Udo Janßen, Karl Blum (Hrsg.): DKI-Barometer Krankenhaus 2011/2012
Rezensiert von Dr. phil. Hubert Kolling, 08.03.2012
Udo Janßen, Karl Blum (Hrsg.): DKI-Barometer Krankenhaus 2011/2012. Deutsche Krankenhaus Verlagsgesellschaft mbH (Düsseldorf) 2012. 422 Seiten. ISBN 978-3-942734-10-3. 44,90 EUR.
Thema
Die Krankenhäuser – modern (synonym) auch Kliniken genannt – in Deutschland, anders als in vielen anderen Ländern traditionell vorrangig für die stationäre fachärztliche Versorgung der Bevölkerung zuständig, sind bedeutende Dienstleistungsanbieter im Gesundheitswesen. Für eine effiziente Leistungserbringung brauchen sie daher unabdingbar valide und repräsentative Informationen. Um diesem Bedarf Rechnung zu tragen, führte das Deutsche Krankenhausinstitut im Jahr 2000 erstmals eine repräsentative Befragung deutscher Krankenhäuser zu aktuellen gesundheits- und krankenhauspolitischen Themen durch. Diese wurde seither regelmäßig jährlich wiederholt, wobei sich die Befragung – das sogenannte „Krankenhaus Barometer“ – innerhalb kürzester Zeit zu einem einzigartigen Informationsinstrument im Krankenhausbereich und weit darüber hinaus entwickelte. Zum zehnjährigen Jubiläum ihres Bestehens 2010/2011 erschien die Veröffentlichung erstmals in Buchform und mit inhaltlich erweitertem Konzept (vgl. die Rezension). Mit der vorliegenden Ausgabe 2011/2012 erscheint das Werk wiederum als Buch.
Herausgeber
Für die Herausgabe des aktuellen Bandes, an dem gut drei Duzend AutorInnen – Praktiker und Kliniker, Strategen, Ökonomen und Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens – mitgewirkt haben, zeichnen sich Udo Janßen und Karl Blum verantwortlich.
Prof. Dr. med. Udo Janßen, Arzt, Dipl.-Betriebswirt (FH) und Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH), ist seit 2009 geschäftsführender Vorstanddes DKI – Deutsches Krankenhausinstitut e.V. (Düsseldorf) und beratendes Mitglied des Vorstandes der DKG – Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. (Berlin). 1998 promovierte er an der Universität München mit einer Dissertation zum Thema „Funktion des anorektalen Kontinenzorgans nach vaginaler Geburt: manometrische und klinische Langzeitresultate unter besonderer Berücksichtigung der Episiotomie.“ Janssen hat Lehraufträge für Health Care Management an der Hochschule für Ökonomie und Management in Essen, der Universität Düsseldorf und der Hochschule Ravensburg-Weingarten. Er war Geschäftsführer des IEUGUS-Instituts für Europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft Berlin und als Unternehmensberater in namhaften Beratungsunternehmen tätig. Darüber hinaus leitete er viele Jahre den Geschäftsbereich Medizin und Pflege in einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung im Ruhrgebiet.
Dr. Karl Blum studierte Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt „Gesundheitspolitik“ an der Universität München und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld. Er promovierte 1997 im Fachbereich „Public Health“ mit einer Dissertation zum Thema „Patientenzufriedenheit bei ambulanten Operationen. Einflussfaktoren der Patientenzufriedenheit und Qualitätsmanagement im Krankenhaus“ (Weinheim, München 1998). Seit einigen Jahren leitet Blum den Geschäftsbereich Forschung am Deutschen Krankenhausinstitut e.V. in Düsseldorf, wobei seine Arbeitsschwerpunkte Krankenhaus- und Gesundheitssystemforschung sind.
Entstehungshintergrund
Das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI), seit 1953 führend in den Bereichen Forschung, Beratung und Fortbildung im Krankenhaus- und Gesundheitswesen tätig, wird von maßgeblichen Verbänden und Institutionen der Krankenhauswirtschaft getragen (vgl. www.dki.de). Mitglieder sind:
- die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG)
- der Verband der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e.V. (VLK)
- die Deutsche Krankenhaus Verlagsgesellschaft mbH (DKVG)
- der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands e.V. (VKD).
