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Susanne König: Online-Forschung mit Kindern

Rezensiert von Prof. Dr. Christian Beck, 28.06.2012

Cover Susanne König: Online-Forschung mit Kindern ISBN 978-3-86388-004-0

Susanne König: Online-Forschung mit Kindern. Budrich Academic Press GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2012. 246 Seiten. ISBN 978-3-86388-004-0. D: 24,90 EUR, A: 25,60 EUR, CH: 35,90 sFr.
Reihe: Soziologie.

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Thema

Die Autorin untersucht die Qualität der Antworten von 8- bis 13-jährigen Kindern bei standardisierten Online-Befragungen. Um zu einer Einschätzung zu gelangen, wurden rund 5.800 Kinder befragt, wobei am Computer unterschiedliche Präsentationen der Fragebögen verwendet wurden – auch multimediale Elemente. Wovon hängt dabei die Qualität der Antworten ab, welche Risiken und Möglichkeiten der Online-Befragung bestehen aus Sicht der Umfrageforschung? Und wie können die kognitiven Fähigkeiten der Kinder gemessen werden?

Autorin

Susanne König hat mit der vorliegenden Arbeit an der Universität Bonn promoviert.

Entstehungshintergrund

Online-Erhebungen gewinnen in der Umfrageforschung zunehmend an Bedeutung. Auch die vermehrte Anzahl von Kindern, die das Internet nutzen, lasse es wünschenswert erscheinen, sie direkt zu Themen der Kindheit zu befragen – statt sich, wie bisher häufig, stellvertretend an die Eltern zu wenden. Zur Online-Befragung von Kindern gebe es aber kaum methodologische Beiträge.

Aufbau

Das Buch folgt dem klassischen Aufbau eines Untersuchungsberichts: Einleitung, Theorieteil, Methoden und Stichprobe, empirische Ergebnisse, Diskussion und Ausblick. Dem Haupttext vorangestellt ist eine zweiseitige Zusammenfassung; ein Anhang mit den Untersuchungsinstrumenten ist im Internet veröffentlicht.

Inhalt

Der Theorieteil beschreibt zunächst die Computer- und Internetnutzung durch Kinder, und er diskutiert die Bedeutung für die Sozialisation. Es folgt eine Bestandsaufnahme, wie die empirische Sozialforschung bislang mit der Befragung von Kindern umgeht und vor welche methodischen Herausforderungen sie sich dabei gestellt sieht. Eine Schlüsselposition nimmt das Konzept der Datenqualität ein. Hierzu stellt König verschiedene Modelle und Indikatoren vor. Sie beschreibt, welche Faktoren nach bisherigem Wissen die Datenqualität beeinflussen, speziell bei einer computer- oder online-basierten Befragung.

Eigens diskutiert werden vorab auch mögliche Chancen, die der Einsatz multimedialer Elemente eröffnen könnte, wie Ton, Bilder und Symbole, der Einsatz eines virtuellen Interviewers oder einer animierten Figur. Hierin könnte eine spezifische Stärke der Online-Befragung liegen.

Ein besonderes Interesse gilt der Frage, wie sich kognitive Fähigkeiten erfassen lassen – das sei schon ein Wunsch, der aus der herkömmlichen Umfrageforschung stamme. König zielt darauf, einen entsprechenden Online-Test für Kinder zu entwickeln: genannt „OTKK – Online-Test zur Erfassung kognitiver Fähigkeiten bei Kindern“ (S. 78). Dazu referiert sie im Theorieteil verschiedene Theorien und Modelle der Intelligenz sowie deren Diagnostik.

Dies mündet in die Erläuterung der verwendeten Online-Fragebögen – ferner in die Darstellung der Stichprobe und des Vorgehens bei der Analyse der Daten.

Durchgeführt wurde die Mehrzahl der Befragungen auf zwei Internetseiten für Kinder (Toggo.de und Blinde-Kuh.de). Themen waren die Nutzung des Internets, die Ernährung und die Schule. Dabei wurde systematisch mit unterschiedlichen Versionen des Fragebogens gearbeitet, und es wurden verschiedene multimediale Elemente variiert. Folgende Fragetypen hat König dabei untersucht (S. 72):

  • „Ranking-Fragen“,
  • „skalierte Häufigkeits- und Zeiteinschätzungen“,
  • „Fragen mit vielen Antwortoptionen“,
  • „Fragen mit nicht vollständig benannten Skalen“ und
  • „Fragen mit negativ formulierten Items als Antwortoptionen“.

Die Erprobung des OTKK erfolgte an einer eigenen Stichprobe (auf KinderCampus.de). Es wurden Aufgaben gestellt wie zum Beispiel die Ergänzung von Bildern, ein Zahlen-Symbol-Test oder Fragen zum allgemeinen Wissen.

Die Auswertung erfolgte bei allen Befragungen mittels gängiger statistischer Verfahren. Zusätzlich genannt sei hier die „multiple Korrespondenzanalyse“ (S. 129 f.): ein bisher weniger verbreitetes Verfahren, dem König aber wichtige Ergebnisse verdankt. (Dabei werden jeweils mehrere Items mit ihren Variablenausprägungen berücksichtigt und in einen Raum projiziert; interpretiert werden die Achsen und die Anordnung der Items.)

