Tilman Brand, Tanja Jungmann (Hrsg.): Kinder schützen, Familien stärken
Rezensiert von Dipl. Soz. päd. Claudia Nicolaus, 25.03.2013

Tilman Brand, Tanja Jungmann (Hrsg.): Kinder schützen, Familien stärken. Erfahrungen und Empfehlungen für die Ausgestaltung Früher Hilfen aus der „Pro Kind“-Praxis und -Forschung.
Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2012.
170 Seiten.
ISBN 978-3-7799-2083-0.
D: 19,95 EUR,
A: 20,60 EUR.
Reihe: Edition Sozial.
Thema und Entstehungshintergrund
„Der Schutz von Kindern und die Wahrung seiner Entwicklung- und Bildungschancen sind in den vergangen sechs Jahren zu wichtigen und anerkannten Zielen geworden, …“. (Brand, Jungmann 2013 S.15,16). Die Frühen Hilfen sind Teil dieses Prozesses und durch das Aktionsprogramm „Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und Soziale Frühwarnsystem“ vom Bundesministerium für Familie. Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) auf den Weg gebracht. Verankert sind verschiedene Modellprojekte unter dem Dach des Nationalen Zentrums Früher Hilfen (NZFH). In diesem Fachbuch sind, Erfahrungen und Empfehlungen für die Ausgestaltung Früher Hilfen für sozial benachteiligte Familien am Beispiel des seit 2006 durchgeführten Hausbesuchsprogramms „Pro Kind“, dokumentiert. Dieses geschieht aus Sicht der Praxisbeteiligten und der Begleitforschung. Somit liegt für dieses, noch sehr junge Handlungsfeld, eine detaillierte und umfassende Veröffentlichung der beteiligten Akteure vor.
Zielgruppe
Das Fachbuch richtet sich vor allem an Fachkräfte, die Frühe Hilfen planen und von diesen gesammelten Erfahrungen profitieren können. Es richtet sich an die betroffenen Professionen im Bereich der Frühen Hilfen (Hebammen und SozialpädagogInnen). Weiterhin kann es für die in Ausbildung stehenden Hebammen und Studierende der Sozialpädagogik von großem Nutzen sein, um sich auf ein zukünftiges Handlungsfeld vorzubereiten. Studierende der Sozialpädagogik können thematische Verknüpfungen finden, da es enge Berührungspunkte zur Sozialpädagogischen Familienhilfe gibt.
Aufbau und Inhalt
Inhaltlich ist das Buch in drei wesentliche Teile untergliedert.
- Im ersten Teil werden Hintergrund und konzeptionelle Fragen des Modellprojektes Früher Hilfen vorgestellt.
- Der zweite Teil enthält die Kernkomponenten der Programmumsetzung und
- der dritte Teil stellt Ausgewählte Durchführungsbereiche und ihre spezifischen Herausforderungen vor.
Im ersten Teil gehen Brand und Jungmann zunächst auf die Notwendigkeit und Verortung der Frühen Hilfen ein. Sie beschreiben die Konzeption und im Kapitel 2.1 das Praxiskonzept der strukturierten Familienbegleitung.
Im zweiten Teil des Buches werden die Kernkomponenten der Programmumsetzung in sieben Kapiteln von verschiedenen Autoren dargelegt.
- Dabei werden zuerst die Zugangswege zu sozial benachteiligten Familien beleuchtet (2.1). Wie können betroffene Frauen/Familien erreicht und motiviert werden, sich aktiv am Programm zu beteiligen, das ist eine zentrale Frage.
- Weiterhin werden die Kernkomponenten Auswahl der Fachkräfte (2.2),
- die Fortbildung der Fachkräfte (2.3) und
- die Fachberatung im Modellprojekt Pro Kind (2.4) beschrieben.
- Im Kapitel 2.5 werden die Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsbedingungen erklärt. Die Vor-und Nachteile der drei prototypischen Beschäftigungsmodelle werden diskutiert.
- Thematischer Schwerpunkt im Kapitel 2.6 ist die Dokumentation als Bestandteil der Qualitätssicherung Früher Hilfen. Stärken und Schwächen der Dokumentations- und Evaluationsinstrumente werden besprochen.
- Abschließend werden die Kosten, Nutzen und Finanzierung der Frühen Hilfen (2.7) geprüft.
