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Nicolai Hannig, Hiram Kümper: Rezensionen. Finden - verstehen - schreiben

Rezensiert von Prof. Dr. Harro Kähler, 12.12.2012

Cover Nicolai Hannig, Hiram Kümper: Rezensionen. Finden - verstehen - schreiben ISBN 978-3-89974-648-8

Nicolai Hannig, Hiram Kümper: Rezensionen. Finden - verstehen - schreiben. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2012. 159 Seiten. ISBN 978-3-89974-648-8. D: 12,80 EUR, A: 13,20 EUR.
Reihe: Ratgeber.

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Thema

Für die Rezeption wissenschaftlicher Texte spielen Rezensionen zweifellos eine wichtige Rolle. Um so verwunderlicher ist es, dass es kaum eigenständige Untersuchungen und Veröffentlichungen zu dieser Textsorte gibt, geschweige denn eine nennenswerte Anerkennung im Wissenschafts- und Literaturbetrieb. Hier Abhilfe zu schaffen ist das Anliegen der Autoren dieses kleinen Buchs. Es will NutzerInnen und AutorInnen von Rezensionen Hilfestellung bieten, indem es über das Wesen und die Funktion von Rezensionen informiert, wichtige Hinweise auf das Verfassen von und auf das Umgehen mit Rezensionen zusammenstellt und Beispiele sowie Fundorte von Rezensionen dokumentiert. Dabei geht es in erster Linie um Rezensionen von Fachbüchern aus dem geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereich – Rezensionen zu belletristischer Literatur werden nur am Rande erwähnt.

Entstehungshintergrund und Zielsetzung

Die Autoren berichten von einer Begegnung mit dem Verleger des Wochenschau Verlages, Bernward Debus, anlässlich einer Konferenz für Geschichtsdidaktik im Jahr 2009, bei der es um den Orientierungsbedarf zum Thema Rezensionen ging. „Aus einem zufälligen Treffen in der Hotellobby reifte schließlich die Idee, eine an der Praxis orientierte Einführung zu schreiben. Entstanden ist daraus nun ein Arbeitsbuch, in dem wir die vielen unterschiedlichen Varianten einer Rezension vorstellen, Aufbau- und Formulierungsvorschläge geben, Recherchetipps präsentieren und Arbeitsformen anempfehlen, aber auch eine knappe Geschichte des Rezensionswesens erzählen und zugleich einen Einblick in die Kulturen der gegenwärtigen Rezensionslandschaft geben.“ (S. 5)

Autoren

Dr. Nicolai Hannig ist laut Buchrücken wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere und Zeitgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dr. Hiram Kümper ist Akademischer Rat für Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit an der Universität Bielefeld.

Aufbau und Inhalt

Nach einem Vorwort informieren die Autoren zunächst über folgende Punkte:

  • Was sind Rezensionen?
  • Wozu Rezensionen?
  • Wozu rezensieren?
  • Rezensionen als Einstieg in das wissenschaftliche Publizieren
  • Wie werde ich eigentlich Rezensent?
  • Rezensent und Verfasser – ein schwieriges Verhältnis

Im zweiten Kapitel informieren die Autoren über die Geschichte des Rezensionswesens bis zu neuen Entwicklungen im Internetzeitalter. Auch gehen sie auf die Besonderheiten bei Rezensionen von Fachbüchern – dem Hauptgegenstand des Buchs – ein, sowie auf die Bedeutung des Feuilletons von Tages- und Wochenzeitungen für das Rezensionswesen.

Im dritten Kapitel und darüber hinaus in einem ausführlichen Abschnitt am Ende des Buchs („Weiterführende Tipps und Links“) geben Hannig und Kümper Hinweise auf erfolgreiches Recherchieren bei der Suche nach Rezensionen. Die Tipps sind auch weiterführend und jenseits der Suche nach Rezensionen hilfreich. Chancen und Grenzen bestimmter Quellen und Suchstrategien werden verdeutlicht.

Das folgende Kapitel ist dem Thema „Rezensionen lesen und bewerten“ gewidmet. Dabei kann der Hinweis, dass Rezensionen „die Arbeit mit wissenschaftlicher Literatur unterstützen, nicht ersetzen“ (S. 72) soll, nicht stark genug herausgestellt werden, wie ohnehin auch in diesem Abschnitt wohltuend auf die potenziell nützliche Funktion von Rezensionen, aber auch auf ihre Grenzen hingewiesen wird. Ergänzend stellen die Autoren auch den hochschuldidaktischen Nutzen des Umgangs mit Rezensionen heraus.

Das letzte inhaltliche Kapitel hat das Thema „Rezensionen schreiben“ zum Gegenstand. Auch hier gilt, dass die vorgestellten Informationen über das Verfassen von Rezensionen hinaus anregend für das Verfassen anderer Textsorten sein dürften. So werden beispielsweise Lektüre- und Auswertungsvorschläge vorgestellt, an Hand von kommentierten Auszügen veröffentlichter Rezensionen Beispiele für die Strukturierung von Rezensionstexten gegeben sowie ein Strukturierungsvorschlag für die Rezension einer Monografie vorgestellt (S. 113). In Tabellen stellen die Autoren Formulierungsvorschläge für den berichtenden Teil (S. 116) und für die Bewertung (S. 118) einer Rezension vor.

