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Sinikka Gusset-Bährer: Demenz bei geistiger Behinderung

Rezensiert von Prof. Dr. Carsten Rensinghoff, 16.03.2012

Cover Sinikka Gusset-Bährer: Demenz bei geistiger Behinderung ISBN 978-3-497-02271-7

Sinikka Gusset-Bährer: Demenz bei geistiger Behinderung. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2012. 240 Seiten. ISBN 978-3-497-02271-7. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 40,90 sFr.

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Thema

Die Publikation beinhaltet „eine umfassende und verständliche Einführung in die verschiedenen Formen von Demenz und ihre Diagnostik bei Menschen mit geistiger Behinderung“ (Klappentext).

Autorin

Sinikka Gusset-Bährer ist Diplomgerontologin. Sie ist Dozentin in der Fort- und Weiterbildung zum Thema Alter und Altern. Außerdem ist die Autorin Beraterin in Einrichtungen der Gerontologie und unterstützt diese bei gerontologischen Fragestellungen.

Gusset-Bährer wurde 2004 an der Universität Heidelberg mit einer Dissertation promoviert, die sich mit älteren Menschen mit geistiger Behinderung im Übergang in den Ruhestand befasst. Die Arbeit ist unter der URL http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/volltexte/2004/4837/ abrufbar.

Aufbau

Das zu besprechende Buch ist folgendermaßen strukturiert:

  1. Einleitung
  2. Formen von Demenzerkrankungen und ihre diagnostische Kriterien
  3. Symptome von Demenzerkrankungen bei Menschen mit geistiger Behinderung
  4. Die Diagnose einer Demenzerkrankung bei Menschen mit geistiger Behinderung
  5. Wie eine Demenzerkrankung erlebt wird
  6. Lebensort und Lebensqualität von demenzkranken Menschen mit geistiger Behinderung
  7. Milieutherapie – Gestaltung der baulichen, organisatorischen und psychosozialen Umwelt für Demenzkranke
  8. Therapeutische Ansätze bei Demenzerkrankungen
  9. Pflege und Palliative Care bei Demenzerkrankungen
  10. Aufbau einer Versorgungsstruktur für Demenzkranke mit geistiger Behinderung.

Inhalte

Nach der Sndromdefinition Demenz und den Kriterien einer Demenzerkrankung diskutiert die Autorin:

  • die Demenz vom Alzheimer-Typ;
  • vaskuläre Demenzen;
  • die gemischte Demenz;
  • die frontotemporalen Lobärdegenerationen;
  • die Lewy-Körperchen-Demenz;
  • die Demenz bei primärem Parkinson-Syndrom und
  • die sekundären Demenzen.

Einer Darstellung der Stadien der Demenzerkrankungen folgt die Diskussion der Häufigkeit von Demenzerkrankungen, unter dem Aspekt der Inzidenz und Prävalenz von Demenzerkrankungen in der Allgemeinbevölkerung und der Inzidenz und Prävalenz von Demenzerkrankungen bei geistiger Behinderung. Eine besondere Betrachtung erfährt die Demenz vom Alzheimer-Typ bei Personen mit Down-Syndrom. Bei letztgenanntem Personenkreis werden unterschiedliche Risikofaktoren betrachtet:

  • genetische Disposition
  • Geschlecht
  • Apolipoprotein E Gen (ApoE)

Als weitere Risikofaktoren werden z. B. besprochen:

  • Bluthochdruck;
  • Diabetes mellitus;
  • hoher Spiegel an Homocystein;
  • Nikotinmissbrauch;
  • Alkoholmissbrauch;
  • Schädel-Hirntrauma;
  • deutliches Übergewicht.

Zu dem Genannten werden z. B. als Schutzfaktoren besprochen:

  • gesunde Ernährung;
  • körperliche Bewegung;
  • höhere Intelligenz;
  • das Bildungsniveau;
  • der anspruchsvollere Beruf;
  • entzündungshemmende Medikamente;
  • Antioxidanzien.

„Keiner dieser Risiko- und Schutzfaktoren wirkt sich alleine aus, sondern stets in Kombination mit anderen Risiko- und Schutzfaktoren“ (S. 47).

Die Symptome von Demenzerkrankungen bei Menschen mit geistiger Behinderung diskutiert Gusset-Bährer über:

  • die frühen Symptome einer Demenzerkrankung bei Personen mit Down-Syndrom;
  • die mittleren und späten Symptome der Demenzerkrankung bei Personen mit Down-Syndrom;
  • die leichten kognitiven Störungen, dem sog. mild cognitive impairment, bei Menschen mit Down-Syndrom
  • die Anzeichen einer Demenzerkrankung bei Menschen mit geistiger Behinderung ohne Down-Syndrom.

