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Horst Petri: Das Drama der Vaterentbehrung

Rezensiert von Dr. Carsten Rensinghoff, 24.01.2012

Cover Horst Petri: Das Drama der Vaterentbehrung ISBN 978-3-497-02264-9

Horst Petri: Das Drama der Vaterentbehrung. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2011. 7. Auflage. 200 Seiten. ISBN 978-3-497-02264-9.

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Thema

Das Thema ist die wirkliche Vaterlosigkeit und ihr existentiellen Auswirkungen auf die seelische und psychosoziale Entwicklung der von ihr betroffenen Kinder bzw. späteren Erwachsenen.

Autor

Der 1935 geborene Horst Petri ist ein in Berlin niedergelassener Nervenarzt, Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychoanlytiker.

Entstehungshintergrund

1999 bereits ist bei Herder-Spektrum das Drama der Vaterentbehrung von Horst Petri in der ersten Auflage erschienen. Die siebte Auflage wurde notwendig, um das Drama der Vaterentbehrung neu zu gewichten.

Aufbau

Das zu besprechende Werk gliedert sich in sechs Kapitel:

  1. Die „Vaterlose Gesellschaft“ – ein Phantom
  2. Warum brauchen Kinder einen Vater?
  3. Ein Vater kann auf verschiedene Weisen verloren gehen
  4. Wie die Umwelt die Bewältigung der Vaterentbehrung hemmen oder fördern kann
  5. Die Folgen der Vaterentbehrung
  6. Die Heilung des Traumas

Inhalte

Im ersten Kapitel widmet sich der Verfasser dem sich im Lauf der Zeit vollziehenden Ideologie- und Begriffswandel bezüglich der „Vaterlosen Gesellschaft“. Hier reichen die Bezüge von Sigmund Freud über Ernst Federn, Alexander Mitscherlich, die 68er Bewegung (diese Bwegung wollte keine vaterlose, sondern eine antiautoritäre Gesellschaft), die Frauenbewegung, einen SPIEGEL-Artikel – und dieser basierte im Herbst 1997 auf zahlreichen „Demonstrationen, Sitzblockaden, Hungerstreiks und […] (der – CR) Übergabe symbolischer Geschenke vor deutschen Gerichten […] von Vätern, die ihre Kinder nach Trennung oder Scheidung nicht mehr sehen dürfen“ (S. 15). – bis hin zum „Neuen Kindschaftsrecht.“

Kapitel 2 befasst sich mit der Macht des inneren Vaterbildes, die mit der Frage nach dem, wer ich bin, beginnt. Petri nimmt die Entwicklung der Vater-Kind-Beziehung in den Blick und tut dies über:

  • das Dreieck Mutter-Vater-Kind, was ab Beginn der 1970ger Jahre in dem Konzept der Triangulierung aufgeht und die Bedeutung des Vaters in den ersten drei Lebensjahren umschreibt;
  • der ersten ödipalen Phase,die sich in einem großen Vater und einem kleinen Kind zeigt;
  • der zweiten ödipalen Phase, welche das Vaterbild in der Pubertät markiert.

In Kapitel 3 spricht der Autor die verschiedenen Weisen an, die das Verlustigwerden des Vaters begründen, als da wären:

  • Vaterlosigkeit durch Krieg;
  • Vaterlosigkeit durch einen Verkehrsunfall;
  • Vaterlosigkeit durch Trennung.

In einem zweiten Schritt wird der Vaterverlust zwischen früher Kindheit und Pubertät betrachtet, in dem der Blick gerichtet wird:

  • auf den Vaterverlust in den ersten drei Lebensjahren;
  • den Vaterverlust in der ersten ödipalen Phase;
  • den Vaterverlust in der Pubertät.

In einem dritten Schritt widmet sich Horst Petri den Formen der Vaterabwesenheit. Hierbei handelt es sich „um eine unbestimmte Form der Vaterentbehrung, die durch ihre zahlreichen Muster eine einheitliche Definition erschwert“ (S. 63).

Wie nun die Umwelt die Bewältigung der Vaterentbehrung hemmen bzw. fördern kann ist Inhalt von Kapitel 4. Dies geschieht:

  • mit Blick auf die Veranlagung;
  • mit Blick auf die Mütter;
  • mit Blick auf die Geschwister;
  • mit Blick auf die Stief- und Ersatzväter;
  • mit Blick auf die sozialen Väter im außerfamiliären Raum;
  • mit Blick auf das verwandtschaftliche Netzwerk;
  • mit Blick auf das Haben oder Nichthaben von Geld;
  • mit Blick auf die Freunde;
  • mit Blick auf die Liebesbeziehungen und Partnerschaften der Vaterlosen.

Welches dann die Folgen der Vaterentbehrung sind, wird im fünften Kapitel aufgegriffen. „Das Thema der Vaterentbehrung macht […] eine genauere Betrachtung des Traumabegriffs notwendig“ (S. 136). Darauf folgend werden die seelischen und sozialen Auswirkungen betrachtet. Der Fokus wird hier gerichtet auf:

  • die Entwicklung der Intelligenz;
  • Gewissen und Moral;
  • die Geschlectsrollen;
  • das Bewegen in der Gesellschaft.

Im dritten Teil dieses Kapitels interessiert: „Kommt der Kreativität eine Funktion bei der Bewältigung eines Traumas zu und wenn ja, wie kann man sich die psychischen Prozesse vorstellen?“ (S. 151). Die generationenübergreifende Weitergabe des Traumas wird am Schluss von Kapitel 5 besprochen.

In Kapitel 6 wird die Theorie des psychischen Traumas bei Vorliegen der Vaterentbehrung diskutiert. Eine derartige Theorie ist die Basis für die Durcharbeitung der Vaterentbehrung, deren erster Schritt im Entwurf eines neuen Geschlechtervertrags begründet ist.“Sicher ist, dass nur durch eine grundlegende Neugestaltung der Geschlechterbeziehung auch das Trauma der Vaterentbehrung in seiner Dramatik entschärft und seine Heilung gefördert werden kann“ (S. 173).

Diskussion

Etwas umständlich empfinde ich als einhändiger Leser den Gebrauch von Endnoten. Zum Nachschlagen dieser Endnoten muss man dann immer auf die Seiten 193 ff umschlagen. Das stört den Lesefluss doch erheblich. Besser wäre hier – für die in den Endnoten enthaltenen nicht unwichtigen Informationen – die Verwendung von Fußnoten. Bei der Verwendung von Fußnoten kann dann auch von Barrierefreiheit gesprochen werden und käme der Inklusion von Leserinnen und Lesern mit einer Beeinträchtigung im motorisch-körperlichen Bereich nach!

Fazit

Für die in der Väterforschung Tätigen und an ihr Interessierten ein gutes und nützliches Werk. Aufgrund der guten Verständlichkeit kann das Buch auch dem „normalen“, also ohne über eine spezifische Fachkenntnis verfügenden, Leser empfohlen werden.

Rezension von
Dr. Carsten Rensinghoff
Teilhabeberater, EUTB – Verein zur sozialen und beruflichen Integration (VSBI e.V.) in Sangerhausen,
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Es gibt 167 Rezensionen von Carsten Rensinghoff.

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Zitiervorschlag
Carsten Rensinghoff. Rezension vom 24.01.2012 zu: Horst Petri: Das Drama der Vaterentbehrung. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2011. 7. Auflage. ISBN 978-3-497-02264-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12691.php, Datum des Zugriffs 29.03.2023.


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