Heiko Roehl, Brigitte Winkler et al. (Hrsg.): Werkzeuge des Wandels. Die 30 wirksamsten Tools [...]
Rezensiert von Thomas Reinhardt, 23.04.2012
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Heiko Roehl, Brigitte Winkler, Martin Eppler, Caspar Fröhlich (Hrsg.): Werkzeuge des Wandels. Die 30 wirksamsten Tools des Change-Managements.
Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH
(Stuttgart) 2012.
250 Seiten.
ISBN 978-3-7910-3124-8.
D: 39,95 EUR,
A: 41,10 EUR,
CH: 54,00 sFr.
Reihe: Systemisches Management.
Herausgeberin und Herausgeber
Heiko Roehl, Brigitte Winkler, Martin Eppler, Caspar Fröhlich bilden gemeinsam das Redaktionsteam der im Fachverlag des Handelsblatts erscheinenden Zeitschrift für Organisationsentwicklung (ZOE).
Entstehungshintergrund
Das Buch enthält Best Practice Beispiele aus der Rubrik "Werkzeugkiste" der Zeitschrift für Organisationsentwicklung (ZOE). Die „Werkzeugkiste“ wurde vor 8 Jahren konzipiert und ist seither fester Bestandteil der ZOE. Die Herausgeber des Bandes bemerken, dass diese Rubrik "rasch zum Erfolgsmodell" wurde und viele der dargestellten Instrumente und Methoden zum "Standardrepertoire von Change-Management-Ausbildungen“ gehören. Klaus Doppler, der Autor des zum Klassiker avancierten Buches "Change Management" und Mitbegründer der mittlerweile 30 Jahre alten ZOE schreibt das Geleitwort zu diesem im Schaeffer-Poeschel Verlag erschienenen Sammelband. Er unterstreicht, dass es einerseits für die Gestaltung von Veränderungsprozessen solides handwerkliches Können und einer gut gefüllten Toolbox bedürfe, andererseits folgendes zu beachten ist: "Vorgefertigte Konzepte und Werkzeuge (sind) wie Kleider von der Stange. Manchmal passen sie hervorragend, nicht selten aber müssen sie angepasst werden."
Als Rezensent erlaube ich mir vorweg eine persönliche Meinung: der Band wird dadurch sympathisch, dass sowohl im eben erwähnten Geleitwort als auch im Epilog eine kritische Distanz zur Flut der Publikationen eingenommen wird, die „Werkzeuge“ oder „Tools“ für Berater, Therapeuten oder andere in diesem Metier Tätigen zu Verfügung stellen wollen. Diese Kritik schafft den notwendigen Abstand zu den vorgestellten Instrumenten, Methoden und Werkzeugen. Die so hergestellte Distanz ist notwendig, damit diese menschen- und sachgerecht, d.h. „professionell“, eingesetzt werden können. Doch dazu später mehr.
Aufbau und Inhalt
Kapitel 1 „Werkzeuge des Wandels“ stellt Heiko Roehl unter das Motto von Tom Waits: „Don't shoot me – the piano has been drinking“ und er weist auf die „seltsame Attraktivität“ hin, die Werkzeuge umso stärker auf Manager ausüben, je verworrener eine Situation ist. Damit der Nutzer sich nicht im Dschungel verliert, werden ihm die HEBEL-Fragen nahegelegt, die bei der Wahl des richtigen Instruments helfen sollen: Herausforderung – Einbettung – Begründung – Erfahrungswissen – Laufende Überprüfung. Im zweiten Kapitel wird der Werkzeugkasten geordnet, indem jedes „Tool“ seinen eigenen „Fingerabdruck“ erhält. Dieser Fingerabdruck umfasst Aufwand, Gruppengrösse, Freiheitsgrad und Gemeinschaftserlebnis. Diese vier Items werden jeweils zu Beginn der Darstellung des Tools in ihrer Ausprägung skaliert aufgeführt und helfen so dem Leser das richtige Instrument für den jeweiligen Einsatzbereich rasch zu finden. Weiter schlagen die Herausgeber 3 strukturierte Zugänge vor: 1.bezogen auf die Einsatzphase, 2. bezogen auf das Realisierungsmedium und 3. bezogen auf die institutionelle (Innen- oder Aussen) und zeitliche (Vergangenheit oder Zukunft) Orientierung. Abgeschlossen wird das zweite Kapitel mit einer Vorlage zur Gestaltung eines persönlichen „Tool Navigators“, der auch in einer Grafik dargestellt ist.
Die 30 Instrumente werden in den folgenden 7 Kapiteln dargestellt. Der Changeprozess wird, das kommt oft vor, als ein Prozess in 7 Schritten dargestellt. Die Schritte im Einzelnen:
- Den Wandel vorbereiten. Hier werden 5 Instrumente von der Auftragsklärung bis hin zur Projektarchitektur behandelt.
- Kontexte verstehen. Im vorliegenden Band stellt ZOE dem Diagnoseprozess als Voraussetzung erfolgreichen Wandels verschiedene Interview- ,Fragetechniken und soziale Analysemethoden zur Verfügung. Auch die auf Kurt Lewin zurückgehende Kraftfeld-Analyse wird kompakt aber ausreichend beschrieben. Ein Exkurs zu Appreciative Inquiry (wertschätzende Erkundung) wird unternommen.
