Eva Bamberg, Antje Ducki et al. (Hrsg.): Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement in der Arbeitswelt
Rezensiert von M.Sc. Bettina Lutze, PD Dr. phil. Dipl.-Psych. Thomas von Lengerke, 06.09.2012

Eva Bamberg, Antje Ducki, Anne-Marie Metz (Hrsg.): Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement in der Arbeitswelt. Ein Handbuch.
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2011.
847 Seiten.
ISBN 978-3-8017-2371-2.
D: 59,95 EUR,
A: 61,70 EUR,
CH: 79,00 sFr.
Reihe: Innovatives Management.
Herausgeberinnen
Prof. Dr. Eva Bamberg studierte Psychologie an der Freien Universität Berlin. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Psychischer Stress am Arbeitsplatz“ an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und der Freien Universität Berlin, der Technischen Universität Berlin und der Universität Osnabrück sowie Hochschulassistentin an der TU Berlin. Danach hatte sie Professuren für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Arbeits- und Organisationspsychologie an derUniversität Flensburg (deutsch-dänischer Studiengang „Betriebliche Bildung und Management“) und Angewandte Psychologie an der Universität Innsbruck inne. Seit 1997 ist sie Professorin und Leiterin des Arbeitsbereichs Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Hamburg.
Prof. Dr. Antje Ducki studierte Psychologie an der Freien Universität Berlin. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen Universität Berlin und arbeitete im Bereich betrieblicher Gesundheitsförderung für die AOK Berlin über die Gesellschaft für Betriebliche Gesundheitsförderung. Anschließend war sie Mitarbeiterin am Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin und Hochschulassistentin an der Universität Hamburg, und promovierte 1998 in Leipzig. Seit 2002 ist sie Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Beuth Hochschule für Technik Berlin und leitet dort auch das Gender- und Technik-Zentrum.
Prof. (i. R.) Dr. Anna-Marie Metz studierte Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Wissenschaftlich-Technischen Zentrum für Arbeitsschutz beim Ministerium für Bauwesen in Berlin und anschließend Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Arbeitsmedizin Berlin-Lichtenberg sowie Mitarbeiterin an den Technischen Universitäten Berlin und Dresden. Von 1995 bis 2007 war sie Professorin für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der Universität Potsdam.
Thema
Im Zuge der medialen Darstellung des „Burnout-Booms“ erscheinen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung vor allem in der Arbeitswelt als besonders innovative Lösung. Jedenfalls weisen nicht zuletzt steigende Gesundheitsausgaben – zumal im Bereich der psychischen Störungen – darauf hin, dass Gesundheit in der Arbeitswelt ein Kernthema der Gegenwart und Zukunft darstellt, das effektiv bearbeitet werden sollte. Zuvorderst geht es um Belastungen in privaten, öffentlichen und gesetzlichen Haushalten, die zudem die Arbeitskosten der Arbeitgeber anwachsen lassen. Werden entsprechende Gegenmaßnahmen nicht berücksichtigt, ist zu erwarten, dass die Kosten weiter steigen und enorme Defizite auch für die gesetzlichen Krankenkassen verursacht werden. Zwar ist die verstärkte Integration der Handlungsfelder Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement in die Arbeitswelt kein neuer Ansatz – beide werden allerdings in öffentlichen Diskussionen und Reformversuchen der Regierung häufig nur am Rande betrachtet. In der Regel sind es gerade die großen Unternehmen, die sich der Aktualität von Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement durchaus bewusst sind und aus diesem Grund reagieren – wiewohl auch hier zuweilen die mediale Aufmerksamkeit fehlt. Neben diesen Defiziten in der Darstellung von beruflichen Arbeitstätigkeiten und ihren Wechselwirkungen hinsichtlich des privaten Lebensbereiches sollte der Fokus ebenso auf kleinere und mittlere Unternehmen gelegt werden. Schließlich gibt es auch für diese Unternehmen mittlerweile praxistaugliche Maßnahmen und Konzepte.
