Joseph Christian Aigner, Tim Rohrmann (Hrsg.): Elementar – Männer in der pädagogischen Arbeit mit Kindern
Rezensiert von Dipl. Soz.-Päd. Gregor Prüfer, 05.11.2012

Joseph Christian Aigner, Tim Rohrmann (Hrsg.): Elementar – Männer in der pädagogischen Arbeit mit Kindern.
Verlag Barbara Budrich GmbH
(Opladen, Berlin, Toronto) 2012.
471 Seiten.
ISBN 978-3-86649-488-6.
49,90 EUR.
Das Buch kann im open access Verfahren kostenlos von der Verlagsseite heruntergeladen werden:
Open access - kostenloser Download unter http://dx.doi.org/10.3224/86649488.
Thema
Männliche Pädagogen im Elementarbereich sind selten. Wie ergeht es Ihnen im Laufe ihrer Ausbildung und in ihrem beruflichen Alltag? Wie werden sie wahrgenommen und gibt es beobachtbare Effekte, wenn Männer in der pädagogischen Praxis sichtbar werden?
Diese Studie gibt Auskunft über Motivation, Praxis und Erfahrung von Männern im elementarpädagogischen Bereich in Österreich.
Herausgeber, Autorinnen und Autoren
Die Herausgeber sind Professor Dr. Josef Christian Aigner, Universität Innsbruck und Dr. Tim Rohrmann, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin.
Professor Dr. Josef Christian Eigner ist Leiter des Instituts für Psychosoziale Intervention und Kommunikationsforschung und Leiter des hier dokumentierten Forschungsprojektes: „Public Fathers“ – Männer in pädagogischen Berufen.
Dr. Tim Rohrmann ist seit vielen Jahren für sein Engagement im Bereich Kita und Geschlecht bekannt und wurde als fachliche Unterstützung zu diesem Forschungsprojekt hinzugezogen.
Die Mitautor_innen Bernhard J Koch, Gerald Poscheschnik, Barbara Strubreither, Gabriele Schauer, Tessa Zeis, Claudia Schwaizer und Anton Perzy unterstützten das Forschungsprojekt. Aus dieser groß angelegten Studie gehen drei Dissertationen hervor.
Entstehungshintergrund
Männer in der pädagogischen Arbeit mit Kindern sind eines von vielen geschlechterpolitischen Themen, die den Diskurs um Geschlechtergerechtigkeit mitbestimmen. Berufliche Segregation ist wahrnehmbar und belegbar. Es gibt viele Ansätze, die sich damit beschäftigen, welche Mechanismen den starken Bezug zwischen Lebens- sowie Berufsplanung und Geschlecht bewirken. Damit einher geht aus der Perspektive der Geschlechtergerechtigkeit die Forderung nach Vielfalt und Veränderung. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Annahme, dass mehr Männer in der Kindererziehung die Sozialisationsbedingungen verändern und damit zukünftige Einschränkungen qua Geschlecht vermindern. Bisher gibt es wenig valide Forschung zu solchen erwarteten Effekten. Diese Veröffentlichung bietet Einblick in den aktuellen Stand der Forschung und erlaubt durch ihre Ergebnisse eine fundierte Diskussion über realistische Perspektiven. Das hier beschriebene Forschungsprojekt baut auf deutschsprachige und internationale Untersuchungen auf. Analysiert wird die aktuelle Situation männlicher Pädagogen im Elementarbereich in Österreich. Verschiedene Materialien aus der Untersuchung (Fragebögen und Interviewleitfäden) sind im Internet unter /www.budrich-verlag.de/papers öffentlich zugänglich.
Aufbau und Inhalt
Nach einer Einführung von Josef Christian Aigner und einer Vorbemerkung von Tim Rohrmann widmet sich das zweite Kapitel dem theoretischen Hintergrund zu den Themen Männlichkeit, Arbeitsfeld Kinderbetreuung, Bedeutung von Gender in der Kita, Berufswahl von „Burschen“ und Männern und die praktische Arbeit von Männern im elementarpädagogischen Bereich.
Das dritte Kapitel befasst sich mit statistischen Analysen zum Geschlechterverhältnis. Gegenstand der Betrachtungen sind Männer in Kindertagesheimen und „Burschen“ und Männer in der entsprechenden Ausbildung.
Im vierten Kapitel werden die verschiedenen Methoden der Untersuchung vorgestellt. In dieser multimethodalen Forschung werden quantitatives und qualitatives Vorgehen durch psychoanalytische Methodik ergänzt und diskutiert.