Es folgen: eine Zusammenfassung des Argumentationsgangs, eine Übersicht über weiterführende Tipps und Links sowie einige Beispielrezensionen.

Diskussion

Dass das Buch von Historikern geschrieben wurde, macht sich an einigen Stellen (z.B. zur Geschichte des Rezensionswesens, bei den Beispielrezensionen und bei den Hinweisen auf Recherchemöglichkeiten) bemerkbar. Dies stellt aber eher eine Bereicherung für Nicht-Historiker wie den Rezensenten dar, erweitern diese Informationen doch deutlich den Horizont. Im Übrigen trägt wahrscheinlich das seriöse methodische Handwerkszeug der Historiker dazu bei, dass die vorgestellten Informationen quer zu den Geistes- und Sozialwissenschaften sorgfältig recherchiert und für die Angehörigen und NutzerInnen dieser Disziplinen jenseits der Geschichtswissenschaft ausgesprochen hilfreich sind.

Positiv schlägt auch geschichtsdidaktische Kompetenz der Autoren auf die Darstellung durch. Der Text ist klar strukturiert und leicht verständlich geschrieben – die Lektüre befriedigt, weil sie sich lohnt. Die didaktische Kompetenz wird auch in den Passagen des Buchs sichtbar, in denen die Autoren das Schreiben von Rezensionen als Teil der studentischen Ausbildung vorstellen. Das Buch regt dazu an, das Studienziel „Kritik lernen“ durch das Verfertigen von „Studienrezensionen“ in der Hochschulausbildung zu fördern. Dazu gibt es klare Vorgaben, sogar ein Arbeitsblatt (S. 78-79), das, modifiziert und spezifiziert auf die jeweiligen Studienziele eines Fachs, ausgesprochen hilfreich sein dürfte. Dabei verschweigen die Autoren nicht, dass HochschullehrerInnen, die sich dieser Aufgabe stellen wollen, mit zeitaufwendiger Begleitung der Studierenden rechnen müssen. Alle Erfahrungen sprächen aber dafür, dass sich dieser Aufwand lohnt.

Dass in einem Arbeitsbuch mit bescheidenem Umfang zu einem derart komplexen Thema nicht alle Aspekte thematisiert sein können, versteht sich von selbst. Die folgenden Passagen seien daher nicht als billige Auslassungskritik zu verstehen, sondern als Anregungen für eine Berücksichtigung bei einer hoffentlich notwendigen Neuauflage:

  • Rezensionen in Printmedien und im Internet. Die Autoren attestieren den im Internet verbreiteten Rezensionen erstaunlich wenig Unterschiede zu den geläufigen Printvarianten. Dem stimme ich zu – eindeutig sind der Leitfaden für socialnet Rezensionen und allgemein die Hinweise für RezensentInnen, an denen sich die bei socialnet veröffentlichten Rezensionen orientieren, aus den gängigen Konventionen des Rezensionswesens abgeleitet. Aus meiner Sicht gibt es aber im Vergleich zu den Rezensionen in gedruckten Fachzeitschriften interessante Unterschiede:
    1. Es gibt, im Gegensatz zu den Printmedien mit ihren Kapazitätsbeschränkungen, in den Internetrezensionen prinzipiell keine durch das Medium vorgegebene Beschränkungen des Umfangs. Deshalb gibt es bei socialnet ausgesprochen umfangreiche Rezensionen. Wenn Buch und Rezension einen größeren Umfang sinnvoll, weil für die NutzerInnen gewinnversprechend, erscheinen lassen, muss es keine Platzbeschränkung geben. Umgekehrt sollte eine Rezension auch im Internet natürlich nur so umfangreich sein, dass sie ihren zentralen Aufgaben – Information und Bewertung – zeitökonomisch gerecht wird.
    2. Im Internet veröffentlichte Rezensionen werden in aller Regel direkt am Bildschirm gelesen und erst dann ausgedruckt, wenn sie den Lektüretest bestanden haben und noch in gedruckter Form anderweitig benötigt werden. Die Lektüre am Bildschirm macht es erforderlich, mit einer stärkeren Strukturierung des Textes zu arbeiten, als es bei Printversionen notwendig ist. Dies ist der Hintergrund, weshalb Rezensionen bei socialnet überdurchschnittlich viele Überschriften und andere Strukturhilfen wie Auflistungen und Aufzählungen aufweisen. Dass diese Vorgaben möglicherweise auch auf den Inhalt der Rezension Einfluss nehmen, halte ich für sehr wahrscheinlich.
    3. Auf Rezensionen im Internet lassen sich schneller Reaktionen veröffentlichen. So gibt es bei socialnet viele Rezensionen, bei denen Kommentare der Autoren mit Antworten der Rezensenten angefügt wurden. In einigen Fällen kann eine zusätzliche Rezension andere Gesichtspunkte betonen, als sie in einer früheren Rezension veröffentlicht wurden - durch Verlinken mehrerer Rezensionen zu einem Titel können sich die LeserInnen ein differenziertes Bild machen. Manchmal gelingt es, vorn vornherein mehrere Rezensionen zu einem Titel zu realisieren. Grundsätzlich bieten Rezensionen im Internet vielfältige interaktive Möglichkeiten des Kommentierens an, hier ist in Zukunft mit interessanten Entwicklungen zu rechnen. Grundsätzlich zu unterscheiden ist dabei zwischen redaktionsgesteuerter und offener Kommentierung.
  • Finanzierungsfragen. Auf die Finanzierung von Rezensionen gehen die Autoren an verschiedenen Stellen eher kursorisch ein, z.B. bei der Frage der Bezahlung der Rezensionstätigkeit für RezensentInnen, aber auch bei der Vorstellung des Rezensionswesens in den Feuilletons von Tages- und Wochenzeitungen, bei denen die Marktmechanismen eine Bedeutung bei der Auswahl der Rezensionsprojekte spielen dürften. Bei den privatwirtschaftlich organisierten Rezensionsforen wird die Frage nach der Finanzierung aber weitgehend ausgespart, obwohl sie langfristig eine größere Rolle spielen dürfte. Denn was für die NutzerInnen – bis auf wenige Ausnahmen – kostenfrei ist, ist doch bei der Bereitstellung der Rezensionen mit Kosten verbunden. Wie diese Kosten dauerhaft und ohne Aufgabe der dringend notwendigen Unabhängigkeit getragen werden können, wird eines der interessantesten Themen für die Zukunft des Rezensionswesens im Internet sein.
  • Empirische Fundierung. Bei diesem Punkt wird auch deutlich, dass es für viele Bereiche des Rezensionswesens kaum zuverlässige Informationen, geschweige denn systematische Forschung gibt. Nicht nur die Finanzierungsproblematik sondern auch die Frage nach der Auswahl der Rezensionsprojekte verdient empirischer Analysen. Angesichts der Bedeutung des Rezensionswesens für die Verbreitung von Neuerscheinungen verwundert es, dass es keine seriöse Analyse über die Auswahlkriterien gibt. Liegt es daran, dass keiner der Beteiligten – Verlage, AutorInnen, NutzerInnen, Redaktionen – ernsthaft an dieser Frage interessiert ist? Aus der empirischen Sozialforschung ist bekannt, dass nur solche Fragen Gegenstand von Untersuchungen werden, für die es auch eine Finanzierung gibt. Ein anderes Beispiel: mit Recht gehen die Autoren auf das problematische Verhältnis zwischen AutorInnen und RezensentInnen ein (S.21-24). Über anekdotenhafte Berichte über derartige Kontroversen hinaus weiß man wenig Genaues über dieses spannungsreiche und delikate Verhältnis. Besonders hier ist mit Unterschieden zwischen Print-Medien und Internet-Veröffentlichungen zu rechnen, da mögliche Reaktionszeiten deutlich geringer ausfallen. socialnet verfügt mittlerweile über vielfältige Erfahrungen im Umgang mit Kritik, die insbesondere von AutorInnen und Verlagen der besprochenen Bücher geäußert werden (vgl. auch die Richtlinien für den Umgang mit kritisch ausfallenden Rezensionen). Gelegentlich wird sogar explizit die sofortige Entfernung einer veröffentlichten Rezension verlangt. Zum Glück gelingt es überwiegend, die kontroversen Ansichten im Anschluss an die kritisierte Rezension zu veröffentlichen und damit den NutzerInnen eine Bewertung zu überlassen. Vielleicht gibt es in den Geschichtswissenschaften – vielleicht sogar bei den Autoren dieses Buchs – Ressourcen, um diese und weitere Fragen in Zukunft näher zu beleuchten.

Fazit

Ein kleines Buch mit großem Nutzen für alle, die sich mit Rezensionen beschäftigen – als Verfasserinnen und Verfasser, als LeserInnen und Leser, als MitarbeiterInnen in Redaktionen und in Verlagen. Dass dieses Buch bisher gefehlt hat, merkt man spätestens dann, wenn man es zu Ende gelesen hat.

Rezension von
Prof. Dr. Harro Kähler
Bis zur Emiritierung Fachhochschullehrer an den Hochschulen Hagen, Dortmund und Düsseldorf. Bis 2019 Redakteur der socialnet Rezensionen, Mitarbeiter in der Redaktion des socialnet Lexikons.
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Zitiervorschlag
Harro Kähler. Rezension vom 12.12.2012 zu: Nicolai Hannig, Hiram Kümper: Rezensionen. Finden - verstehen - schreiben. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2012. ISBN 978-3-89974-648-8. Reihe: Ratgeber. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/13172.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.


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