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Fançoise Alsaker: Mutig gegen Mobbing in Kindergarten und Schule

Rezensiert von Dipl. Sozialpädagogin Monika Hirsch-Sprätz, 23.11.2012

Cover Fançoise Alsaker: Mutig gegen Mobbing in Kindergarten und Schule ISBN 978-3-456-84913-3

Fançoise Alsaker: Mutig gegen Mobbing in Kindergarten und Schule. Verlag Hans Huber (Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2012. 271 Seiten. ISBN 978-3-456-84913-3. 29,95 EUR.

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Thema

Mobbing unter Kindern hat viele Gesichter. Es kann in Schule, auf dem Spielplatz, auf dem Nachhause- oder Schulweg, im Internet oder per SMS stattfinden, grob und offensichtlich sein, subtil oder versteckt.

„Mutig gegen Mobbing“ ist ein wissenschaftlich fundiertes und in der Praxis erprobtes Programm gegen Gewalt in Kindergärten und Schulen. Es bietet Fachpersonen wie LehrerInnen, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen und Eltern ein umfangreiches Instrumentarium, um präventiv und erfolgreich zu intervenieren.

Das Buch will Mut machen, eigene Vorstellungen zu überdenken, Handlungsmuster zu verändern und über unangenehme Themen zu sprechen. Die Herausgeberin/Autorin plädiert für einen sorgfältigen Umgang mit dem Mobbingbegriff und gleichzeitig für einen wachsamen Blick auf Mobbing-Situationen, die noch viel zu häufig nicht als solche erkannt werden. Das Buch soll helfen, Mobbing-Prävention praxisnah, aber auf wissenschaftlicher Basis, in den Schulalltag zu integrieren.

In diesem Buch treffen Forschung und Praxis aufeinander. Im Zentrum stehen sowohl das Wissen über Mobbing, wie auch die Handlungsmöglichkeiten gegen Mobbing. Grundlage für die Praxis bilden internationale und schweizerische Forschungsprojekte und das Wissen aus Präventionsprogrammen unterschiedlicher Länder. Hinzu kommen Praxisbeispiele aus dem Alltag von Schulen.

Autorin

Prof. Dr. Françoise D. Alsaker ist Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Bern, am Institut für Psychologie, Schweiz. Mobbing unter Kindern, sowie seine Prävention und die psychosoziale Gesundheit von Jugendlichen, stehen seit vielen Jahren im Zentrum ihrer Forschungsprojekte. Sie hat die Mobbingforschung international geprägt und u.a. die Kandersteg-Deklaration gegen Mobbing initiiert, die von Forschern aus der ganzen Welt unterschrieben wurde. Sie ist Herausgeberin und Autorin des vorliegenden Bandes.

Aufbau und Inhalt

Das Werk mit seinen 271 Seiten beginnt mit dem Inhaltsverzeichnis, das sich aufgliedert in

  • Vorwort (S. 9-10),
  • Ersten Teil mit den Kapiteln 1-8 (S. 11-140),
  • Zweiten Teil mit den Kapiteln 9-14 (S. 141-231),
  • Anhängen A-D (S. 233-254),
  • Literaturverzeichnis (S. 255-265),
  • Stichwortverzeichnis (S. 267-271).

Der Erste Teil beschreibt den ersten Schritt zur Prävention durch das Vermitteln von Grundwissen über und die Sensibilisierung für Mobbing. Der Autorin ist es wichtig, Handlungen und Prozesse aufzuzeigen, die für die Früherkennung von Mobbing und das Vorgehen gegen Mobbing wichtig sind.

Der Zweite Teil ist dem heutigen Wissensstand zu Prävention und Intervention von Mobbing gewidmet. Das Berner-Programm gegen Mobbing in Kindergarten und Schule, Be-Prox genannt, wird detailliert dargestellt und bereits erprobte Umsetzungsmöglichkeiten beispielhaft eingesetzt.

Im Ersten Teil geht es in den Kapiteln (1-8) um

1. Begrifflichkeiten von Mobbing;

2. verschiedene Formen von Mobbing, wie direkte und indirekte Attacken oder Cybermobbing;

3. Schlüsselaspekte von Mobbing, wie Demütigung, Erniedrigung, Schweigen, Spaß am Tun, Hilflosigkeit und Ausweglosigkeit bei Opfern und deren Isolation;

4. Mobbing in Zahlen;

5. die Rollen im Mobbing-Geschehen, die direkt Beteiligten, Hauptakteure, ihre Helfer, die Zeugen und die Rolle der Erwachsenen;

6. die Entstehung und Aufrechterhaltung von Mobbing und die Umfeldbedingungen wie z.B. Klasse, Schulklima, Einstellung und Verhalten der Lehrenden, die Familie, etc., aber auch um Schutz vor Mobbing durch z.B. gute Freundschaften;

7. die Entstehung und Aufrechterhaltung von Mobbing und die individuellen Verletzbarkeiten, wie z.B. Kräfteverhältnisse, Einfühlungsvermögen, soziale Kompetenzen, sprachliche Kompetenzen und Migrationshintergrund, Werte- und Moralentwicklung, etc;

8. die krankmachenden Folgen von Mobbing, psychisch und physisch, aber auch Selbstmord, Tod, Cyber-Mobbing.