Der dritte Teil greift ausgewählte Durchführungsbereiche und ihre spezifischen Herausforderungen auf. Auch dieser Teil umfasst sieben Kapitel mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten. Die Themen sind:
- Hilfe im Doppelpack oder besser allein? Hier erfolgt ein Vergleich von zwei unterschiedlichen Beratungsvarianten (3.1);
- Innerfamiliäre Gewalt als Herausforderung für Frühe Hilfen (3.2);
- Prävention oder Intervention – Kinderschutz im Rahmen Früher Hilfen (3.3);
- PIPE: Ein Programmmodul zur frühen Stärkung der Elternkompetenz (3.4);
- Zahn- und Mundgesundheit von Mutter und Kind – ein vernachlässigtes Thema in den Frühen Hilfen (3.5);
- Einbezug der Väter in Frühe Hilfen (3.6) und
- Familien mit Migrationshintergrund als Zielgruppe Früher Hilfen (3.7)
Diese spezifischen Einblicke zeigen ganz unterschiedliche und vielfältige Herausforderungen, die bei der Gestaltung Früher Hilfen beachtet werden müssen. Zudem veranschaulichen ausgewählte Fallvignetten den theoretischen Hintergrund sehr praxisnah (vgl. Brand, Jungmann 2013 S.17-19).
Diskussion
Den Herausgebern und dem Autorenkollektiv ist es gelungen, ein komprimiertes Fachbuch zum Hausbesuchsprogramm Pro Kind im Rahmen der Frühen Hilfen zu veröffentlichen. Der Leser erhält einen umfangreichen Einblick in die Arbeit eines Familienbegleiters/ Familienbegleiterin und in die damit verbunden Herausforderungen. Es gelingt den Autoren im ersten Teil die Brisanz des Themas zu verdeutlichen und das Konzept der leitfadengestützten Begleitung im Modellprojekt Pro Kind sehr gut zu veranschaulichen. Die Fallvignette Claudia unterstützt die Darstellung des Regelkreises einer Begleitung im besonderen Maße. Im zweiten Teil werden die Kernkomponenten aufbereitet und kritisch reflektiert. Daraus werden Empfehlungen erarbeitet, die es den Akteuren im Handlungsfeld der Frühen Hilfen ermöglichen soll, diese gesammelten Erfahrungen in eigene Konzeptionen sinnvoll einzubeziehen. Sie geben eine fundierte Handlungsorientierung für die Planung Früher Hilfen.
Die Vertiefung ausgewählter Themen (Teil 3) gibt einen Einblick in wesentliche Herausforderungen, mit denen die Fachkräfte konfrontiert werden. Die Autoren arbeiten Stärken und Schwächen des Programms heraus, wie zum Beispiel die Schwachstellen des Programmmodules PIPE, welches in der Umsetzung in die Praxis noch Schwierigkeiten aufweist (Kapitel 3.4). Auch wird die Diskussion geführt, männliche Fachkräfte einzubeziehen bzw. interkulturelle Fachkräfte (in Bezug auf den Umgang mit Vätern und das Thema Migration). Dieses wird in den abschließenden Kernaussagen verankert und sollte in Zukunft mit berücksichtigt werden. Gerade vor dem Hintergrund des Inkrafttretens des Bundeskinderschutzgesetzes 2012 bildet diese Veröffentlichung einen außerordentlich wichtigen Beitrag, den Ausbau der Frühen Hilfe voranzutreiben.
Fazit
Das vorliegende Buch bietet einen umfassenden Einblick in das Hausbesuchsprogramm Pro Kind. Die Verortung der Hilfe und die Brisanz des Themas Frühe Hilfen wird für den Leser greifbar/erfahrbar. Besonders hilfreich sind die Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Modellprojekt für den zukünftigen Ausbau der Frühen Hilfen. Jedoch – so halten die Autoren fest – ist die Verallgemeinerbarkeit der Befunde und Empfehlungen auf gänzlich anders konzipierte Frühe Hilfen sicherlich eingeschränkt (Brand, Jungmann 2013, S.237). Mit seinen aktuellen Beiträgen sollte dieses Fachbuch zur Grundausstattung jeder pädagogischen Fachbibliothek zählen.
Rezension von
Dipl. Soz. päd. Claudia Nicolaus
Lehrkraft für besondere Aufgaben Hochschule Magdeburg-Stendal
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