Grundsätzlich ist die Thematik, die das vorliegende Handbuch aufgreift, also keine neue: Die Auseinandersetzung zwischen der ökonomischen Bedeutung und dem Ideal von Gesundheit beschäftigt Wissenschaftler und Praktiker schon seit langem. Primär in der Psychologie und angrenzenden Disziplinen sind Konzepte und Maßnahmen der Gesundheitsförderung zu einem festen Bestandteil des Arbeitsrepertoires geworden. Eine Aktualisierung des Wissens- und Erfahrungsstandes erscheint daher sinnvoll. Dementsprechend wird das vorliegende Buch auch eingeführt: „Dieses Handbuch ist ein umfassendes Nachschlagewerk für alle, die sich auf dem neusten Stand der Themen der Praxis und der Wissenschaft über betriebliche Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement informieren wollen“ (S. 10).
Aufbau und Inhalt
Der Band beinhaltet neben dem Vorwort des Reihenherausgebers Siegfried Greif und dem der Herausgeberinnen und dem Anhang 36 Kapitel, die in sieben Abschnitte gegliedert sind:
- Theoretische Positionen und Modelle
- Konzepte von betrieblicher Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement
- Instrumente und Methoden
- Themenbezogene Maßnahmen
- Zielgruppenspezifische Maßnahmen
- Maßnahmen für verschiedene Branchen und Berufsgruppen
- Maßnahmen für flexible Arbeitsformen
Im ersten Kapitel erörtern die Herausgeberinnen zunächst das wissenschaftliche Fundament von Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement. Neben einer differenzierten Betrachtung von einschlägigem Wissen werden im zweiten Kapitel von Peter Richter, Gabriele Buruck, Claudia Nebel und Sandra Wolf Theorien und Konzepte zu Arbeit und Gesundheit hinsichtlich entsprechender Fehlbelastungen, Gesundheitsressourcen und Handlungsmöglichkeiten für den Arbeitsplatz fokussiert. Thomas Rigotti und Gisela Mohr werfen einen Blick auf den Wandel der Arbeitswelt und beschreiben dabei aktuelle Tendenzen für psychische Störungen, Arbeitsunfälle und das Phänomen Präsentismus. In der letzten Darstellung dieses ersten Abschnitts erörtert Renate Rau die Relevanz von Erholung für das betriebliche Gesundheitsmanagement.
Einen detaillierten Überblick zu dem Prozess von Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement schaffen die Herausgeberinnen im zweiten Abschnitt. Hierbei geht es vorrangig um die konzeptuelle Klärung, Handlungsbedingungen, Prozess- und Strukturmerkmale von Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement. Vor allem in dem letzten Kapitel dieses Abschnitts kristallisiert sich heraus, dass Gesundheitsförderung in erster Linie ein Handlungskonzept ist, welches durch Ressourcenförderung, Empowerment und Langfristigkeit die entsprechende Richtung für das erreichen von Zielen und Vorgehensweisen vorgibt.
Im dritten Abschnitt stellt zunächst Antje Ducki ein systematisches Vorgehen für Analysen in der betrieblichen Gesundheitsförderung vor. Hierzu schließt sich die Vorstellung von Instrumenten und Methoden an. In einer weiteren Darstellung skizziert Anna-Marie Metz einen Überblick über gesundheitsschützende, gesundheitserhaltende und gesundheitsfördernde Interventionen und deren Systematisierung. Christiane Busch und Dirk Werner formulieren die Relevanz der Qualitätssicherung in lernenden Organisationen durch entsprechende Evaluation. Dieter Gloede schließlich geht in einem weiteren Beitrag auf die Evaluationsmaßnahmen betriebswirtschaftlichen Unternehmen ein und empfiehlt dabei sich in erster Linie auf mehr Kostentransparenz einzulassen. In diesem Kontext wird potenziert, dass Diskussionen über Kosten betrieblicher Gesundheitsprogramme im selben Atemzug mit deren Nutzen besprochen werden sollten.