- Zukünfte erleben. Hier soll, wie schon die Überschrift suggeriert, der „Möglichkeitssinn“ geschärft werden. Organisationsentwicklung will Energie für Veränderungsprozesse freisetzen und nutzt dafür verschiedene Techniken, die je nach Fragestellung eher psychosozial oder strategisch ausgerichtet sind. Die vier vorgestellten Techniken (Szenario-Technik, TPC-Matrix, Strategisches Roadmapping und Deep Democracy) tragen klingende Namen, spiegeln die unterschiedliche Zielsetzung wider und machen – auch dank der klangvollen Namen – neugierig sich hier tiefer einzuarbeiten.
- Lernen gestalten. Ohne Lernen kein Wandel. Gängige Methoden zur Gestaltung organisationaler Lernprozesse werden griffig dargestellt. Unter anderem geht es dabei um das Lernen aus Fehlern, was hier mit „Debriefing“ bezeichnet wird, um Aktionslernen und dem Nutzen von bewusst eingesetzten Feedbackschleifen für Veränderungen. Die Kasseler-Teampyramide wird vorgestellt.
- Organisationen bewegen. Wie können zur Beharrlichkeit neigende Systeme dynamisiert und zusätzlich zur Zukunftsarbeit energetisiert werden? Wie geht das praktisch? Sowohl unkonventionelle (Dynamic Facilitation) bis übliche (Mitarbeiterbefragung) Methoden werden übersichtlich dargestellt und machen neugierig, diese anzuwenden.
- Wandel vermitteln. Die Kommunikation des Wandels wird mit Kurzfilmen, Fokusgruppen und mit Blogs („organisationsweite Beteiligung am Veränderungsprozess in Echtzeit“) unterstützt.
- Veränderungen bewerten. Die Erfassung der positiven und negativen Resultate steht im Mittelpunkt des 9. Kapitels. Und hier finden wir auch härtere Instrumente, wie die von Kaplan und Norton 1996 entwickelte Balance Scorecard zur Darstellung des Verhältnisses zwischen den strategischen und den kurzfristig wirtschaftlichen Zielen mittels definierter Kennzahlen. Ein Glossar der wichtigen Begriffe macht die Darstellung des Outcome Mappings lehr- und hilfreich.
Das Buch endet mit dem lesenswerten und wie bereits erwähnten kritischen Epilog von Orthey: Gegen die „Vertoolisierung“ der Beratungsarbeit. Und wieder ist sie geschaffen, die für die professionelle Nutzung der dargestellten Instrumente notwendige Distanz des Beraters oder der Beraterin zu den Werkzeugen. Denn, „ganz wie im Baumarkt geht auch der Werkzeugklau in der Szene um: Tools werden vereinfacht, verbilligt, nachgefertigt und flugs umetikettiert…“. Es folgt noch die, mit Foto versehene, Auflistung der Herausgeber und das Verzeichnis der Autoren der Werkzeugkiste.
Übrigens: Der Abdruck erfolgt ziemlich identisch mit der Erstveröffentlichung in der ZOE, allerdings zum Teil grafisch optimiert und mit dezent ergänzten eyecatchern versehen. Jedem Instrument ist eine Literaturliste beigefügt. Zum Teil sind Internetadressen abgedruckt.
Diskussion und Fazit
„Werkzeuge des Wandels“ ist nicht nur „noch ein Buch“ mit Instrumenten. Davon gibt es viele und Beliebigkeit greift um sich. Nein, dieses Buch druckt Perlen ab, die in der ZOE seit 8 Jahren veröffentlicht wurden. Es sind Instrumente, die sich im Alltag offenbar bewährt haben und den Change-Managerinnen und Managern zumindest vom Hören-Sagen geläufig sind. Mit dieser kompakten Übersicht hat man schnell Zugriff dazu. Dabei sind es aber anspruchsvolle Techniken und sie entsprechen so gar nicht dem Wühltisch mit Sonderangeboten im Beratungssupermarkt. Man muss sich hineinarbeiten, sie auf den jeweiligen Bedarf hin anpassen, sich mit Theorie beschäftigen, um sie für die Praxis nutzbar zu machen. Mit diesem Band kann man das, ohne die ZOE durchsuchen zu müssen.
Die Instrumente sind auch aus ihrem historischen Kontext zu verstehen, neue Entwicklungen fliessen deshalb nicht so schnell hinein. Aber das mindert ihre Qualität in keiner Weise. Aber der Nutzer muss sich dessen bewusst sein. Die Aktualisierung und Weiterentwicklung ist gefordert.
Ein kritischer Punkt sehe ich darin, dass der Grossteil der Instrumente kaum Kennzahlen nutzt. Die Organisationsentwicklung ist stark in der Berücksichtigung des menschlichen in der Veränderung. Das ist gut so! Jedoch reicht es nicht immer. Eine stärkere Einbindung in die Instrumente des Wandels der sogenannten „harten“ Faktoren könnte eine notwendige Bereicherung der zukünftigen Werkzeuge der ZOE sein. Vielleicht ein Folgeband? In acht Jahren?
Rezension von
Thomas Reinhardt
Diplomierter Berater für Organisationsentwicklung. Arbeitet als interner Coach im Universitätsspital Basel und freiberuflich in den Bereichen Organisationsentwicklung, Gesundheitsmanagement, Konfliktmoderation, Coaching für Führungsverantwortliche, Teamentwicklung und Supervision. Schwerpunkte: Gesundheit und Führung, Change Management, Leadership, Kommunikation, Psychohygiene und Glück.
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