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Doris Zeilinger: Wenn Mütter psychisch krank sind

Rezensiert von Dipl. Sozialpädagogin Christina K. Göttgens, 13.03.2012

Cover Doris Zeilinger: Wenn Mütter psychisch krank sind ISBN 978-3-639-24836-4

Doris Zeilinger: Wenn Mütter psychisch krank sind...Die Bedürfnisse psychisch kranker Mütter im Betreuten Wohnen - Handlungsansätze für die Sozialarbeit und andere helfende Professionen. VDM Verlag Dr. Müller (Saarbrücken) 2010. 100 Seiten. ISBN 978-3-639-24836-4. 49,00 EUR.

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Thema

Durch den in den letzten Jahren zunehmend geführten Fachdiskurs, der die Thematik „Familien mit einem psychisch kranken Elternteil“ aufgreift, ist die Beachtung der „Bedürfnisse psychisch kranker Mütter im Betreuten Wohnen“ ein für viele helfende Professionen interessanter und bisher wenig erforschter Teilaspekt. Mütter mit psychischen Erkrankungen stehen oftmals vor Problemen, die sie alleine nicht bewältigen können. Doch welche Unterstützungen im Kontext des Betreuten Wohnens gibt es überhaupt für Mütter mit einer psychiatrischen Diagnose und inwieweit decken sich diese Maßnahmen mit den Bedürfnissen der Betroffenen selbst? In dieser Veröffentlichung beschäftigt sich die Autorin vorwiegend mit diesen Fragestellungen.

Autorin

Doris Zeilinger ist als diplomierte Sozialarbeiterin im Handlungsfeld tätig und arbeitet in einem Mutter-Kind-Haus in Niederösterreich. Von 1992-1995 hat sie ihr Studium an der Bundesakademie für Sozialarbeit in St. Pölten sowie in den Jahren 2008-2009 an der Fachhochschule St. Pölten absolviert. Zwischenzeitlich war sie mehr als 10 Jahre als Mitarbeiterin eines Jugendamtes tätig.

Inhalt

Welche stationären Hilfen sind von Nöten, welche Hilfen gibt es überhaupt für psychisch kranke Mütter, wenn ein ambulantes Unterstützungsangebot nicht (mehr) ausreicht? Die Autorin vergleicht österreichische und deutsche Unterstützungseinrichtungen des Betreuten Wohnens für Mütter und ihre Kinder und beschreibt die Bedürfnisse speziell von psychisch kranken Müttern mit kleinen Kindern. Dabei basieren ihre Aussagen auf einer kleinen qualitativ angelegten empirischen Untersuchung.

Grundsätzlich weist die Autorin darauf hin, dass es in Österreich ihres Wissens nach keine (so wie in Deutschland schon vorhandenen) Mutter-Kind-Häuser speziell für psychisch kranke Mütter mit ihren Kindern gibt. So gibt es als betreute Wohnform für Mütter mit psychiatrischen Diagnosen in Österreich lediglich die Hilfen im Rahmen der Unterbringung in einem allgemeinen Mutter-Kind-Haus. Daraus leitet Zeilinger ihre Hauptfragestellung ab: Inwieweit werden die Bedürfnisse von psychisch kranken Müttern im Betreuten Wohnen beachtet? Sie unterscheidet dabei zwischen den Mütter-Kind-Häusern, die sich auf die Betreuung psychisch kranker Mütter und ihrer Kinder spezialisiert haben (Intensiv Betreutes Wohnen für psychisch kranke Mütter und ihre Kinder) und dem Betreuten Wohnen in so genannten allgemeinen Mutter-Kind-Häusern, in denen (einige wenige) psychisch kranke Mütter mit ihren Kindern mit anderen hilfebedürftigen Müttern und deren Kindern gemeinsam betreut werden.

Fokussiert wird v.a. die Sicht der betroffenen psychisch kranken Frauen selbst, wenngleich darüber hinaus u.a. auch Auswertungen von Expertinneninterviews mit professionellen Helferinnen verschiedener Institutionen in die Schlussfolgerungen der Autorin einfließen.

Der empirische Teil der Arbeit beinhaltet insgesamt sechs Interviews von Mütter mit einer psychiatrischen Diagnose, die in einem Mutter-Kind-Haus wohn(t)en; drei dieser Mütter wohn(t)en in einer allgemein betreuten Einrichtung in Österreich und die drei anderen Mütter im Intensiv Betreuten Wohnen für psychisch kranke Mütter in Süddeutschland. Alle sechs Frauen hatten zum Interviewzeitpunkt Kinder im Säuglings- bzw. Kleinkindalter und eine psychiatrische Diagnose (Borderline-Störung, Schizophrenie, schizoaffektive Psychose, Depression). Darüber hinaus hat die Autorin mit Mitarbeiterinnen verschiedener psychosozialer Institutionen Expertinneninterviews geführt.