Im vierten Abschnitt wird zunächst im Beitrag von Petra L. Klumb und Marco Gemmiti das zunehmende Interesse von Arbeitnehmern an der Harmonisierung von beruflichen und außerberuflichen Lebensbereichen diskutiert. Ferner folgt die Analyse der Spannung auslösenden Faktoren zwischen Berufs- und Privatleben. Martin Resch und Susanne Roscher erörtern sodann das Phänomen Mobbing am Arbeitsplatz und mögliche präventive Ansätze. Ein weiterer spezifischer Problembereich – Sucht – wird von Martina Rummel u. a. unter dem Fokus „Prävention oder anlassbezogene Intervention“ analysiert. Zur arbeitsbedingten psychischen Traumatisierung erklären Gerlinde Wiemann und Ute Ruprecht, dass posttraumatische Belastungsstörungen durch zielgerichtete Betreuung von Mitarbeiter, die länger als vier Wochen erkrankt sind, gesenkt werden können. Im anschließenden Beitrag von Siegfried Greif wird die spezifische Interventionsmethode „Gesundheits- und Stressmanagementcoaching“ vorgestellt, während weitere Trainingsmodule für Führungskräfte von Franziska Franke, Sylvie Vincent und Jörg Felfe veranschaulicht werden. Stefan Leidig skizziert sehr verständlich den Ansatz des Employee Assistance Programm (EAP) und konstatiert, dass entsprechende Dienste dabei helfen können, krankheitsbedingte Fehlzeiten zu reduzieren. Wichtig ist in diesem Kontext jedoch, dass alle Beteiligten für psychisch bedingte Leistungsminderung sensibilisiert werden müssen und EAP entsprechende Case-Management-Funktionen übernehmen sollten. Im letzten Beitrag dieses Abschnitts von Martina Rummel wird die personbezogene Evaluation aus einer kritischen Perspektive betrachtet.
Antje Ducki erläutert zu Beginn des fünften Abschnitts den Nutzen und die praktischen Umsetzungsmöglichkeiten einer gendersensiblen Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt. Zusätzlich folgt eine zielgruppenspezifische Betrachtung von verschiedenen Maßnahmen. Dabei differenziert Ekkehart Frieling hinsichtlich älterer Arbeitnehmer, während Dieter Sommer, Detlef Kuhn und Claudia Redetzky in erster Linie die Perspektive junger Arbeitnehmer fokussieren. Annekatrin Hoppe beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung bei Arbeitnehmern mit Migrationshintergrund. Der Zugang zu den Un- und Angelernten bzw. den Geringqualifizierten wird von Christine Busch zum einen charakterisiert und zum anderen aufgrund des hohen Bedarfs an Gesundheitsförderung dieser Zielgruppe hervorgehoben. Einen anderen Zugang beschreiben Katrin Rothländer und Susann Mühlpfordt. Dabei liegt der Fokus auf dem Gesundheitszustand von Erwerbslosen und der Alternative, diese Zielgruppe über Beschäftigungsträger zu erreichen. Abschließend thematisiert die Autorin Brigitte Steinmetz das komplexe Thema von Gesundheit und Gesundheitsförderung von Führungskräften und deren Einfluss auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter.
Eine weitere Differenzierung folgt im sechsten Abschnitt, in dem die Maßnahmen für verschiedene Branchen und Berufsgruppen beschrieben werden. Andreas Kraus und Cosima Dorsemagen beschäftigen sich mit den psychischen Belastungen von Lehrern und der Notwendigkeit der Lehrergesundheit. Das ebenso wichtige Themengebiet des betrieblichen Gesundheitsmanagement im öffentlichen Dienst wird von Klaus Mucha bearbeitet. Ein deutlicher Handlungsbedarf hinsichtlich der betrieblichen Gesundheitsförderung in der Alten- und Krankenpflege wird im Beitrag von Daniela Kunze verdeutlicht. Mit der Fragestellung „„Gut gestaltete Aufgaben“ – auch im Einzelhandel?“ erörtert Marlen Melzer, wie sich das Konzept der zweidimensionalen Ganzheitlichkeit gestaltet. Die Autoren Heinz-Jürgen Rothe, Uwe Debitz und Anna-Marie Metz berücksichtigen in ihrem Beitrag auch neuere Entwicklungen der Arbeitswelt und diskutieren u. a. die Arbeit in Call-Centern. In der letzten Darstellung dieses Abschnitts fokussiert Lutz Packebusch die Gesundheitsförderung in Klein- und Kleinstunternehmen der Bauwirtschaft.