Im Kuratorium des Deutsches Krankenhausinstitut e.V. sind außerdem vertreten:
- die leitenden Krankenpflegeberufe
- die Medizinische Fakultät der Universität Düsseldorf.
Seit mehr als einem halben Jahrhundert hat das DKI durch eine Vielzahl von Forschungsvorhaben, Studien und Untersuchungen das Krankenhaus- und Gesundheitswesen in Deutschland mitgestaltet und zwar durch:
- Forschungsprojekte für Ministerien, Verbände, Krankenhäuser und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens
- Eigenforschung zu aktuellen krankenhaus- und gesundheitspolitischen Fragestellungen
- „Krankenhaus Barometer“ und „Krankenhaus Trends“.
Themenschwerpunkte sind dabei Krankenhausfinanzierung, Krankenhausorganisation, Qualitätsmanagement, Sektorübergreifende Versorgungsforschung, Gesundheitssystemforschung sowie Marktforschung für die Gesundheitswirtschaft.
Aufbau
Nach dem Vorwort der Herausgeber (S. I), einem Geleitwort des Hauptgeschäftsführers der DKG Georg Baum (S. III-IV) und dem Inhaltsverzeichnis (S. V-VII) zeigt der Band den folgenden Aufbau:
- Theodor Winhorst: Fachkräftemangel im Krankenhaus – gibt es Lösungsstrategien? (S. 1-9)
- Niccolai Schäfer: Status Quo et quo vadis – Honorarärzte (S. 11-20)
- Tina Küttner, Michael Philippi: Qualifizierungsbedarf für neue Berufsgruppen – Physican Assistants können eine Erfolgsgeschichte werden (S. 21-29)
- Udo Drescher: Aus für Wehrpflicht und Zivildienst – der Bundesfreiwilligendienst kommt (S. 31-40)
- Friederike Schulz: Lob- und Beschwerdemanagement im Wilhelmsburger Krankenhaus Groß-Sand (S. 41-50)
- Michael Frank, Petra Schütz-Pazzini, Cornelia Straßburger: Der Patient als Taktgeber für klinische Prozessen (S. 51-60)
- Manfred Pinkwart: Der Patientenfürsprecher im Krankenhaus-Service mit hohem Anspruch (S. 61-70)
- Martin Niederlag: Barrierefreies Bauen im Krankenhaus (S. 71-79)
- Friedhilde Bartels: Nicht dem Leben im Krankenhaus mehr Tage – sondern den Tagen im Krankenhaus mehr Leben geben! (S. 81-94)
- Faize Berger: Kultursensibler Einsatz sozialer Kompetenzen als Integrationswerkzeug (S. 95-99)
- Therese Schneider: Perspektive kultursensibles Krankenhaus (S. 101-114)
- Heinrich Abels, Nikolaus Athanassiadis, Sebastian Bergholz: Problem erkannt aber nicht gelöst – Ärztemangel in Deutschland (S. 115-124)
- Tobias Herrbrich: LAP®-Lebensphasengerechtes Arbeiten im Pflegedienst – Ein Konzept des Städtischen Klinikums Karlsruhe gGmbH für Arbeitnehmer aller Altersstufen (S. 125-145)
- Hans-Jochen Brauns, Wolfgang Loos: Telemedizin auf dem Weg in die Regelversorgung (S. 147-155)
- Franz-Joseph Bartmann, Johannes Schenkel: Telemedizin – ein Plädoyer für eine zukunftsfähige Systematisierung (S. 157-164)
- Birgid Eberhardt: Neue Ansätze und Entwicklungen in der Telemedizin (S. 165-177)
- Mario Weiss: Therapeutische Software (S. 179-190)
- Heinrich Körtke: Telemedizin – wie kann der Patient in den kommunikativen Prozessen gewinnbringend mit eingebunden werden – welche telematischen Strukturen braucht die Zukunft? (S. 191-197)
- Björn Maier: Nachhaltige Erlöspolitik (S. 199-208)
- Ilka Schalwat: Erfolgreiche Erlösstrategien für das Krankenhaus – sind Wahlleistungen ein schlaues Mittel der Wahl? Wie plane ich bedarfs- und anforderungsgerecht? (S. 209-225)
- Petra Gastmeier: Hygiene in Krankenhäusern – erfolgreiches Prozessmanagement (S. 227-238)
- Christoph Bobrowski, Axel Kramer, Ojan Assadian: Qualitätsmanagement zur Prävention von Krankenhausinfektionen (S. 239-251)