Im fünften Kapitel werden die Ergebnisse der Teilstudien präsentiert. Hier finden besonders die Werte und Impulse zur Einschätzung der eigenen Praxis der Befragten ihren Platz.
Im sechsten Kapitel, der Zusammenfassung und dem Vergleich der Teilstudien, wird der Versuch unternommen, ein Profil (Gemeinsamkeiten und Unterschiede) zu erkennen, das Männer im pädagogischen Beruf verbindet, oder diese dafür zu prädestinieren scheint.
Im siebten Kapitel findet sich die Dokumentation der tiefenhermeneutisch, psychoanalytisch ausgewerteten Interviews. Gegenstand der biographischen Betrachtungen sind die Motivation und die Entscheidungen der Männer die für ihre berufliche Tätigkeit im pädagogischen Bereich relevant erscheinen.
Im achten Kapitel werden anhand der Untersuchungsergebnisse folgende Fragen diskutiert: Wie kommen Männer in den Kindergarten? Wie gestalten sich diese Wege von Männern in den Kindergarten? Wie erleben Männer die Elementarpädagogik und wie werden Männer in der Elementarpädagogik erlebt?
Das neunte Kapitel befasst sich, basierend auf den positiven Ergebnissen die durch mehr Männer im elementarpädagogischen Bereich erkennbar werden, mit der Frage wie der Anteil von männlichen Pädagogen erhöht werden könnte. Perspektiven eröffnen sich in dem Bereich des Bewusstseins in der Öffentlichkeit, in den Bereichen der Berufsorientierung und der Ausbildung, in der Praxis, in der Forschung und in der politischen Vertretung des Themas.
Zielgruppen
Der Theoretische Hintergrund eignet sich für Einsteiger und Einsteigerinnen in die Themen Geschlechtersozialisation, Männlichkeiten, Lebensplanung und Identität unter Genderaspekten, da die gründliche und umfassende Recherche einen guten Überblick über die Thematik liefert.
Die Beschreibungen der einzelnen Forschungsbereiche eignen sich eher für Fachkräfte und genderpolitisch Versierte, da hier fachliche Argumentationen unterfüttert werden, die bisher nur mit wenigen wissenschaftlichen Ergebnissen dokumentiert werden konnten, hier aber eine relevante Basis erhalten.
Diskussion
Diese Veröffentlichung ist eine gründliche Darstellung, die dem Umfang der durchgeführten Untersuchungen entspricht. Der Text ist in einer durchgehend gut lesbaren und gut verständlichen Form gehalten. Gerade in den Diskussionen zeigt sich die Stärke dieser Arbeit. Hier werden sowohl Bezüge zur aktuellen Diskussion hergestellt, als auch realistische Einschränkungen in den Interpretationsmöglichkeiten betrachtet, was eine solide fachliche Verortung demonstriert.
Fazit
Wer sich mit der Thematik Männer in der pädagogischen Arbeit im geschlechtersensiblen Kontext bereits auseinandergesetzt hat, wird an vielen Stellen der Lektüre unvermeidlich mit dem Kopf nicken. Was besonders besticht ist weniger der Impuls „Jetzt haben wir‘s!“, als vielmehr die Gründlichkeit und die Umsicht in der Interpretation und Diskussion der Forschungsergebnisse. Die Veröffentlichung bietet sowohl eine umfassende argumentative Basis als auch Vorlage und Vorgabe für weitere Forschung. Daher geht hier ein großer Dank an die Herausgeber und deren Team.
Rezension von
Dipl. Soz.-Päd. Gregor Prüfer
M.A. Päd. / Dipl. Soz.-Päd.(FH)
War lange tätig in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit; Aktiv in der Vernetzung von Jungenarbeit in München seit 1993 (www.netzwerk-jungenarbeit.de), freiberuflicher Fortbildungsreferent zu Themen der Genderpädagogik und zu Gender Mainstreaming seit 1999. Seit 2005 Mitarbeiter im Münchner Informationszentrum für Männer mit den Schwerpunkten Männerberatung und Gruppenarbeit für Männer mit Gewalthintergrund (www.maennerzentrum.de), seit WS 2008/09 auch Lehrbeauftragter an der Katholischen Stiftungshochschule München (www.ksh.de). Seit 2011 außerdem Mitarbeiter am Pädagogischen Institut in München, zuständig für Geschlechtergerechte Pädagogik und Jungenförderung an den Städtischen Münchner Schulen (www.pi-muenchen.de).
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