Christoph Nix, Winfried Schütz: Einführung in das Jugendstrafrecht für die soziale Arbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Renate Oxenknecht-Witzsch, 07.03.2012

Christoph Nix, Winfried Schütz: Einführung in das Jugendstrafrecht für die soziale Arbeit.
UTB
(Stuttgart) 2011.
176 Seiten.
ISBN 978-3-8252-3216-0.
D: 16,90 EUR,
A: 17,40 EUR,
CH: 31,00 sFr.
Reihe: UTB - 3216.
Autoren
Die Autoren sind Experten des Jugendstrafrechts als Hochschullehrer, Rechtsanwalt oder Richter.
Thema
Das Jugendstrafrecht gehört zu den rechtlichen Grundlagen, die Studierende der Sozialen Arbeit und Sozialarbeiter/innen in Praxisfeldern der Jugendarbeit und Jugendhilfe kennen und anwenden können müssen. Insbesondere im Arbeitsfeld der Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe ist das Jugendstrafrecht von eminenter Wichtigkeit. Das Buch ist als Lehrbuch aufgebaut, das heißt es beinhaltet eine systematische Darstellung des Jugendstrafrechts.
Aufbau und Inhalte
Das Buch ist in 13 Paragrafen gegliedert:
- § 1 Einleitung
- § 2 Geschichte des Jugendstrafrechts
- § 3 Ursachen und Erscheinungsformen von Jugendkriminalität
- § 4 Ziele des Jugendstrafrechts
- § 5 Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts
- § 6 Rechtsfolgen der Jugendstraftat
- § 7 Jugendstrafe – U-Haft-Sicherungsverwahrung
- § 8 Diversion und informelle Reaktionen
- § 9 Jugendstrafverfahren und Jugendgerichtsverfassung
- § 10 Jugendgerichtshilfe
- § 11Vollstreckung und Registrierung
- § 12 Jugendstrafvollzug
- § 13 Perspektiven: Der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht oder Milde und Verantwortung?
Im Anhang folgt ein Literaturverzeichnis und ein Sachregister.
Die Einleitung beginnt mit einer persönlichen Geschichte und grundsätzlichen Überlegungen zur Bedeutung des Jugendstrafrechts.
Die Geschichte des Jugendstrafrechts zeigt die Entwicklung von 1923 bis zur Gegenwart und bezieht auch geistesgeschichtliche Hintergründe, wie die Reformpädagogik ein.
Im Abschnitt über Ursachen und Erscheinungsformen von Jugendkriminalität wird zunächst klar gestellt, dass Jugendkriminalität normal und ubiquitär ist. Die Ausführungen werden durch Statistiken, unterschiedliche Forschungsansätze hinsichtlich der Erfassung von Jugenddelinquenz sowie Theorien über (Jugend-)Kriminalität ergänzt. Hinsichtlich der Ziele des Jugendstrafrechts werden der Erziehungsgedanke und die Aufgaben der Jugendhilfe erörtert.
Einen Schwerpunkt bildet der Abschnitt über die Sanktionen der Jugendstraftat. Zunächst wird hier das Verhältnis von jugendstrafrechtlichen Sanktionen zum Elternrecht untersucht. Dann werden die einzelnen Sanktionen, wie Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel, Maßnahmen sowie Nebenfolgen und Nebenstrafe erläutert. Die Erziehungsmaßregeln (Erteilung von Weisungen und Anordnung von Erziehungsbeistandschaft oder Heimerziehung) bilden in der Praxis sicher die häufigste Sanktionsform. Die einzelnen Weisungen werden dargestellt. Als in der Praxis besonders beliebt, wird die Weisung, Arbeitsleistung zu erbringen, kritisch hinterfragt, die rechtlichen Grenzen werden aufgezeigt.
Die Jugendstrafe als einzige echte Kriminalstrafe (S. 111) wird mit den rechtlichen Voraussetzungen erläutert. In diesem Abschnitt werden auch Fragen der U-Haft und der Sicherungsverwahrung dargestellt. So wird der Begriff "schädliche Neigungen" als eine Voraussetzung für die Verhängung von Jugendstrafe von seiner Entstehungsgeschichte sowie der wissenschaftlichen Diskussion wie der Rechtsprechung erklärt.
Im Abschnitt über Diversion und informelle Reaktionen wird der Begriff erklärt, die unterschiedlichen Formen der Verfahrenseinstellung werden erläutert (Absehen der Verfolgung, Verfahrenseinstellung nach §§ 47 JGG, 153, 153a StPO und nach BtMG).
Im Abschnitt über Jugendstrafverfahren und Jugendgerichtsverfassung wird der Aufbau der Jugendgerichtsbarkeit dargestellt, und es werden Fragen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit sowie Besonderheiten des Jugendgerichtsverfahrens, wie Beschränkung der Rechtsmittel, vereinfachtes Jugendverfahren und Beteiligte des Jugendgerichtsverfahrens erläutert.
Die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe werden in einem weiteren Abschnitt erörtert und behandeln insbesondere Fragen des Selbstverständnisses der Jugendgerichtshilfe und der Aufgabenwahrnehmung (Ermittlungs- und Entscheidungshilfe, Haftentscheidungshilfe, Teilnahme an der Hauptverhandlung, Überwachung der Erfüllung richterlicher Weisungen und Auflagen, Betreuung und Aufsicht im Fall einer Betreuungsweisung, Zusammenarbeit mit dem Bewährungshelfer und Betreuung während des Vollzugs). Auch der Rollenkonflikt der Jugendgerichtshilfe wird thematisiert.
Themen, wie Vollstreckung und Registrierung und Jugendstrafvollzug bilden den Abschluss. Das Buch endet mit einem Ausblick, dass sich das Jugendstrafrecht wandeln könnte in ein Recht, das mehr auf Hilfe als auf Strafe setzt. Ein entsprechender Vorschlag des Strafprozessrechtler Karl Peters auf dem 13. Jugendgerichtstag im Jahre 1966 wird als Perspektive aufgegriffen.
Zielgruppe
Als Lehrbuch richtet sich das Werk zunächst an Studierende und Lehrende, insbesondere in Studiengängen der Sozialen Arbeit. Das Buch geht aber weit über ein Lehrbuch hinaus und richtet sich auch an den oder die erfahrene/n Praktiker/in.
Fazit
Das Buch stellt eine Gesamtdarstellung des Jugendstrafrechts dar, das als Lehrbuch hervorragend geeignet ist, einmal wegen der klaren rechtlichen Erläuterungen und der Fülle an Literatur- und Rechtsprechungshinweisen, aber auch wegen der vielen ideengeschichtlichen Ergänzungen und Überlegungen. Für die Praxis der Jugendgerichtshilfe, der Bewährungshilfe und andere Felder der Jugendarbeit ist das Buch ein unverzichtbares Handwerkszeug für die tägliche Arbeit und für ein Verständnis einer Jugendgerichtshilfe, für die der Erziehungsgedanke im Vordergrund steht. Das Buch ist äußerst empfehlenswert.
Rezension von
Prof. Dr. Renate Oxenknecht-Witzsch
Em. Professorin für Recht mit Schwerpunkt im Arbeits-, Sozial- und Familienrecht an der Fakultät für Soziale Arbeit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
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