Yvonne Adler: Kinder lernen Sprache(n)
Rezensiert von Univ.-Prof. Dr. Timm Albers, 04.06.2012

Yvonne Adler: Kinder lernen Sprache(n). Alltagsorientierte Sprachförderung in der Kindertagesstätte.
Verlag W. Kohlhammer
(Stuttgart) 2011.
240 Seiten.
ISBN 978-3-17-021101-8.
26,90 EUR.
Reihe: Pädagogik.
Thema
Das Buch vermittelt grundlegende Kenntnisse über den Erst- und Zweitspracherwerb von Kindern im Vorschulalter und richtet den Fokus auf die Unterstützung sprachlicher Fähigkeiten im Alltag von Kindertageseinrichtungen.
Autorin
Dr. Yvonne Adler ist Privatdozentin an der Universität Leipzig. Nach vielfältigen Tätigkeiten als Grundschullehrerin, Sprecherzieherin, wissenschaftliche Mitarbeiterin und der Vertretung von Professuren im Bereich der Sprachbehindertenpädagogik und Frühkindlichen Bildung kann Sie auf einen breiten Fundus aus Praxis und Forschung zurückgreifen.
Entstehungshintergrund
Die Autorin stellt das Buch als Ergebnis der jahrelangen Auseinandersetzung mit dem Thema Spracherwerb vor und verweist auf ihre Erfahrungen aus der Aus- und Fortbildung frühpädagogischer Fachkräfte. Die Beispiele aus der Praxis stammen aus der direkten Auseinandersetzung mit Erzieherinnen und Kindern, sowie aus der Arbeit mit den Studierenden.
Aufbau
Die 240 Seiten des Buches verteilen sich auf 7 Kapitel.
Yvonne Adler verweist zunächst auf die Begründungszusammenhänge für die Unterstützung sprachlicher Fähigkeiten im Vorschulalter (1) und gibt dann einen Überblick über die Ziele und Inhalte von Sprachförderung (2). Den größten Teil des Buches nimmt das Kapitel 3 zum Erstspracherwerb des Kindes ein. Der Darstellung über den Zweitspracherwerb (4) folgen Grundlagen der Sprachförderung (5), praktische Umsetzungsmöglichkeiten der Sprach- und Kommunikationsförderung (6) und ein Register der im Buch vorgeschlagenen Spiele und Aktionen.
Inhalt
Die Förderung von Sprachkompetenzen im Vorschulalter wird mit den Ergebnissen der Schulleistungsvergleiche begründet, die einen engen Zusammenhang zwischen den sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes zum späteren Schulerfolg herstellen. Die Ergebnisse von Studien zum Einfluss der sprachlichen Umwelt (Eltern und frühpädagogische Fachkräfte) auf den Spracherwerb von Kindern lassen die begründete Hoffnung zu, dass eine Qualifizierung von Fachkräften im Hinblick auf eine sprachförderliche Gestaltung des Kindergartenalltags zu einer Verbesserung der sprachlichen Fähigkeiten führen. Yvonne Adler unterscheidet in der Folge zwischen einer allgemeinen Förderung der sprachlichen Entwicklung für alle Kinder und einer spezifischen Sprachförderung, die sich auf Kinder bezieht, bei denen ein Entwicklungsrisiko identifiziert wurde. So stellt die alltagsintegrierte Sprachförderung eine auf die individuellen Fähigkeiten der Kinder abgestimmte Gruppenförderung dar, in der Sprachförderung als durchgängiges Prinzip und nicht nur punktuell verstanden wird. Yvonne Adler betont dabei die Systematik von Sprachförderung, die sich auf spracherwerbstheoretisches Wissen stützt und eine hohe Professionalität von frühpädagogischen Fachkräften in Bezug auf den Einsatz von Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren und spezifischen Sprachlehrstrategien voraussetzt.
