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Ruth Brack, EnitH-CH (Hrsg.): Minimalstandards für die Aktenführung in der Sozialarbeit

Rezensiert von Dipl.Soz.-Arb. Meinolf Westerkamp, 24.02.2004

Cover Ruth Brack,  EnitH-CH (Hrsg.): Minimalstandards für die Aktenführung in der Sozialarbeit ISBN 978-3-906413-19-8

Ruth Brack, EnitH-CH (Hrsg.): Minimalstandards für die Aktenführung in der Sozialarbeit. Vorschlag zur Vereinheitlichung der Erfassung von Merkmalen zu Klient- beziehungsweise Beratungsdaten. Interact Verlag Hochschule Luzern (Luzern) 2003. 4., vollständig überarbeitete Auflage. 95 Seiten. ISBN 978-3-906413-19-8. 18,50 EUR. CH: 27,80 sFr.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Das Thema

Die aktuelle Lage in der Sozialen Arbeit, bedingt durch die wirtschaftliche Lage, die Qualitätsdebatte, die Neue Steuerung in der Verwaltung und nicht zuletzt die zunehmende Nutzung der elektronischen Datenverarbeitung bringt viele unterschiedliche Dokumentationssysteme hervor; kaum eines gleicht dem anderen, die Tendenz geht eher in Richtung Unterscheidung voneinander als auf das Merkmal der Vergleichbarkeit von Daten, Aufgaben, Leistungen hin.

Selbst die Informatisierung der Arbeitsplätze hat da nur wenig abgeholfen, denn: für die eigene Dienststelle werden für die Erhebung vergleichbarer Daten immer noch unterschiedliche Bezeichnungen gewählt oder Verschiedenartiges zusammengebracht. Immer wieder wird darüber geklagt, daß weitgehend unstrukturierte Informationen und Daten erfaßt werden, die z.B. eine übergreifende Auswertung unmöglich machen.

Die Informatisierung der Arbeitsplätze hat andererseits dazu geführt, daß sich die Aktenführung wesentlich verändert hat. Von der Industrie entwickelte Programme lassen sich nur bedingt nutzen und eine Verständigung von Einrichtungen oder auch nur der Institutionen, die ständig zusammenarbeiten, untereinander über notwendige Standards bei der Dokumentation findet kaum statt. In dieser Situation will der vorliegende Band Wege aufzeigen.

Die Autoren

Als Herausgeber fungiert die enith-CH, ein Zusammenschluß von Fachkräften und Organisationen im schweizerischen Sozialbereich, die am Erfahrungsaustausch und an der Weiterentwicklung von Informatikdiensleistungen für das Sozialwesen interessiert sind. enith-Ch will den Entwicklungsprozess in diesem Bereich mitgestalten und so zur Verbesserung der Dienstleistungen für die Nutzer sozialer Dienste beitragen und die Fachkräfte der sozialen Arbeit bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen und entlasten.

Ruth Brack ist als Autorin verschiedener Themen zur Handlungslehre in der Sozialarbeit, speziell auch zum Thema Aktenführung bekannt. Der Band wird in der 4. vollständig überarbeiteten Fassung vorgelegt.

Der Inhalt

Mit dem Band soll ein grundlegendes Konzept vorgelegt werden, das möglichst in allen Institutionen im gesamten Berufsfeld Sozialer Arbeit - wenn auch gfls modifiziert - Anwendung finden kann. Vor allem geht es hier um die ambulante Soziale Arbeit mit kleinen Sozialsystemen (Einzel, Familien- und Gruppenberatung).

Damit das möglich ist, ist die Entwicklung guter Klassifikationen für einzelne Sachgebiete dringend und wichtig, ein bisher vollständig vernachlässigter Wissensbereich in der sozialen Arbeit. Obwohl praktisch jede Dienststelle und jeder Sozialarbeiter früher oder später in die Situation kommt eine Systematik von z.B. Klientenproblemen oder im Zuge der Produktorientierung von Dienstleistungen "zu erfinden", gibt es kaum Zusammenarbeit und Abstimmung untereinander

Solche Klassifikationen sollen die Einordnung und Systematisierung von berufspezifischen fachlichen Bezeichnungen ermöglichen, Leistungen einschätzbar, vergleichbar und auswertbar machen.

