Nadine Seiler, Denis Judge: Helfende Gespräche auf Englisch
Rezensiert von Wolfgang Dohrmann, 06.07.2012

Nadine Seiler, Denis Judge: Helfende Gespräche auf Englisch. Seiler Publishing (Ickenham, London UB10 8RR) 2012. 321 Seiten. ISBN 978-0-9571582-0-7.
Siehe auch Replik oder Kommentar am Ende der Rezension
Thema
Es handelt sich um ein umfangreiches Nachschlagewerk bzw. um einen Sprachführer für Psychologen, Therapeuten, Mediatoren, Sozialpädagogen und Angehörige ähnlicher beratender Berufe deutscher Erstsprache, die beratende Gespräche, oder, wie es im Titel heißt, „helfende Gespräche“ auf Englisch führen wollen.
Autorin und Autor
Verfasst wurde das Buch von Nadine Seiler und Denis Judge, die gemeinsam in London eine Gemeinschaftspraxis für psychosoziale Dienstleistungen, Elterncoaching, Mediation, Konfliktberatung usw. führen. Nadine Seiler (Erstsprache: Deutsch) ist Sozialarbeiterin, Denis Judge (Erstsprache: Englisch) ist Konfliktberater und Mediator. Erschienen ist das Buch im Eigenverlag in London.
Das Buch entstand aus der langjährigen Berufspraxis der Autoren aufgrund eines Mangels an geeigneten Sprachführern auf diesem Gebiet.
Aufbau
Das recht umfangreiche Buch ist nicht wie ein gewöhnliches Glossar aufgebaut, sondern in vier Themenbereiche und einen Anhang gegliedert. Die Themenbereiche tragen die Überschriften:
- English communication in psychosocial contexts – The Foundations / Englische Kommunikation im psychosozialen Kontext – Die Grundlagen
- Stages in the intervention process / Phasen im Interventionsprozess
- Professional interviewing skills / Methoden der Gesprächsführung
- Managing the professional-client relationship / Umgang mit Beziehungsstörungen.
Im Anhang findet sich jeweils ein Englisch – Deutsches Glossar zu den Bereichen
- Gefühle und Emotionen
- Erscheinungsbild und Körpersprache
- Das Ziel einer Intervention erläutern
- Interventionsarten
- Dienstleister und Organisationen
- Berufsbezeichnungen
Außerdem enthält das Buch je einen alphabetischen Index auf Englisch und auf Deutsch. Insgesamt also ein wirklich umfangreiches und angesichts der Vielfalt der Kapitel und Abschnitte übersichtlich gestaltetes Werk.
Die vier Themenbereiche enthalten Redewendungen, Fragen und Meinungsäußerungen auf Englisch und auf Deutsch und sind noch einmal in zahlreiche Themen unterteilt. Dabei wird jede Redewendung noch einmal in einem sprachlichen Kontext dargestellt, das sieht dann z.B. so aus:
Aus Themenfeld 1: Englische Kommunikation im psychosozialen Kontext; Thema 4: Gewissheit, Wahrscheinlichkeit, Möglichkeit; Abschnitt: Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit:
to be prone to sth
People who have been through traumatic experiences can be prone to anxieties
zu etw neigen
Menschen mit traumatischen Erlebnissen leiden häufiger unter Angstgefühlen. (S. 36)
Inhalt
Im Unterschied zu einem Glossar geht es hier um thematisch geordnete Redewendungen, die für eine Gesprächsführung nützlich sind. Ein beliebiges Beispiel: Beim Unterpunkt „Evaluation“ sind unter der Überschrift „Explaining the purpose of an evaluation“ die folgenden Phrasen mit den jeweils zugehörigen deutschen Übersetzungen genannt: „to assess the quality of a measure or a course of action; to review progress; to help a client to realise personal gains from sessions; to identify areas of growth; to provide the client with sth positive to carry into the future; to ensure accountability to clients and the public" (S. 119). Das Problem ist ja häufig, nicht nur das jeweils passende Wort für einen Sachverhalt im Wörterbuch zu finden (und auch das ist schwierig genug, man denke nur an die unterschiedlichen Bedeutungen des deutschen Wortes „Absatz“), man muss auch die Bedeutung im pädagogischen Kontext kennen und dann eine idiomatisch korrekte Phrase daraus bilden. Beispiel: „Ich übe Kritik immer auf der Verhaltensebene und nicht auf der persönlichen Ebene (S. 86)“. Gar nicht so einfach. Gerade in Gesprächssituationen, in denen man nicht munter drauflosreden kann, kommt es oft auf feine Zwischentöne an, wenn man klare Ansagen in einer verbindlichen Form äußern will: „With all due respect, now is the time to act, not in two weeks‘ time when it may well be too late“ (S. 55). Gerade heikle Situationen wie Beziehungsstörungen müssen klar angesprochen werden: „I sense that there is a lot of tension between us. I wonder if you also feel this way. Do you?“ (S. 176).
Diskussion
Es ist offensichtlich, dass dieses Buch aus langjähriger Praxis und Zusammenarbeit von zwei fachlich wie sprachlich versierten unterschiedlichen Muttersprachlern entstanden ist. Man sieht förmlich die Karteikärtchen (auf Papier oder im Notebook), auf denen ursprünglich wahrscheinlich zu jeder möglichen Situation die passenden Redewendungen vermerkt waren. Diese Praxisnähe ist die große Stärke dieses Buchs, aber sie ist auch eine Schwäche: Als Nachschlagewerk, in dem man schnell einmal etwas nachschauen kann, ist es nicht geeignet. Es ist eher ein Übungsbuch, in dem man sich mal das eine, mal das andere kurze Kapitel anschauen kann. Wenn es ein Zettelkasten wäre, könnte man die Phrasen mit seiner Hilfe systematisch lernen.
Fazit
Man hört gerne die Frage, warum es denn noch Nachschlagewerke bräuchte, wenn man doch alles „im Internet“ nachsehen könne. Dieses Buch ist ein gutes Beispiel dafür, dass eben nicht alles „im Internet“ geht. Es ist ein sehr spezielles Nischenprodukt für eine kleine Zielgruppe, die aber gerne damit arbeiten wird. Es wäre für seine Verbreitung sicherlich förderlicher, wenn es in Deutschland statt in England erschienen wäre, denn es wendet sich in Aufmachung und Sprachgebrauch klar an deutsche Leser/-innen, die sich auf eine berufliche Tätigkeit im englischsprachigen Raum vorbereiten möchten. Hier wiederum ist es eher ein Medium für die Arbeit am Schreibtisch, um sich sprachlich auf bestimmte Situationen vorzubereiten.
Rezension von
Wolfgang Dohrmann
M.A., Dozent am Pestalozzi-Fröbel-Haus, Berlin
Mailformular
Es gibt 8 Rezensionen von Wolfgang Dohrmann.