Entsprechend strukturiert die Autorin den weiteren Inhalt und stellt den Spracherwerb des Kindes als „schöpferischen Prozess des Regelerwerbs“ im Kontext mit seiner sprachlichen Umwelt heraus. Sie beschreibt die linguistischen Ebenen von Sprache und widmet sich dabei sehr differenziert den Voraussetzungen auf der phonetisch-phonologischen Ebene. Ein eigenes Kapitel erhält der Bereich der Mehrsprachigkeit, das zunächst die besonderen Bedingungen von Kindern mit einer anderen Herkunftssprache herausarbeitet und in Leitlinien der Förderung durch frühpädagogische Fachkräfte mündet. Im Kern der Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Sprachförderung stehen die Sprachlehrstrategien und Korrektur- und Modelliertechniken, die an Beispielen illustriert werden.
Die Diagnostik und Beobachtung sprachlicher Fähigkeiten sind weitere Bausteine einer professionellen Unterstützung sprachlicher Kompetenzen in Kindertageseinrichtungen. Yvonne Adler stellt in Kapitel 5 ein eigenes Beobachtungsverfahren vor, anhand dessen die Fachkräfte Förderziele entwickeln sollen.
Kapitel 6 liefert schließlich zahlreiche Praxisbeispiele der Sprachförderung auf den zuvor dargestellten Ebenen von Sprache.
Diskussion
Das Buch liefert einen umfassenden Überblick über die Möglichkeiten, Kindern eine anregungsreiche sprachliche Umwelt bereitzustellen und sie in ihren sprachlichen Fähigkeiten zu unterstützen. Yvonne Adler vermittelt die Kenntnisse der Spracherwerbsforschung, die als Grundlage für die Förderung von Sprachkompetenzen von Relevanz sind. Die Bedeutung von Beobachtung und Dokumentation im Kontext von Sprachförderung wird mit den von Adler entworfenen Beobachtungsbögen illustriert, die sich durch ihre Altersdifferenzierung besonders auszeichnen. Eine Einordnung in den Zusammenhang mit bereits etablierten Verfahren wie sismik (www.ifp.bayern.de/projekte/sismik.html) hätte das Bild vervollständigt. Die Bedeutung von Eltern wird einleitend zwar erwähnt, hätte im Zusammenhang mit der zunehmenden Bedeutung der Einbeziehung von Erziehungsberechtigten in die Arbeit der Kindertageseinrichtungen, ebenso wie die Kooperation mit externen Fachdiensten zur Abgrenzung einer Sprachstörung, einen höheren Stellenwert einnehmen können. In jedem Fall wird aber mehr als der von Yvonne Adler formulierte Anspruch erfüllt, „erste Schritte auf diesem Weg“ (S. 16) zu leisten, Wissen und Methodenkenntnisse bei der Unterstützung sprachlicher Fähigkeiten zu vermitteln. Das Buch kann wesentlich dazu beitragen, dass Fachkräfte die sprachlichen Interaktionen bewusst gestalten und „wacher gegenüber sprachlichen Entwicklungsprozessen“ (ebd.) sind.
Fazit
Yvonne Adler legt mit dem Buch „Kinder lernen Sprache(n)“ eine theoretisch fundierte und schlüssige Argumentation für eine alltagsintegrierte Sprachförderung vor. Es wird deutlich, dass eine professionelle Unterstützung sprachlicher Fähigkeiten in Kindertageseinrichtungen eine Vielzahl an Kompetenzen und ein hohes Wissen bei den frühpädagogischen Fachkräften voraussetzt. Aufgrund der Verknüpfung mit Praxisbeispielen, den Zusammenfassungen in Kästchen und tabellarischen Übersichten kann der anspruchsvolle Inhalt aber sehr gut nachvollzogen werden. Von der konzisen Darstellung können neben den frühpädagogischen Fachkräften auch Studierende der Sonder- und Frühpädagogik profitieren.
Rezension von
Univ.-Prof. Dr. Timm Albers
Universität Paderborn
Fakultät für Kulturwissenschaften
Institut für Erziehungswissenschaft
Arbeitsbereich Inklusive Pädagogik
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Es gibt 6 Rezensionen von Timm Albers.
Zitiervorschlag
Timm Albers. Rezension vom 04.06.2012 zu:
Yvonne Adler: Kinder lernen Sprache(n). Alltagsorientierte Sprachförderung in der Kindertagesstätte. Verlag W. Kohlhammer
(Stuttgart) 2011.
ISBN 978-3-17-021101-8.
Reihe: Pädagogik.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/13078.php, Datum des Zugriffs 28.11.2023.
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