Die Befassung mit der Diagnose einer Demenzerkrankung bei Menschen mit geistiger Behinderung erfolgt anhand:

  • der S3-Leitlinie „Demenzen“;
  • der Anwendung der S3-Leitlinie „Demenzen“ auf die Diagnose Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung;
  • der Darstellung der Bedeutung einer formalen Diagnose

Wie nun eine Demenzerkrankung von Menschen mit geistiger Behinderung erlebt wird, beschreibt die Autorin:

  • über das Selbstbild von Demenzkranken;
  • über die Erklärungsversuche von Demenzkranken;
  • über die Bewältigungsstrategien von Demenzkranken;
  • über den emotionalen Ausdruck von Demenzkranken,

Weiter bespricht die Verfasserin das Erleben der Demenzerkrankung durch:

  • die Mitbewohner. Hier wird sich u. a. auf Untersuchungen aus Großbritannien bezogen;
  • die Mitarbeiter in Wohnformen;
  • pflegende Angehörige.

Der Lebensort und die Lebensqualität von demenzkranken Menschen mit geistiger Behinderung erfahren ihre Besprechung unter den Aspekten:

  • demenzkranke Menschen mit geistiger Behinderung bei Angehörigen;
  • in Wohnformen der Behindertenhilfe;
  • Angebote für Menschen mit einer Demenzerkrankung vonseiten der Altenhilfe, z. B. über ambulante Angebote, teilstationäre Angebote, stationäre Angebote, Wohnberatungsstellen oder dem Hospiz;
  • Verbleib des demenzkranken Bewohners an seinem Lebensort, beispielsweise der voll- oder teilstationären Wohnform oder dem ambulant betreuten Wohnen;
  • zweier Modelle zur Betreuung von Demenzkranken mit geistiger Behinderung, nämlich das „Alzheimer-Projekt“ in Massachusetts als frühes Modell für die Betreuung von Demenzkranken in teilstationären Wohnformen und die ambulant betreute Wohngemeinschaft für Demenzkranke mit geistiger Behinderung in Hamburg;
  • des Umzugs eines demenzkranken Bewohners in eine Pflegeeinrichtung;
  • des Heidelberger Instruments zur Erfassung von Lebensqualität bei Demenz (H.I.L.D.E.)

Wie ist nun die bauliche, organisatorische und psychosoziale Umwelt für Demenzkranke zu gestalten? Dieser Frage widmet sich die Autorin über die Aspekte:

  • der räumlichen Umwelt – Erhöhung der Sicherheit, Beeinflussung der Wahrnehmung, erleichterte Orientierung, Förderung von Bewegung und Beschäftigung;
  • der organisatorischen Umwelt – organisatorische Strukturierung des Tages und der Nacht, inhaltliche Strukturierung des Tages;
  • der psychosozialen Umwelt – soziale Kompetenzen von Mitarbeitern als Ressource, Kommunikation, validierende Grundhaltung, Erinnerungspflege, Prä-Therapie, Berührung, basale Stimulation, multisensorische Stimulation (Snoezelen).

Als therapeutische Ansätze werden vorgestellt:

  • Ergotherapie;
  • Musiktherapie;
  • Verhaltenstherapie;
  • medikamentöse Therapie.

Das Kapitel Pflege und Palliative Care bei Demenzerkrankungen nimmt zunächst die allgemeine Verschlechterung des Gesundheitszustandes in den Blick. „Mit zunehmenden Alter und mit Fortschreiten der Demenzerkrankung nehmen Symptome und Einschränkungen im neurokognitiven und im funktionellen Bereich zu“ (S. 199). Ein weiteres Thema dieses Kapitels ist das Schmerzerleben, welches bislang bei alten Menschen mit geistiger Behinderung zu wenig beachtet wurde. Thematisiert werden weiter Schluckstörungen und Sterbebegleitung.

Der Aufbau einer Versorgungsstruktur für Demenzkranke mit geistiger Behinderung erfolgt über die Bewertung der Betreuung und Pflege durch Dementia Care Mapping.

Fazit

In einer Zeit, in der die Menschen immer älter werden und über dieses Älterwerden, aber u. U. auch schon zu einem früheren Zeitpunkt, eine Demenz entwickeln ist dieses Buch für den Umgang von Menschen mit Demenz bei Vorliegen einer geistigen Behinderung eine sehr wertvolle Hilfe. Mir ist eine derartige Veröffentlichung für den Bereich geistige Behinderung nicht bekannt.

Rezension von
Prof. Dr. Carsten Rensinghoff
Hochschullehrer für Heilpädagogik und Inklusive Pädagogik an der DIPLOMA Hochschule
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Es gibt 186 Rezensionen von Carsten Rensinghoff.

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ISSN 2190-9245