Sigrun Schmidt-Traub: Angstfrei im Alter
Rezensiert von Prof. Kurt Witterstätter, 24.04.2012

Sigrun Schmidt-Traub: Angstfrei im Alter. Ein Selbsthilfebuch für ältere Menschen und ihre Angehörigen. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG (Göttingen) 2011. 115 Seiten. ISBN 978-3-8017-2404-7. 16,95 EUR. CH: 24,50 sFr.
Thema
Die zunehmende Singularisierung älterer Menschen zeitigt nicht nur objektiv Gefahren des Allein-Lebens für Gesundheit und Sicherheit. Auch die subjektiv empfundenen psychologischen Belastungen von Isolation und Unterversorgung beschweren und ängstigen.
Hier will die 115seitige Schrift „Angstfrei im Alter. Ein Selbsthilfebuch für ältere Menschen und ihre Angehörige“ von Sigrun Schmidt-Traub aus dem Hogrefe-Verlag eine Stützung geben, ohne gleich Medikamente und Psychotherapie zu bemühen.
Autorin
Dr. rer. pol. Dipl.-Psychologin/Dipl.-Soziologin Sigrun Schmidt-Traub durchlief nach dem Studium der Psychologie und Soziologie Weiterbildungen zur Verhaltens-, Gesprächspsycho- und Hypno-Therapeutin und arbeitet therapeutisch und lehrend.
Aufbau und Inhalte
Das typografisch lebendig gehaltene Entängstigungs-Buch „Angstfrei im Alter“ beinhaltet zwei wesentliche Teile: Es schildert zum einen Auffälligkeiten und Krankheitsbilder, die mit Angst zusammenhängen. Der möglichen Selbsthilfe bei Ängsten ist dann der umfangreiche zweite Teil gewidmet.
Die um Angst bei alten Menschen kreisenden Krankheitsbilder werden zum einen in den Lebenszusammenhang gestellt. Sodann werden auch die begleitenden Krankheiten Depression und Demenz erörtert. Hierbei kommt die Verfasserin auch auf physiologische, stresshormonale Grundlagen zu sprechen wie Schilddrüsenüberfunktion und Serotonin-Mangel. An Arten von Ängsten werden behandelt zunächst die Generalisierte Angststörung GAS, die Panikattacken und Panikstörungen sowie die Phobien (und hierbei die Agoraphobie, Spezifische Phobien, die Fallangst und die Sozialen Phobien). Weitere, mit Beispielen durchsetzte Beschreibungen gelten den Posttraumatischen Belastungsstörungen PTBS und Zwangsstörungen auf neurotischer Grundlage.
Das geschilderte Selbsthilfe- und Abhilfe-Arsenal gegen Angstzustände ist mit 19 Unterkapiteln sehr reichhaltig. Die Verfasserin spricht sich für ein integriertes Vorgehen gegen Depression und Angst gemeinsam aus. Sie bevorzugt hier wegen leichter Einsicht verhaltenspsychologische Maßnahmen mit dem Ziel, Selbstständigkeit, Selbstwertgefühl, Selbstregulation, Gesundheit und lebenslanges Lernen bei den Betroffenen zu steigern. An Mitteln werden hier vorgeschlagen die Selbstbeobachtung mittels Angst-Tagebuchs (mit Datum, Auslöser, Symptomen, Dauer, Befürchtungen, Lösungen), die realistische Wirklichkeitsüberprüfung und die Situations-Neubewertung. Hilfreich können auch Aufmerksamkeitslenkungen und strukturierte Tageseinteilung sein. Die vorgeschlagene Konfrontation mit den Angstauslösern kann in vivo in der Wirklichkeit, aber auch nur in der virtuellen Vorstellung in sensu erfolgen. Begleitend unterstützend wirken können Progressive Muskelentspannung PME, außerhäusliche Aktivitäten und Schmerzmanagement. Auch versöhnliche Lebensrückblicke und naheliegende Zukunftsplanung werden in die helfenden Vorschläge eingereiht.
Diskussion
Das Buch „Angstfrei im Alter“ enthält in durchaus auch für Laien verständlicher Form eine Fülle gut praktizierbarer Vorschläge, mit Ängsten förderlich umzugehen. Eine große Zahl an Beispielen aus der therapeutischen Praxis Sigrun Schmidt-Traubs erhellt die angedachte Verhaltensmodifikation. Gerade Vorschläge, ein Sorgentagebuch zu führen oder mutig ein Meidungsverhalten zu unterbrechen, erscheinen gut in den Alltag übersetzbar.
Ob man die Verängstigten die Inanspruchnahme von Psychotherapie nur von ihrer subjektiven Selbstdiagnose abhängig machen lassen sollte, wie die Autorin abschließend empfiehlt, erscheint bei dem komplexen Zusammenspiel von somato-physiologischen und verhaltenspsychologischen Momenten etwas leichtfertig. Bemängeln kann man auch den möglichen Gestalt- und Erinnerungsverlust beim Lesen der vielen Praxisbeispiele, zumal die Schilderungen der Fälle um Seite 20 und ihre Lösungen um Seite 95 weit auseinander liegend erfolgen. Die Demenz als in ihren leichten Formen und frühen Stadien Angst auslösende Erkrankung ist auf gerade mal eineinhalb Seiten (Seiten 49/50) doch zu knapp behandelt. Auch ist die Gliederung des Buches nicht immer stringent: So finden sich Angaben zur bei rund um zehn Prozent der Altenpopulation liegenden Angst-Verbreitung auf Seiten 14 und 35 und werden unter der Agoraphobie auch Ängste vor Blamage, Kontrollverlust und Tod abgehandelt.
Fazit
Mit der Schrift „Angstfrei im Alter“ erhalten von Angst gestresste ältere Menschen und ihre Angehörigen einen auf knappem Raum brauchbaren und inhaltsreichen Ratgeber. Die komplexe Materie wird mitunter etwas eindimensional behandelt.
Rezension von
Prof. Kurt Witterstätter
Dipl.-Sozialwirt, lehrte bis zur Emeritierung 2004 Soziologie, Sozialpolitik und Gerontologie an der Evangelischen Fachhochschule Ludwigshafen - Hochschule für Sozial- und Gesundheitswesen; er betreute zwischenzeitlich den Master-Weiterbildungsstudiengang Sozialgerontologie der EFH Ludwigshafen
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