Dafür haben sich die Herausgeber vorgenommen:

  • Die beiden Klassifikationen (der Klientenprobleme und der Dienstleistungen) müssen professionellen Standards entsprechen und für alle Arbeitsfelder gültig sein und sie müssen minimalen wissenschaftlichen Anforderungen genügen.
  • Die Grundstruktur einer professionellen Dokumentation von Klienten- bzw. Beratungsdaten soll die Systematik einer fachlich vertretbaren Aktenführung (erforderlich und ausreichend) aufzeigen.
  • Es sind Minimalkriterien für den Schutz und den Zugang zu digitalen Klienten- und Beratungsdaten zu definieren.
  • Schließlich will man mit diesem Band eine Verbindung zur Qualitätssicherung im Rahmen der Produktorientierung herstellen.

Das Hauptziel aber ist, eine möglichst hohe Übereinstimmung bei den in allen Praxisfeldern der Sozialarbeit verwendeten Merkmalsstrukturen zu erreichen, um deren Vergleichbarkeit für verschiedene Entwicklungsaufgaben in der Sozialarbeit zu erleichtern.

Zunächst wird die Grundstruktur einer einwandfreien Dokumentation von Klienten- bzw. Beratungsdaten aufgezeigt, (es handelt sich also nicht um eine Anleitung zur Aktenführung!). Diese Grundstruktur besteht aus den Phasen

  • Erfassung der Ausgangssituation des Klientsystems
  • Zielsetzung und Handlungsplan
  • Dokumentation des laufenden Behandlungsprozesses und
  • Fallabschluß-Dokumentation,

die dargestellt, kurz erläutert und denen die entsprechenden Dokumente zugeordnet werden.

Danach werden drei Übersichten / Kataloge vorgestellt, die den Rahmen der Dokumentation bilden. Im einzelnen sind dies

  1. der Katalog der Stammdaten (einschl. einiger unter bestimmten Bedingungen sinnvoller Anhänge)
  2. eine Übersicht über die Klassifikation der klientbezogenen Probleme, und
  3. eine Übersicht über die Klassifikation der Dienstleistungen an Klientensystemen.

Die Herausgeber haben sich bei der Entwicklung dieser Kataloge vor allem an der Systemischen Denkfigur orientiert, wie sie von Silvia Staub-Bernasconi und Kaspar Geiser entwickelt wurden. Dabei lassen sie sich von dem Prinzip leiten, daß nur die Daten erfasst werden, die für die Arbeit nötig sind, die möglichst allgemein formuliert sein sollen, damit die Daten untereinander verglichen / ausgewertet werden können.

Deshalb wird bei den Stammdaten z.B. ein 3-teiliges Konzept vorgestellt, das je nach Art der Dienststelle ganz oder teilweise angewendet werden kann.

Es handelt sich also um kein starres Konzept, das nicht veränderbar ist, sondern es wird ein minimaler Standard formuliert, der in allen Bereichen eingehalten werden kann und der ausreicht konkrete Aussagen über die Arbeit zu machen.

Damit werden Grunddaten für eine Sozialarbeitsforschung geliefert aber auch Daten, die im Rahmen der Neuen Steuerung der Öffentlichen Verwaltung zur aktuellen und konkreten Aufgabenbestimmung / Schwerpunktbestimmung in der Sozialen Arbeit genutzt werden kann.

Für die Autoren ist es wichtig, die Daten festzulegen, die von allgemeiner Bedeutung für das gesamte Berufsfeld sind und es geht ihnen vor allem, daß die Datenerhebung nicht zufällig und beliebig vorgenommen wird.

Gleiches Prinzip gilt für die Klassifikation der klientbezogenen Probleme. Erfaßt werden an erster Stelle die zu bearbeitenden bzw. die tatsächlich bearbeiteten Probleme (und nicht was sonst noch beobachtet wurde und interessant zu wissen wäre). Nutzt man die vorgeschlagene Problemklassifikation ergibt sich eine interorganisatorische Vergleichbarkeit, die im Rahmen der Qualitätsdiskussion zwar gewünscht ist aber in den einzelnen Dienststellen häufig unterlaufen wird durch "selbst erfundene" Klassifikationen.