- Horst Kierdorf, Thomas Bartkiewicz: Niedergelassene ärztliche Tätigkeit am Krankenhaus: Planung, Gründung und Etablierung eines MVZ an einem Krankenhaus der Maximalversorger am Beispiel des Klinikum Braunschweig (S. 253-267)
- Hansjörg Hermes: MVZ am Klinikum: Langer Weg zum Erfolg (S. 269-274)
- Karl
Blum, Sabine
Löffert, Matthias
Offermanns, Petra
Steffen: Krankenhaus Barometer
Umfrage 2011 (S. 275)
- Stellenbesetzungsprobleme (S. 276-286)
- Medizinisch-technische Radiologieassistenten (MTRA) (S. 287-297)
- Honorarärzte (S. 298-302)
- Wegfall Zivildienstleistender im Krankenhaus (S. 303-313)
- Intensivpflege und Intensivmedizin (S. 314-326)
- Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (S. 327-342)
- Beschwerdemanagement (S. 343-359)
- Wahlleistungen (S. 360-365)
- Bettenauslastungsgrad (S. 366-375)
- Wirtschaftliche
Lage (S. 376)
- 10.1
Jahresergebnis 2010/2011 (S. 376-380).
Ergänzt wird die Darstellung durch ein Literaturverzeichnis (S. 381-382), Autorenverzeichnis (S. 383-394)), Glossar (S. 395-401) und Index (S. 403-418).
Inhalt
Neben den Ergebnissen der repräsentativen Befragung des Deutschen Krankenhausinstituts von mehr als 270 Krankenhäusern zu zentralen Themen des Krankenhauswesens („Krankenhaus Barometer 2011/2012“) enthält der Sammelband – der Druckversion ist auch eine CD-Rom mit den kompletten Texten des Buches beigefügt – über 20 interessante Fachbeiträge von Experten aus der Krankenhauspraxis, die sich insbesondere mit den Themenfeldern Mitarbeiter, Patientenorientierung, Krankenhausmanagement, Hygiene und Telemedizin auseinandersetzen. Insgesamt betrachtet werden damit sowohl im redaktionellen als auch im statistischen Teil Fragen und Probleme angesprochen und thematisiert, die für alle Krankenhäuser (Kliniken) mehr oder weniger aktuell und brisant sind beziehungsweise besondere Herausforderungen darstellen.
Alle Beiträge einzeln vorzustellen würde den Rahmen der vorliegenden Besprechung sprengen. Hingewiesen sei aber beispielsweise darauf, dass in Hinblick auf die Personalsituation in den Krankenhäusern heute schon etwa 8.500 Krankenschwestern, Pfleger und Hebammen fehlen; bis zum Jahr 2030 könnte die Zahl der unbesetzten Stellen einen astronomische Werte annehmen. Wie die Darstellung verdeutlicht, wurden aufgrund des anhaltenden ökonomischen Drucks im stationären Bereich der Krankenversorgung in den letzten zehn Jahren etwa 15 Prozent der Arbeitsplätze abgebaut. Zugleich droht nach Expertenmeinung in der Gesundheitsversorgung in zwanzig Jahren eine gigantische Personallücke von schätzungsweise 950.000 ärztlichen und nicht ärztlichen Fachkräften. Ähnlich wie im Pflegesektor sieht es in der medizinischen Versorgung aus, indem derzeit mehr als 12.000 Arztstellen in den Kliniken nicht besetzt werden können – übrigens doppelt so viele, wie das Deutsche Krankenhausinstitut in seinem Gutachten von 2009 zum Ärztemangel im Krankenhaus ausgewiesen hat.
Eine weitere Verschärfung des Personalmangels befürchten die Krankenhäuser zudem durch den weggefallenen Zivildienst. Viele Krankenhäuser konnten hierbei die Erfahrung machen, dass sich insbesondere junge Männer erst durch ihre Tätigkeit in einem Krankenhaus für dieses Berufsfeld interessierten. Inwieweit diese Situation durch den neuen Bundesfreiwilligendienst (BFD) dauerhaft kompensiert werden kann, wird sich noch zeigen müssen.
