Einführung von Web 2.0 in Unternehmen verbunden sind. Aufgrund der rasanten Entwicklung im Bereich Web 2.0 kann es sein, dass die Ergebnisse an der einen oder anderen Stelle einer Anpassung bedürfen, jedoch sicherlich keiner gänzlichen Neubewertung unterzogen werden müssen.
Fazit
Zusammenfassend besitzt die hier vorstellte Studie sowohl aus wissenschaftlicher als auch praktischer Perspektive einen sehr hohen Wert, da sie eine wichtige Lücke in der bisherigen Diskussion zum Thema Web 2.0/ Enterprise 2.0 schließt. Der Fokus wird damit weg von der Technik und den Anwendungen wieder auf den Menschen gelegt. Dabei fügen sich die Forschungsergebnisse nahtlos in die aktuelle Medienkompetenzdiskussion ein, die nun (endlich) auch in der beruflich/betrieblichen Aus- und Weiterbildung intensiver diskutiert wird. Gerade für die Vorbereitung und Begleitung der Nutzung von Web 2.0 in Unternehmen ist die Qualifikation der Mitarbeiter/innen ein elementarer Bestandteil. Die Vorstellung, dass die Generation der Digital Natives diese Kompetenzen schon alle mitbringen, dürfte auch angesichts der hier vorgestellten Ergebnisse deutlich in Frage gestellt werden. Zu empfehlen ist diese Buch daher allen Wissenschaftlern sowie Bildungs- und Personalentwicklungsexperten, die sich mit den Herausforderungen der Nutzung von Web 2.0 und digitalen Medien in Unternehmen beschäftigen.
Rezension von
Dr. Matthias Rohs
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