Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Catherine Fuller, Phil Taylor: Therapie-Tools Motivierende Gesprächsführung

Rezensiert von Patrick Zobrist, 03.07.2012

Cover Catherine Fuller, Phil Taylor: Therapie-Tools Motivierende Gesprächsführung ISBN 978-3-621-27922-2

Catherine Fuller, Phil Taylor: Therapie-Tools Motivierende Gesprächsführung. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2012. 272 Seiten. ISBN 978-3-621-27922-2. D: 34,95 EUR, A: 35,90 EUR, CH: 47,90 sFr.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Kaufen beim socialnet Buchversand
Kaufen beim Verlag

Thema

„Um Fortschritte in Therapie und Beratung zu erzielen, ist es wichtig, dass Klienten Veränderungen offen und bereit gegenüberstehen. Doch wie kann man jemanden dazu motivieren, der sich entweder nicht verändern möchte oder sich nicht dazu in der Lage fühlt?“ (Auszug aus dem Klappentext). Die Autoren führen praxisorientiert in den Ansatz der Motivierenden Gesprächsführung nach Miller und Rollnick ein.

Autoren

Catherine Fuller war zehn Jahre in leitender Funktion in der Bewährungshilfe in Großbritannien tätig und arbeitet heute als Trainerin und Beraterin. Phil Taylor arbeitete 30 Jahre in der britischen Bewährungshilfe und ist heute ebenfalls als Berater und Trainer tätig.

Entstehungshintergrund

Das aus dem Englischen übersetzte Buch (Original: „A Toolkit of Motivational Skills. Encouraging und Supporting Change in Individuals“ – 2nd Edition; John Wiley + Sons) geht zurück auf ein „Instrumenten-Buch“ für motivierende Gesprächsführung, welches im Jahre 2003 für die britische Bewährungshilfe entwickelt worden ist. Die Autoren bereiten den Ansatz von Miller und Rollnick didaktisch und praxisorientiert auf. Das Buch soll – so die Autoren – jede Personen ansprechen, die „jemand anderem dabei hilft, sich zu ändern.“ Obwohl in der Übersetzung von „Therapietools“ die Rede ist, sind ausdrücklich alle Fachpersonen im psychosozialen Arbeitsfeld angesprochen.

Aufbau und Inhalt

Das Buch – es ist vielmehr ein Arbeitsheft oder Methodenmanual – gliedert sich in 16 Kapitel. Es ist mit Comics, Symbolen, Grafiken und Darstellungen illustriert und beinhaltet insgesamt 66 Arbeitsblätter. Diese können für den Eigengebrauch im beraterischen Alltag leicht auf DIN A4-Blätter herauskopiert werden.

Das Buch strukturiert sich wie eine Begleitlektüre eines gut durchdachten Seminars zu motivierender Gesprächsführung: Es ist nach didaktischen Prinzipien aufgebaut, führt den Leser mit Grafiken und Comics an die Themen heran, bietet Möglichkeiten zur Selbstreflexion, stellt Arbeitsblätter bereit und folgt inhaltlich der Logik des transtheoretischen Modells der Veränderung von Prochaska und DiClemente. Die entsprechenden Veränderungsstufen werden chronologisch abgearbeitet. Das bedeutet, dass die Passagen im Buch parallel zum Beratungsprozess eingesetzt werden können.

Nach einer kurzen Einführung in den Ansatz der motivierenden Gesprächsführung (Kap. 1), der Wirksamkeit und Indikation (Kap. 2) und einer didaktischen Einführung mit Anleitungen zum Lernen sowie Selbsterfahrungsübungen (Kap. 3) folgt das Buch ab dem Kapitel 4 („Rapport herstellen und Vereinbarungen treffen“), welches die Autoren ergänzend zu den Ansätzen von Miller und Rollnick zusätzlich einbringen, der Gliederungsstruktur des transtheoretischen Veränderungsmodells: Im Kapitel 5 soll die aktuelle Veränderungsstufe und die dazu gehörige Motivation herausgearbeitet werden. Das Kapitel 6 vertieft das transtheoretische Modell, während in den Kapiteln 7, 8 und 9 die spezifische Gesprächstechnik der motivierenden Gesprächsführung dargestellt wird und direkt geübt werden kann. Das Kapitel 10, „Widerstand umlenken“, fokussiert auf Gesprächstechniken im Umgang mit Widerstand. Die nachfolgenden Kapitel „Ambivalenz untersuchen“ (Kap. 11), „Veränderungsmotivation entwickeln“ (Kap. 12), „Bestätigen und Vertrauen in die Veränderung geben“ (Kap. 13), „Motivierende Handlungsplanung“ (Kap. 14) und „Die Veränderung unterstützen“ (Kap. 15), führen in die jeweils stufenspezifischen Interventionen zur Motivationsförderung ein, weil Menschen in den unterschiedlichen Stufen der Veränderung, von einander abweichende Interventionen benötigen. Im letzten Kapitel „Alles zusammenfügen: Fertigkeiten entwickeln“ geben die Autoren nochmals einen Überblick zum Inhalt und zeigen Lernmethoden sowie Formen des kollegialen Austausches auf, wie die motivierende Gesprächsführung in Organisationen eingeübt werden kann.