Auch im ersten Beitrag im siebten Abschnittwerden Maßnahmen für flexible Arbeitsstrukturen diskutiert, wobei die Autoren Guido Becke, Peter Bleses und Sandra Schmidt deren zunehmende Bedeutung vor allem für die hochqualifizierten Dienstleistungsbereiche in Deutschland unterstreichen. Ferner wird konstatiert, dass diese Arbeitsformen sehr schwerwiegendere Auswirkungen auf die gesundheitliche Situation der Mitarbeitenden haben. Mit dem kontrovers diskutierten Thema zur Leiharbeit oder Zeitarbeit beschäftigen sich Thomas Rigotti und Nathalie Galais. Sie postulieren, dass diese atypische Beschäftigungsform ebenfalls gesundheitliche Risiken in sich birgt, die jedoch durch mangelnde Erreichbarkeit betrieblicher Gesundheitsförderung nur selten reduzierbar sei. In der Darstellung von Monika Keller, Eva Bamberg, Niklas Friedrich, Jan Dettmers und Tim Vahle-Hinz zur gesundheitsgerechten Gestaltung von Bereitschaftsdienst und Ruhebereitschaft wird transparent, dass Erholung und kognitive Distanzierung von der Arbeit bei dieser Arbeitsform nur bedingt möglich sind. Das Gesundheitsmanagement in dem Kontext beruflicher Selbstständigkeit wird von dem Autor Ulf Kieschke betrachtet und ausführlich werden die Bewältigungsmuster bei Existenzgründern analysiert.
Im Anhang werden dem Leser abschließend noch fünf internationale Organisationen und deren Strategien zur betrieblichen Gesundheitsförderung vorgestellt. In der ersten Darstellung erklärt Katrin Behrendt, welche Maxime die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) dabei im Einzelnen verfolgt und beschreibt, dass die ILO im Bereich von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz neben dem Kernbereich des klassischen Arbeitsschutzes tätig ist. In einem weiteren Beitrag wird die betriebliche Gesundheitsförderung in den Kontext der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eingeordnet und formuliert, dass die Optimierung von Arbeitsbedingungen eines der primär verankerten Ziele der WHO sei. Ferner wird transparent, dass die ILO und die WHO in vielfältiger Weise miteinander kooperieren. In der dritten Darstellung beschreibt Julia Flintrop die Aufgabenbereiche der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Infolgedessen wird ersichtlich, welchen Stellenwert eine enge Vernetzung von Beteiligten aus verschiedenen Mitgliedsstaaten für die Berücksichtigung europäischer Sicht- und Herangehensweisen und somit die Integration in ein Gesamtkonzept haben kann.
Diskussion
Grundsätzlich halten wir den vorliegenden Band für ein umfassendes Grundlagenhandbuch, das für Laien beim Einstieg in die Bereiche Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement in der Arbeitswelt hilfreich sein kann. Die einzelnen Kapitel der jeweiligen Abschnitte sind problemlos auch einzeln lesbar (lediglich das kapitelübergreifende Literaturverzeichnis ist hier – z. B. bei der Bestellung von Teilkopien – als mögliche Einschränkung zu beachten) und lassen eine themenspezifische Betrachtung in verständlicher Weise zu. Bezüglich der Frage, ob (und inwieweit) Experten hinsichtlich neuer Ansätze oder Perspektiven fündig werden, sind wir etwas skeptischer. Dies hat vor allem mit der Frage zu tun, wie aktuell die zitierte Literatur in einem solchen Werk sein kann bzw. sollte. Teilweise sind Verweise zu finden, die 1990 oder früher veröffentlicht und deren Diskussionen weitergeführt worden sind, so dass die Darstellung stellenweise etwas „angestaubt“ wirkt. Prominentes Beispiel ist auf S. 125-126 die Darstellung des Konzepts der Gesundheitsförderung anhand der Ottawa-Charta der WHO unter Bezug eines Beitrags von Conrad und Kickbusch von 1988 (in Abholz (Hrsg.), Grenzen der Prävention [Argument Sonderband 178] (S. 142-150). Hamburg: Argument). Hier stellt sich dem Leser möglicherweise doch die Frage, ob die sechs einschlägigen Konferenzen der WHO nach Ottawa (zuletzt 2009) irrelevant oder „nur“ nicht berücksichtigt worden sind. Immerhin werden im Anhang einige neuere internationale Entwicklungen etwa im Umfeld der Internationalen Arbeitsorganisation angeführt und kurz umrissen. Insgesamt sollten jedoch auch Experten mittels der inhaltlichen Fülle und Bandbreite des Bandes (inkl. Literaturverzeichnis, Sachregisters und der Stichworte in der Randleiste) ihr Wissen gut auffrischen können.