Ein möglicher Ansatzpunkt zur verbesserten Versorgung der PatientInnen bieten unterdessen telemedizinische Leistungen. Telemedizinische Möglichkeiten im Sinne eines umfassenden, flächendeckenden Versorgungsangebots stecken jedoch, wie aus den Beiträgen ersichtlich wird, noch in den Kinderschuhen. Es wird aber davon ausgegangen, dass sie sich hinsichtlich ihrer technischen und gesetzgeberischen Rahmenbedingungen (hier insbesondere datenschutzrechtliche Aspekte betreffend) weiterentwickeln werden.
Diskussion
Im Vorwort bringen die Herausgeber ihre Freude darüber zum Ausdruck, für ihre Veröffentlichung AutorInnen gewonnen zu haben, „die zu den Topthemen des Jahres hochwertige Best-practice-Beiträge erstellt haben. Geballte Expertise aus der Krankenhauspraxis, in der jeder Autor dem Leser einen exklusiven Blick hinter seine Kulissen gewährt. Eine wertvolle Ergänzung zu der Forschungsarbeit, die wichtige Informationen, Anregungen und Impulse für den Arbeitsalltag liefert und die Krankenhauslandschaft eindrücklich widerspiegelt“ (S. I).
Georg Baum hat zum „Krankenhaus Barometer 2011/2012“ ein Geleitwort beigesteuert, in dem er festhält: „Das vorliegende Buch gibt einen guten Einblick in Fragen, die für die Krankenhäuser wichtig sind und bleiben werden. Es dient Praktikern zur Erweiterung des eigenen Blickwinkels, gibt Neugierigen einen Eindruck von krankenhausrelevanten Herausforderungen und kann Entscheidungsträgern in angrenzender Bereichen und auf dem politischen Parkett helfen, die Situation und die Sorgen der Krankenhäuser besser zu verstehen“ (S. IV).
In ihrer Gesamtheit bieten sowohl die zahlreichen Fachbeiträge als auch das „Krankenhaus Barometer 2011/2012“ tiefe Einblicke in die aktuelle und zukünftige Situation beziehungsweise Rahmenbedingungen der Einrichtungen zur stationären Gesundheitsversorgung. Mit dem vorliegenden Band erweist sich das Deutsche Krankenhausinstitut wiederum als verlässlicher Partner der Leistungserbringer in der Gesundheitswirtschaft, indem es Orientierung zur erfolgreichen strategischen Ausrichtung zentraler Gesundheitseinrichtungen und -institute bietet. Insofern ist die Veröffentlichung unverzichtbarfür alle, die im Krankenhaus an verantwortlicher Stelle aktiv sind, entscheiden und planen. Darüber hinaus kann die Publikation aber auch von allen gewinnbringend zur Hand genommen werden, die über aktuelle Entwicklungen im Gesundheitswesen kompetent mitreden möchten.
Hingewiesen sei darauf, dass es in dem Beitrag von Udo Drescher auf Seite 36 an Stelle von „Bundesamt für Familie und zivilrechtliche Angelegenheiten“ richtig „Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben“ (BAFzA) heißen muss und es neben der ebenfalls dort angegebenen „kommerziell geführten Seite www.bundes-freiwilligendienst.de“ (S. 36) als kostenlose Alternative die vom BAFzA bereitgestellte „Platzbörse“ unter www.bundesfreiwilligendienst.de gibt.
Fazit
Auf den Punkt zusammengefasst kann man dem „DKI-Barometer Krankenhaus 2011/2012“ bescheinigen, dass es aktuell, informativ und richtungsweisend ist. Insofern sollte das Buch in keiner Bibliothek des Gesundheitswesens fehlen.
Rezension von
Dr. phil. Hubert Kolling
Krankenpfleger, Diplom-Pädagoge und Diplom-Politologe
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Zitiervorschlag
Hubert Kolling. Rezension vom 08.03.2012 zu:
Udo Janßen, Karl Blum (Hrsg.): DKI-Barometer Krankenhaus 2011/2012. Deutsche Krankenhaus Verlagsgesellschaft mbH
(Düsseldorf) 2012.
ISBN 978-3-942734-10-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/12950.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.
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