Schweizerisches Rotes Kreuz (SRK) (Hrsg.): Transkulturelle Public Health
Rezensiert von Dr. Eva-Maria Beck, 07.05.2012
Schweizerisches Rotes Kreuz (SRK) (Hrsg.): Transkulturelle Public Health. Ein Weg zur Chancengleichheit.
Seismo-Verlag Sozialwissenschaften und Gesellschaftsfragen
(Zürich) 2012.
250 Seiten.
ISBN 978-3-03-777106-8.
26,00 EUR.
CH: 38,00 sFr.
Reihe: Gesundheit und Integration - Beiträge aus Theorie und Praxis.
Thema
Laut WHO gehören Menschen mit Migrationsgeschichte in Europa zu den besonders benachteiligten Gruppen. In diesem Buch werden Aspekte der Chancenungleichheit gesundheitlicher Versorgung ebenso formuliert wie die Möglichkeiten und Notwendigkeiten hinsichtlich eines optimierten Public Health Settings für alle in der Schweiz und international.
Herausgeber
Das Schweizerische Rote Kreuz als Herausgeber der Reihe ‚Gesundheit und Integration‘, begegnet der Thematik schon seit Jahren mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Parallel zur Publikation des siebten Bandes wurden sogleich praktische Tatsachen geschaffen und ein E-learning-Tool zum Erwerb transkultureller Kompetenz für Pflegefachpersonen herausgegeben.
Aufbau und Inhalt
Hier kommen Autorinnen und Autoren mit großem Expertenwissen in den unterschiedlichen Facetten transkultureller Gesundheitsversorgung zu Wort. Unterbrochen werden die vielfältigen Beiträge von Statements angefragter Fachpersonen zu konkreten Fragestellungen. Zur schnellen Orientierung geht allen Beiträgen eine Zusammenfassung in deutscher und französischer Sprache voraus. Einige Artikel und Statements liegen nur in französischer Sprache vor. Das Buch endet mit einer Vorstellung der thematischen Verortung der Autorinnen und Autoren.
Geleitwort und Vorwort erklären das Interesse des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) an Gesundheitsförderung und Prävention für alle und überall. Das SRK sieht darin eine ihrer Kernaufgaben im Sinne des ethischen Leitgedankens der weltweiten Rotkreuzbewegung: „Der Mensch ist immer und überall Mitmensch“ (A. Hubert-Hotz, Vorwort S.9). Ein besonderes Augenmerk legt das SRK dabei auf Menschen mit Migrationsgeschichte. In den folgenden Seiten wird diskutiert, mit welchen Interventionsstrategien deren Gesundheitssituation zu begegnen ist. Eine erste Klärung der Begrifflichkeiten ‚Public Health‘ und ‚Transkulturelle Kompetenz‘ geleiten in die Thematik. Die Einleitung vertieft die Vorgedanken, erläutert dabei die Auswahl der sich anschließenden Beiträge und vermittelt einen umfassenden inhaltlichen Eindruck.
Der Übersichtsartikel (D. Domenig) beleuchtet die gesundheitlichen Chancenungleichheiten auf politischer, institutioneller und interaktiver Ebene. Im Zuge der Integrationsdiskussionen von Menschen mit Migrationsgeschichte zeigt sich die Forderung nach gleichen gesundheitlichen Chancen für alle aktuell wie nie. Dabei wird deutlich, dass über die Grenzen der Schweiz hinweg anzutreffende soziale Determinanten als Ursachen eine entscheidende Rolle spielen.
Gefährliche Trends wie die Kommerzialisierung von Gesundheitsangeboten und Spezialisierung von Krankheiten kontrollierenden Behandlungen bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Gesundheitsvorsorge werden beschrieben. Die Entscheidung zu gesundheitsgefährdendem Verhalten ist nicht nur in der Unwissenheit des Einzelnen zu suchen, sondern wird maßgeblich von strukturellen Determinanten und den Lebensbedingungen beeinflusst. Die Autorin resümiert, dass gesundheitliche Chancengleichheit für alle bedeutet, diese sozialen Determinanten entsprechend zu verändern. Die Psychologin M.-L. Ernst unterlegt in ihrem Statement diese Einschätzung mit einer eindrücklichen Fallgeschichte.