Die genannte Bandbreite wird auch durch die Zahl der Autoren bestimmt, zumal sie nicht nur aus dem Universitäts- sondern auch dem Hochschulbereich sowie einigen Praxisbereichen kommen. Es werden praktisch alle aktuellen und relevanten Themen dargestellt, von denen im Folgenden einige exemplarisch herausgegriffen werden. So bilden Martin Resch und Susanne Roscher die Relevanz der Mobbingproblematik in Deutschland in ihrem Beitrag sehr verständlich ab. Lediglich die Darstellung der anzustrebenden „Fairnesskultur“ als Präventionsansatz wird u. E. etwas zu knapp beleuchtet, da gerade in diesem Ansatz Lösungen und Strategien zu finden sind, die Fehlzeiten, Fehler während Arbeiten und Kündigungen von Arbeitnehmern reduzieren lassen. Der Beitrag von Martina Rummel zu den Gesundheitsrisiken, die sich durch psychologisch gestützte Verfahren ergeben können, ergibt im Gesamtkontext zwar nur etwas eingeschränkt Transparenz darüber, inwieweit der „kranke“ Arbeitnehmer identifiziert werden sollen, wenn Qualität sichernde Maßnahmen für den Betroffenen doch augenscheinlich belastend sind, zugleich sind die dargestellten Alternativen durchaus nachvollziehbar (wenn auch für die praktische Entwicklung von Maßnahmen für die Gesundheitsförderung im betrieblichen Milieu sicher schwierig zu implementieren).
Besonders instruktiv fanden wir auch die Ausarbeitung von Brigitte Steinmetz zur Gesundheit und der Gesundheitsförderung von Führungskräften – wobei sich uns lediglich die Frage stellt, warum diese Perspektive nicht stärker mit anderen Beiträgen verbunden worden ist. Denn bei dieser Zielgruppe zeigen sich zwei interessante Aspekte: einerseits handelt es sich bei Führungskräften im Vergleich zu anderen Berufsgruppen um Personen mit höherem Stressempfinden, andererseits leben sie gesünder als Mitarbeitern ohne Führungsverantwortung und zeigen weniger Fehlzeiten (vgl. S. 548). Durch die Führungstätigkeit lassen sich daher sowohl Stressoren als auch Ressourcen identifizieren, die für die Entwicklung von personenbezogenen Interventionen und Maßnahmen zur Gesundheitsförderung von entscheidender Bedeutung sein können, die eben für die weiterführenden oder vorherigen Darstellungen wenig Beachtung finden. Bekanntlich beginnt der Fisch von oben unangenehm zu riechen, so dass die Reduzierung von Stressoren von Führungskräften als Ausgangspunkt und nicht „nur“ ein Teilbeitrag sein könnte.
Insgesamt ergeben sich kapitelübergreifend zwar gelegentlich inhaltliche Redundanzen, die allerdings am ehesten bei intensiver Lektüre des Bandes auffallen und vermutlich auch nicht vermeidbar sind. Abgesehen würden wir für die nächste Ausgabe als Abschluss des Bandes ein Resümee z. B. seitens der Herausgeberinnen vorschlagen, das dem Leser einen Ausblick erleichtert, inwieweit sich das Spannungsverhältnis von Ökonomie und Gesundheit in betrieblichen Kontexten reduzieren lässt bzw. welche Aufgaben sich längerfristig ergeben, damit Gesundheit – so wie sie auf dem Buchcover hervorsticht – auch tatsächlich in der Arbeitswelt gefördert und produziert wird.
Fazit
Ein umfassendes Handbuch (Hinweis für reisende Leser: fast 1,7 kg), das zwar nicht an allen Stellen topaktuelle Literatur verarbeitet, jedoch Laien einen soliden Einstieg und Experten (je nach Schwerpunkt) eine gute Auffrischung liefern kann.
Rezension von
M.Sc. Bettina Lutze
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie der Medizinischen Hochschule Hannover
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PD Dr. phil. Dipl.-Psych. Thomas von Lengerke
Stv. Leiter der Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie der Medizinischen Hochschule Hannover
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