Mit der Klassifikation der Dienstleistungen wird ein Beitrag zur Standardisierung und damit zur Qualitätsentwicklung geleistet. Es werden Minimalstandards für Dienstleistungen formuliert, auf die sich Klienten "verlassen" können, und die Autoren beanspruchen, eine Klassifikation vorzulegen, in der alle professionellen Dienstleistungen an Klientsysteme berücksichtigt sind.

Zu den Tabellen werden jeweils Erläuterungen gegeben, die die Systematik gut nachvollziehbar machen, die einzelne benutzte Begriffe inhaltlich näher bestimmen und mit konkreten Beispielen illustrieren.

Der Band enthält zwei weitere kurze Beiträge von Urs Vogel (Technische und organisatorische Aspekte des Datenschutzes) über den verantwortungsbewußten Umgang mit Daten im Informationszeitalter und von Orazio De David zur Nutzung von E-mail und Internet in der Sozialen Arbeit. In beiden Beiträgen geht es um es um den Entwurf von einfachen und knappen und hilfreichen Regeln für die praktische Arbeit.

Zielgruppe

Das Buch ist interessant für alle SozialarbeiterInnen im Bereich ambulanter Sozialarbeit, speziell aber auch diejenigen, die gerade dabei sind oder noch vor sich haben, neue Klassifikationen im eigenen Bereich zu entwickeln oder die mit Software konfrontiert sind, an deren Entwicklung sie nicht beteiligt waren. Herstellerfirmen von Software für den Sozialen Bereich wie Personen, die auf Planungsebene mit dem Thema Dokumentation in Institutionen konfrontiert sind, sollten sich mit dem Text auseinandersetzen. Letztlich kann aber jeder Arbeitsbereich in der Sozialen Arbeit von diesen grundlegenden Ausführungen profitieren, denn die Systematik in diesem Buch ist das Interessante, nicht die konkreten Einzelheiten.

Diskussion

Der vorliegende Band stammt aus der Schweiz, fußt auf der Arbeitssituation in diesem Land und muß deshalb in Deutschland natürlich mit entsprechendem "Abstand" gelesen werden. Die Rahmenbedingungen der Sozialen Arbeit sind in der Schweiz halt teilweise anders und in Deutschland ungewohnte Begriffe müssen angepasst werden. Wer sich aber mit diesen Katalogen ausführlich beschäftigt wird feststellen: So könnte es gehen! So kann eine Dokumentation in der Sozialen Arbeit aussehen, die ausreichenden Überblick über die Arbeit gibt ohne einen unvertretbaren Mehraufwand bei der Erstellung zu verlangen. Es geht nämlich immer "nur" darum, die Arbeitsanlässe (Probleme), die einzelnen Leistungen so zu beschreiben, dass für alle Beteiligten klar ist, was damit gemeint ist. D.h. es muß ein Rahmen vorhanden sein, in dem das aktuelle Angebot einer Dienststelle dargestellt werden kann. Das ist auch mit diesem "Rahmen" aus der Schweiz hervorragend möglich. Ich sehe hier eine gute Möglichkeit, die Professionalität von Sozialarbeit mit konkreten Begriffen fassbar und nachvollziehbar, aber auch überprüfbar zu machen. Allerdings setzt das voraus, daß SozialarbeiterInnen in den verschiedensten Einrichtungen sich mit diesen Klassifikationen auseinandersetzen und sie ihren Verhältnisse anpassen ohne sie grundlegend zu ändern (d.h. die Kategorien mit den entsprechenden Inhalten zu füllen). Damit wären nicht nur gute Voraussetzungen gegeben, um über die praktische Arbeit Daten für die Planung des Sozialen und die Steuerung von Hilfen in prekären Situationen zu gewinnen, sondern hier liegt auch eine gute Möglichkeit, die Fachterminologie in der Sozialen Arbeit weiterzuentwickeln.

Fazit

Ein gutes und wesentliches Buch, das dem Leser bei der Umsetzung auf den eigenen Bereich möglicherweise intensivere Überlegungen abverlangen wird, denn eine direkte Übertragung scheint nur bedingt möglich. Aber das ist vielleicht gerade das spannende: weiterdenken ist angesagt!

Rezension von
Dipl.Soz.-Arb. Meinolf Westerkamp
Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Sozialarbeit
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Es gibt 19 Rezensionen von Meinolf Westerkamp.

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ISSN 2190-9245