Bei Menschen mit Migrationsgeschichte potenzieren sich die von Domenig ausgeführten Probleme. Oftmals reduziert sich die Beschäftigung mit Menschen mit Migrationsgeschichte im gesundheitlichen Kontext auf Gruppenstereotype, die den individuellen Lebenssituationen nicht gerecht werden und gleichzeitig potentielle Gemeinsamkeiten verdecken. Neben dem sogenannten Kulturhintergrund und der Erkrankung selbst sollten die konkreten Lebensbedingungen im Fokus Gesundheit stärker berücksichtigt werden.
Die hier zugrunde gelegte ‚transkulturelle Kompetenz‘ als wichtiger Einflussfaktor zur gesundheitlichen Chancengleichheit auf der interaktiven Ebene wird im nächsten Beitrag von A. Kayser und R. Bühlmann definiert und abgegrenzt von den Begriffen multi- und interkulturell. Transkulturalität hinsichtlich der Personalentwicklung im Gesundheitswesen wird hier ebenso thematisiert wie die Bedeutung dieses Blickwinkels als Basis für eine gelungene Kommunikation und Betreuung von Menschen mit Migrationsgeschichte.
„Transkulturell pflegen bedeutet, jedem Menschen in wertschätzender Haltung und mit zurückhaltender Neugier zu begegnen und mich zu freuen, ihn kennen zu lernen unter Berücksichtigung meiner und seiner Lebensbiographie im Pflegeprozess“ (D. Domenig: Professionelle Transkulturelle Pflege, Bern, 2001, S.152). In den folgenden Beiträgen wird die Transkulturalität als unabdingbare Perspektive in der Gesundheitsförderung und Prävention anhand von Beispielen aus der Praxis erläutert. Dabei kommt nicht nur die Pflege zu Wort, Beiträge der stationären und ambulanten medizinischen Versorgung mit unterschiedlichen Problemfeldern (z.B. Sucht und psychische Erscheinungen) runden das Bild ab. Den Abschluss bildet ein Artikel zur Gesundheitsförderung im Rahmen von Gesundheitsprojekten der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA in Tansania und Mosambik von K. Gross. Damit wird die Brücke gespannt zwischen ‚Transkultureller Public Health‘ und Entwicklungszusammenarbeit.
Diskussion
„Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet…“, so steht es in Artikel 25 der international ratifizierten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948. Ein „Recht auf“ bedeutet für die einzelnen Gesellschaften Strukturen zu schaffen im nationalen wie im internationalen Kontext, worin sich diese postulierten Menschenrechte nachhaltig entwickeln können. Dazu ist es notwendig, dass auf den unterschiedlichen sozialen Vernetzungsebenen aktiv in die Geschehnisse eingegriffen wird. Gesundheitliche Chancengleichheit benötigt ebenso eine stabile wirtschaftliche und soziale Lebensgrundlage wie eine globale Kommunikationsatmosphäre des Aufeinander – Zugehens. Diese unterschiedlichen Ebenen werden von den Autorinnen und Autoren fachkompetent verdeutlicht und wissenschaftlich untermauert. Dabei nimmt die Entfaltung einer ‚Transkulturellen Kompetenz‘ als zentrale kommunikative Ressource einen wesentlichen Raum ein.
Fazit
Es ist ein Buch der leisen Töne – aber nicht weniger gewichtig. Der Leser/die Leserin wird in die unterschiedlichen Facetten der Thematik begleitet. Zu jeder Zeit ist der Blickwinkel der Betrachtung klar und motiviert zu weiterer Lektüre.
Rezension von
Dr. Eva-Maria Beck
Studiengangsleitung Bachelor Interprofessionelle Gesundheitsversorgung - online (IGo); Projektkoordinatorin Forschungsprojekt Health Care Professionals (HCP) (seit 2014)
Mailformular
Es gibt 2 Rezensionen von Eva-Maria Beck.
Zitiervorschlag
Eva-Maria Beck. Rezension vom 07.05.2012 zu:
Schweizerisches Rotes Kreuz (SRK) (Hrsg.): Transkulturelle Public Health. Ein Weg zur Chancengleichheit. Seismo-Verlag Sozialwissenschaften und Gesellschaftsfragen
(Zürich) 2012.
ISBN 978-3-03-777106-8.
Reihe: Gesundheit und Integration - Beiträge aus Theorie und Praxis.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12940.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.