Im Zweiten Teil werden in den Kapiteln (9-14)

9. vorbereitende Schritte zur Mobbingarbeit, wie Sensibilisierung, persönliche Einstellungen, Mobbingprävention als Frage der Wertigkeit und den Kontakt zwischen Schule und Eltern aufgezeigt;

10. Hinweise zum Erkennen von Mobbing gegeben, durch differenzierte Beobachtungen, Erkennen von Mustern oder Warnsignalen, das Erstellen des „Social Cluster Mapping“ (eine Art des Soziogramms) oder auch SchülerInnen als Informanten zu nutzen;

11. die Macht des Schweigens angesprochen und die Kraft des Redens, wie auch die Nachhaltigkeit von Kommunikation;

12. der Zusammenhalt der Klassen über einen Verhaltensvertrag, dessen Verbindlichkeit und konsequentes Handeln benannt, auch die Kandersteg-Deklaration (Initiative der TeilnehmerInnen der internationalen Konferenz „Efforts against victimization“ in Kandersteg/Schweiz vom 8.-10. Juni 2007) beispielhaft aufgeführt;

13. das Stärken von Kompetenzen und Nutzen von Ressourcen herausgearbeitet, was nur durch die Arbeit mit allen SchülerInnen in ihren jeweiligen Rollen möglich ist. Es geht hier um die Stärkung der sozialen Fähigkeiten der SchülerInnen, um eine aktive Haltung gegen Mobbing zu erreichen;

14. die Nachhaltigkeit von Mobbing-Prävention über definierte Ziele, den Zusammenhalt auch unter LehrerInnen und die Mobbing-Prävention im Alltag aufgezeigt.

Das Berner Präventionsprogramm Be-Prox, wurde zuerst für den Kindergartenbereich und dann für die Schulstufen entwickelt, gleichzeitig evaluiert und beruht als evidenzbasiertes Programm auf einer wissenschaftlichen Basis. Zwei Kriterien waren von Wichtigkeit: die Praxisnähe und die Umsetzbarkeit im Schulalltag. Dazu wurde ein Video (Original in Schweizerdeutsch), Informationen für Eltern und Anleitungen zum Selbststudium erarbeitet. Als übergeordnetes Prinzip galt, die Handlungsfähigkeit der Lehrenden zu stärken.

Unterstützt werden die einzelnen Kapitel von Merkfeldern mit wichtigen Hinweisen in Fettdruck, Schaubildern, Tabellen, Abbildungen, Statistiken, Soziogrammen, Fragebögen, Zeichnungen von Kindergartenkindern, weiteren Fotos mit integrierten Zeichnungen (aus der Alsaker-Gruppe für Prävention) und beschriebenen Fallbeispielen oder Eigenberichten von SchülerInnen.

Inhalte in den Anhängen A-D sind:

  • Anhang A (S. 233-241): Ein Fragebogen für SchülerInnen der 4. bis 10. Klasse mit möglichen Erweiterungen des Fragebogens u.a. auch in Richtung Cyber-Mobbing und ein Fragebogen für die Lehrpersonen über Mobbing-Vorkommnisse seit Schuljahresbeginn.
  • Anhang B (S. 243-247): Beinhaltet für Kindergarten und Unterstufe ein Kinderinterview zu Mobbing.
  • Anhang C (S. 249-250): Hier geht es um die Gruppenbildungen in der Klasse.
  • Anhang D (S. 251-254): 1. Beobachtungen durch Lehrpersonen und 2. das Beispiel eines Protokollbogens zur täglichen Beobachtung von möglichen Mobbing-Vorfällen.

Das Literaturverzeichnis ist ein wissenschaftliches und weist neben internationalen Autoren auch etliche Werke von Françoise selbst auf.

Mit einem alphabetischen Sachwortverzeichnis endet das Buch.