Diskussion

Dieses erfreuliche Manual schließt eine wesentliche Lücke in der Umsetzung der motivierenden Gesprächsführung. Die Autoren haben es sehr gut geschafft, die teilweise diffusen, redundanten und wenig operationalisierten Konzepte von Miller und Rollnick („it's the specific spirit of…“) in eine ansprechende, praxistaugliche Form zu bringen und einen sinnvollen Ablauf für die Anwendung zu strukturieren. Diese Weiterentwicklung der Methode ist sehr verdienstvoll und ein großer Gewinn für die Praxis.

Der Buchtitel „Therapie-Tool“ ist tatsächlich verwirrend, weil sich die Materialien gut für einen sozialarbeiterischen, sozialpädagogischen und beraterischen Kontext eignen. Je nach Arbeitsfeld müssen die Arbeitsblätter noch adaptiert werden. Insbesondere in Zwangskontexten suggerieren einige Arbeitsblätter den Klienten eine „Wahlmöglichkeit“, die faktisch nicht vorhanden ist und dazu führen kann, dass Abhängigkeiten und Sanktionen „schöngeredet“ werden. In der Praxis erfordern einige Arbeitsblätter auch sprachliche Veränderungen, beispielsweise wenn mit Jugendlichen gearbeitet wird oder die Klienten über wenig Bildung verfügen. Die Vermischung von theoretischen Erläuterungen, Arbeitsblättern für die Selbstreflexion des Beraters und Arbeitsblättern für die Klienten erschwert leider die Orientierung im Buch. Dies hätte gestalterisch noch besser gelöst werden können. Insgesamt sind die 66 Arbeitsblätter zu umfangreich geraten. Bei ähnlichen Therapie-Manualen wird meistens eine CD-ROM mit den Materialien mitgeliefert, was ich hier vermisse. So könnte der praktische Wert des Buches noch weiter gesteigert werden.

Diejenigen Leser, welche sich eine theoretisch fundierte Lektüre wünschen, werden im Buch auf weitere (ausschließlich) englischsprachige Lektüre verwiesen. Leider fehlen Hinweise auf die mittlerweile weit verbreiteten deutschsprachigen Werke zur motivierenden Gesprächsführung und deren Anwendung in den verschiedenen psychosozialen Arbeitsfeldern. Der Verknüpfung von Theorie und Praxis wurde – trotz des Umfangs von 270 (großformatigen) Seiten – weniger Aufmerksamkeit geschenkt, als der nachvollziehbaren und anwendungsorientierten Darstellung der konkreten Interventionen. Diese Ausrichtung des Buches auf die Bedürfnisse der Didaktik und der Praxisanwendung kann damit ein methodisches Arbeiten fördern, welches sich – theoretisch nur oberflächlich alimentiert – mit technischen Hinweisen, anschaulichen Arbeitsblättern und praktischen Kommunikationstipps begnügen will. Besonders für die Bedürfnisse der Lehre und Weiterbildung ist dieser Umstand zu bedenken. Die Anwendung des Buches setzt eine gründliche Einarbeitung in die relevanten Theorien, die hinter der motivierenden Gesprächsführung stehen, voraus. Trotz dieser Einschränkung ist das nützliche Buch ein großer Gewinn für die Praxis, auch wenn sich berufserfahrene Kollegen mit den seitenlangen Hinweisen, was unter „offenen Fragen“ zu verstehen ist oder wie „aktives Zuhören“ umgesetzt werden soll, vielleicht langweilen werden…

Fazit

Ein erfreuliches Arbeitsbuch und Manual zur motivierenden Gesprächsführung, welches – theoretische Vorkenntnisse und jeweilige kritische Kontextmodifikationen vorausgesetzt – uneingeschränkt an Studierende und Praktiker der Sozialen Arbeit empfohlen werden kann, welche die motivierende Gesprächsführung für ihre Beratungspraxis weiter vertiefen und vor allem praxisnah konkretisieren wollen.

Rezension von
Patrick Zobrist
M.A./Sozialarbeiter, Dozent/Projektleiter, Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, Luzern (Schweiz)
Mailformular

Es gibt 8 Rezensionen von Patrick Zobrist.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245