Diskussion

Zeilinger geht u.a hypothetisch davon aus, dass psychisch kranke Mütter spezielle bzw. zusätzliche Bedürfnisse haben, die bei der zu erbringenden Unterstützung berücksichtigt werden muss – in Abgrenzung z.B. zu sehr jungen Müttern, die keine psychischen Auffälligkeiten zeigen. Auch geht die Autorin davon aus, dass gerade psychisch kranke Mütter ein besonders großes Bedürfnis nach Sicherheit haben, welches sich aus einer permanent gegenwärtigen Angst vor einer drohenden Inobhutnahme des Kindes durch das Jugendamt begründet. Letztlich positioniert sich Zeilinger klar hinsichtlich der Fragestellung, inwieweit es notwendig ist, (in Österreich) psychisch kranken Müttern ein spezielles Unterstützungsangebot im Rahmen des Betreuten Wohnens zu bieten. Die Publikation bietet lediglich einen kleinen Einblick in das sozialarbeiterische Handlungsfeld des Betreuten Wohnens für psychisch kranke Mütter. Mehr ist von der Autorin aber auch nicht gewollt und im Rahmen dieser Arbeit sicherlich auch nicht leistbar. Dennoch gelingt ihr zumindest einen ersten Einstieg in ein bisher weitestgehend unerforschtes Handlungsfeld. Anzumerken sei, dass gerade der wichtige letzte Teil der Veröffentlichung sehr mager ausgefallen ist. Das macht sich u.a. daran fest, dass der „Ausblick“ als eigenes Kapitel lediglich 19 Zeilen umfasst. Dabei könnten gerade an dieser Stelle die im Titel des Buches postulierten „Handlungsansätze für die Sozialarbeit und andere helfende Professionen“ ausführlich erarbeitet dokumentiert werden. Das sich daran anschließende letzte Kapitel 11 „Angebote für die Zielgruppe psychisch kranker Mütter mit ihren Kindern“ soll laut eigener Aussage einen Einblick in das „sozialarbeiterische Angebot“ geben. Gleichzeitig vermischt die Autorin an dieser, m.E. recht unpassenden Stelle, empirische Daten (z.B. Ergebnisse aus den Expertinneninterviews) mit der Auflistung vorhandener Unterstützungsangebote, die neben dem Betreuten Wohnen auch andere psychosoziale Hilfen umfassen. Das macht das Nachvollziehen der Forschungserkenntnis für LeserInnen schwierig. Insgesamt ist die Arbeit jedoch dank Zeilingers Schreibstil gut lesbar.

Alles in allem endet die Arbeit recht abrupt auf der Seite 71. Es folgen das Literaturverzeichnis und der Anhang; beide zusammen umfassen insgesamt 20 Seiten. Somit ist für meinen Geschmack für gerade einmal 71 Seiten „Netto-Fachliteratur“ der Preis für das Buch (49,- EUR) recht hoch gegriffen.

Fazit

Zeilinger ist es trotz aller Kritik gelungen, den LeserInnen das Thema „Die Bedürfnisse psychisch kranker Mütter im Betreuten Wohnen“ als ihre „Herzensangelegenheit“ zu vermitteln. Sie ist darum bemüht, herauszuarbeiten, dass psychisch kranke Mütter nicht per se die Erziehungskompetenz abgesprochen werden darf. Vielmehr wirbt sie um ein Verständnis für die Problemlagen und vor allem für die speziellen Bedürfnisse dieser Frauen. Aufgrund dieser Sichtweise ergeben sich dann letztlich einige Schlussfolgerungen, die den Betroffenen zu Gute kommen können.

Rezension von
Dipl. Sozialpädagogin Christina K. Göttgens
Promoviert zurzeit zum Thema „Evaluation von präventiven Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern: Grundpositionen, Diskurse und Konzepte. Eine sozialpädagogische Analyse.“ Diese Dissertation wird an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen bearbeitet und betreut.
Website

Es gibt 13 Rezensionen von Christina K. Göttgens.

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Zitiervorschlag
Christina K. Göttgens. Rezension vom 13.03.2012 zu: Doris Zeilinger: Wenn Mütter psychisch krank sind...Die Bedürfnisse psychisch kranker Mütter im Betreuten Wohnen - Handlungsansätze für die Sozialarbeit und andere helfende Professionen. VDM Verlag Dr. Müller (Saarbrücken) 2010. ISBN 978-3-639-24836-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12690.php, Datum des Zugriffs 05.06.2023.


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