Diskussion

Es freut mich, dass ein Schwerpunkt des Programms die Kommunikation zwischen LehrerInnen und SchülerInnen, wie auch zu den Eltern ist. So wird u.a. für das Format des wöchentlichen Klassenrates geworben, das meiner Meinung nach in jede Schulklasse von der ersten Grundschulklasse an gehört und hier evaluiert, auch von LehrerInnen positiv aufgenommen wurde. Endlich stehen auch die Bedürfnisse der Kinder im Vordergrund nach dem Motto: „Kinder zu Wort kommen lassen!“ und wird die Verantwortung der Erwachsenen im Kontext benannt, was mir in manch anderem Werk oft fehlte. Auch wird die Bereicherung und Wertschätzung von Vielfalt und der Akzeptanz individueller Unterschiede Rechnung getragen.

Dem Buch ist der wissenschaftliche Anspruch anzumerken. Viel interessanter Stoff, zahlreiche Anregungen aus der Praxis, jedoch fast ein bisschen zu textlastig für die Praxis. Das wäre zu diskutieren. Hervorzuheben ist, dass die aktive Rolle der LehrerInnen als Verantwortliche für den Verlauf des Geschehens, Teil des Programms ist, auch bzgl. der Arbeit mit Eltern.

Die sich pro Kapitel wiederholenden ‚Anregungen zum Nachdenken‘ oder ‚Umsetzungsüberlegungen‘ geben sinnvolle Gedankenanstöße für Lehrpersonen oder andere Erwachsene zur individuellen Weiterarbeit am jeweiligen Thema und fordern zum Aktiv-werden auf. Auch die eingeflochtenen ‚Praxisbeispiele‘ zeigen erprobte Unterstützungsmöglichkeiten auf. Das Einhalten von Regeln und die Fixierung in einem Verhaltensvertrag geben Orientierung, was möglich ist.

Françoise D. Alsaker macht Kindern wie Erwachsenen Mut, ihren Gefühlen Aufmerksamkeit zu schenken, ihnen zu vertrauen, wenn es um die Wahrnehmung von gefährlichen Situationen geht, bevor es zu ersten Beweisen einer beginnenden oder vorhandenen Mobbingsituation kommt.

Hilfreich ist der internationale Blick der Autorin über die Schweizer Staatsgrenzen hinaus, den sie nutzt, um das Thema gründlich und ganzheitlich in der Praxis- und im Wissenschaftsbereich anzugehen.

Fazit

Gefallen hat mir, dass Françoise D. Alsaker sich mit dem Präventionsprogramm der Realität des sich wiederholten Aufkommens von Mobbing widmet – also nicht die Maxime: vertritt: Einmal Mobbing bekämpft, tritt es nie mehr auf und man kann sich wieder anderen Dingen widmen. Im Gegenteil, sie weist darauf hin, dass erst durch die erworbene Handlungskompetenz die Sicherheit im Umgang mit sich wiederholendem Mobbing steigt und damit Nachhaltigkeit gewährleistet wird.

Wie Frau Alsaker, bin ich ebenfalls der Meinung, dass eine Notwendigkeit der Anti-Mobbingarbeit ist, das Wissen über Mobbing und den präventiven Umgang damit in der Aus- und Weiterbildung von LehrerInnen und anderem Fachpersonal zu verankern. „Es braucht Mut zu erkennen, dass Wegschauen auch Gewalt ist. Es braucht noch mehr Mut, sich zu entscheiden, hinzuschauen und zu handeln. Unsere Gesellschaft braucht mutige Kinder, die morgen mutige Erwachsene sein werden; dazu müssen die Erwachsenen von heute den Mut aufbringen, den Kindern diesen Weg zu weisen und sie auf ihm zu begleiten.“ So der Hinweis der Autorin im Vorwort.

Kinder benötigen die Erfahrung klarer Einstellungen und Grenzziehungen, also eindeutigen Verhaltens von Erwachsenen gegen Mobbing, um selbstbewusst und wertschätzend mit sich durch die Welt gehen zu können. Dann können sie auch Andere so behandeln. Eine solche Haltung lässt auch Mobbing keine Chance.

Rezension von
Dipl. Sozialpädagogin Monika Hirsch-Sprätz
Supervisorin, Mediatorin und Leiterin der Mobbingberatung Berlin-Brandenburg. Arbeitsschwerpunkte: Information, Beratung, Training, Moderation, Konfliktmanagement, Mediation, Kooperation mit interdisziplinärem Experten-Netzwerk. Face-to-Face- und Online-Beratung. Bereiche: Schule, Ausbildung und Arbeitswelt.
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Es gibt 25 Rezensionen von Monika Hirsch-Sprätz.

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Zitiervorschlag
Monika Hirsch-Sprätz. Rezension vom 23.11.2012 zu: Fançoise Alsaker: Mutig gegen Mobbing in Kindergarten und Schule. Verlag Hans Huber (Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2012. ISBN 978-3-456-84913-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/13135.php, Datum des Zugriffs 20.09.2024.


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