Die Darstellung der empirischen Ergebnisse gliedert sich kapitelweise nach den drei zentralen Fragestellungen, die der Theorieteil entwickelt hat: Datenqualität, Einsatz von Multimedia sowie Erfassung kognitiver Fähigkeiten. Dabei unterteilen sich die Kapitel jeweils nach Hypothesen, empirischen Befunden, mit Interpretation, und einer Zusammenfassung. Am umfangreichsten geht König hierbei auf die Frage der Datenqualität ein.

In der Diskussion der Gesamtergebnisse bescheinigt König, dass sich bei den 8- bis 13-jährigen Kindern „eine gute Datenqualität“ erreichen lässt, wenn man die genannten Fragetypen zugrunde legt (S. 223). Die Kinder hatten beispielsweise keine Schwierigkeiten, Ranking-Fragen mit drei Antwortoptionen zu beantworten. Mit zunehmendem Alter lässt sich bei einigen Fragetypen eine Verbesserung erkennen, etwa bei negativ formulierten Items. Keine altersmäßige Verbesserung zeigte sich bei einfachen Fragen, bei denen es vor allem auf die Anstrengungsbereitschaft der Kinder ankam, wie bei Fragen mit vielen Antwortoptionen.

Beim Einsatz multimedialer Elemente ist ebenfalls zu differenzieren – neben positiver Einflussnahme konnte König sogar eine Verschlechterung der Datenqualität beobachten. So wurde die Aufmerksamkeit der Kinder durch einen virtuellen Interviewer und eine animierte Figur „vermutlich erhöht“; dagegen seien durch sie sozial erwünschte Antworten verstärkt worden (S. 202). Ähnlich ambivalente Ergebnisse erhielt König beim Einsatz von Symbolen und Bildern.

Die Ergebnisse des Tests zur Erfassung der kognitiven Fähigkeiten (OTKK) wurden nach Aufgabenschwierigkeit, Reliabilität und Validität analysiert. Die Autorin weist anhand der Interkorrelation nach, „dass alle Aufgaben einen allgemeinen Faktor der kognitiven Fähigkeiten erfassen“ (S. 221). Jedoch schränkt König die Validität insofern ein, als keine Korrelation zwischen den Ergebnissen und den Schulnoten besteht, die die Kinder selbst angaben; zudem haben sich die Aufgaben als zu einfach erwiesen (mangelnde Varianz).

Diskussion

Mit der Befragung von Kindern arbeitet König auf einem Gebiet, zu dem es methodenkritisch nur wenige empirische Studien gibt. Das gilt speziell für die Online-Befragung, aber auch für herkömmliche Befragungen oder Interviews mit Kindern – www.socialnet.de/rezensionen/9751.php und www.socialnet.de/rezensionen/10615.php. Auf dem Gebiet der Online-Befragung erschließt König mit ihrer Arbeit weitgehend Neuland.

Überzeugend sind Problemaufriss, Darstellung und Interpretation zur Datenqualität und zum Einsatz multimedialer Elemente. Der Test zur Messung kognitiver Fähigkeiten kann aber in der jetzigen Form noch nicht zufriedenstellen: Wie König selbst urteilt, sollte die „Kriteriumsvalidität des OTKK“ durch weitere Studien geprüft und abgesichert werden (S. 231).

Das Buch stellt eine sehr gelungene empirische Arbeit dar. Es überzeugt durch klare, übersichtliche Gliederung, auch innerhalb der einzelnen Kapitel. Dabei stehen Theorie und Empirie in einem ausgewogenen Verhältnis. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse sind prägnant, der Text sehr gut lesbar – auch dann, wenn es um komplexere statistische Verfahren wie die multiple Korrespondenzanalyse geht.

Nicht irritieren lassen sollte man sich durch die Zuordnung des Bandes zur Publikationsreihe „Soziologie“. Mit der Entwicklung eines Tests zur Erhebung kognitiver Fähigkeiten spricht die Autorin mindestens ebenso psychologische Aspekte an. Kurz: Das Buch eignet sich für alle am Thema Interessierten.

Fazit

Die Autorin stellt eine Befragungsform vor, die zukünftig in Wissenschaft und Marktforschung immer mehr an Bedeutung gewinnen wird. Vorgelegt wird eine Studie, die auf theoretischer und empirischer Basis wichtige Anhaltspunkte für die Online-Umfrageforschung mit Kindern bietet und die zur Erforschung kritischer methodischer Fragen anregt.

Rezension von
Prof. Dr. Christian Beck
Pädagogische Forschung und Lehre
Website

Es gibt 53 Rezensionen von Christian Beck.

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Zitiervorschlag
Christian Beck. Rezension vom 28.06.2012 zu: Susanne König: Online-Forschung mit Kindern. Budrich Academic Press GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2012. ISBN 978-3-86388-004-0. Reihe: Soziologie. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12942.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.


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