Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Thomas Stompe, Hans Schanda (Hrsg.): Sexueller Kindesmissbrauch und Pädophilie

Rezensiert von Dr. phil. Gernot Hahn, 08.10.2013

Cover Thomas Stompe, Hans Schanda (Hrsg.): Sexueller Kindesmissbrauch und Pädophilie ISBN 978-3-941468-72-6

Thomas Stompe, Hans Schanda (Hrsg.): Sexueller Kindesmissbrauch und Pädophilie. MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft (Berlin) 2013. 264 Seiten. ISBN 978-3-941468-72-6. D: 49,95 EUR, A: 51,45 EUR, CH: 85,50 sFr.
Wiener Schriftenreihe für Forensische Psychiatrie - 3.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Entstehungshintergrund und Thema

Der Sammelband enthält die Beiträge der 5. Wiener Frühjahrstagung für Forensische Psychiatrie und der Österreichischen Gutachtertagung.

Das weite Spektrum dieser Tagungen umfasst soziokulturelle, neurobiologische, familiendynamische, psychopathologische sowie rechtliche, kriminologische, therapeutische und viktimologische Aspekte des sexuellen Kindesmissbrauchs und der Pädophilie. Den Herausgebern geht es neben der Darstellung des aktuellen Forschungsstandes vor allem um eine Versachlichung der Thematik, die im gesellschaftlichen, vor allem medialen Diskurs meist zu kurz kommt.

Autoren und Herausgeber

Die Herausgeber arbeiten als Oberarzt an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Wien und in der Justizanstalt Göllersdorf (Thomas Stompe), Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Gutachter für gerichtliche Medizin (Werner Laubichler), sowie als Leiter der Justizanstalt Göllersdorf (Hans Schanda). Die Kongressbeiträge beinhalten Aufsätze namhafter wissenschaftlich und praktisch Tätiger im Feld der Täterbehandlung und -begutachtung, neben den Herausgebern u. a. von Wolfgang Berner (bis April 2010 Direktor des Instituts für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf) und Norbert Nedopil (Leiter der Abteilung für Forensische Psychiatrie an der Psychiatrischen Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München).

Aufbau und Inhalt

Der vorliegende Band beinhaltet 20 Einzelbeiträge die thematisch nicht weiter gegliedert sind. Der inhaltliche Bogen reicht von grundsätzlichen Beiträgen zur Epidemiologie und Phänomenologie des sexuellen Missbrauchs, sozial-kulturellen Überlegungen, bestimmten Missbrauchssituationen hin zu Behandlungsansätzen in der Tätertherapie und Hinweisen zur Begutachtungspraxis.

Sexueller Missbrauch Epidemiologie und Phänomenologie

Im Eröffnungsbeitrag beschäftigt sich Wolfgang Berner mit der Häufigkeit sexuellen Missbrauchs in unserer Gesellschaft und den unterschiedlichen Entstehungsbedingungen für diese Deliktart. Der Autor nähert sich der Thematik über die Gegenüberstellung der Polizeistatistik (10000 – 12000 Fälle pro Jahr) und Untersuchungen zum Dunkelfeld, wo – je nach Definition des Missbrauchsbegriffs- bis zu 20% der Frauen und ca. 10% der Männer über sexuelle Missbrauchserlebnisse berichten, um im Weiteren unterschiedliche Missbrauchsformen zu beschreiben. In einem Unterkapitel referiert Berner die Geschichte der Typologie der Missbrauchstäter von Krafft-Ebing bis zu modernen Klassifizierungsansätzen, wobei auf die beiden Tätergruppen der pädophilen und nicht-pädophilen Missbrauchstäter eingegangen wird.

Sexueller Missbrauch, Pädosexualität und Kultur

Thomas Stompe wählt einen sozio-kulturellen Zugang zur Thematik. Ausgehend von der Tatsache, dass die meisten modernen Gesellschaften der Gegenwart Kinder und Jugendliche vor sexuellen Übergriffen durch Erwachsene schützen, beschreibt er unterschiedliche regionale Verteilungen (z. B. niedrige Prävalenzraten in Europa, hohe Raten in Afrika), welche im Zusammenhang mit kulturellen Rahmenbedingungen (z. B. durchschnittliches Heiratsalter, Lebenswartung, strafrechtliches Schutzalter etc.) diskutiert werden. Einen vertieften Einblick zu sexuellen Beziehungen und Missbrauch in bestimmten Kulturen (antikes Griechenland und Rom, islamischer Kulturraum) ergänzen das Kapitel und verdeutlichen, dass sexuelle Handlungen von Erwachsenen an Kindern und Jugendlichen in früheren Zeiten regional gebilligt wurden, teilweise normativ gerahmt waren, dass Kategorisierungen zum sexuellen Missbrauch „immer zeit- und kulturgebunden sind“ (32).

Vom Opfer zum Täter – die Viktimisierungshypothese

Mit der Viktimisierungshypothese die ihren Ursprung in den 70er Jahres des letzten Jahrhunderts hat, beschäftigt sich Norbert Nedopil und fragt nach deren Wert für die Beurteilung von Tätern mit sexuellem Kindesmissbrauch. Nedopil referiert aktuelle Studien zum Bedingungsgefüge der Sexualdelinquenz die insgesamt auf eine multifaktorielle Ausgangs- und Entwicklungslage hinweisen. Mindestens müssten neuronale Entwicklungsdefizite, frühe negative Sozialisationserfahrungen, Störungen in der psychosexuellen Entwicklung und spezifische Tatkonstellationen neben dem Umstand eigener sexueller Missbrauchserfahrungen berücksichtigt werden. Die These des „Kreislaufs der Gewalt“, ausgelöst durch eine spezifische Missbrauchssituation die in eigenem Missbrauchsverhalten später weiter gegeben wird, ist demnach nicht haltbar. „Die Entwicklung zu sexuellem Missbrauchsverhalten gegenüber Kindern hat eine Vielzahl mehr oder weniger spezifischer Bedingungsfaktoren“ (42) unter denen eigene Opfererfahrungen einen relativ spezifischen Faktor darstellen.

Veränderungen der Gehirnstruktur pädophiler Straftäter

Mit den neuesten Erkenntnissen der Gehirnforschung beschäftigt sich Kolja Schlitz, der aktuelle Befunde zu Anomalien der Gehirnstruktur bei pädophilen Straftätern vorstellt. Die in seinem Beitrag referierten Studien weisen auf Veränderungen im Bereich der Amygdala und in den frontostriatalen Hirnstrukturen hin, Gehirnbereiche die für die Ausprägung des Sexualverhaltens von Bedeutung sind. Die mittels Positronen Emissionstomographie und funktioneller Kernspintomographie gewonnen Befunde weisen Veränderungen der Gehirnfunktionen als auch der -struktur auf, möglicherweise ergeben sich hieraus Ansatzpunkte für eine tomographiegestützte Diagnostik der Pädophilie, so der Autor.

Innerfamiliärer Missbrauch

Etwa ein Drittel der bekannt gewordenen Fälle sexuellen Missbrauchs fanden innerhalb der Familie statt. Diesem Aspekt widmen sich Heidi Kastner und Hermine Widl-Gruber in zwei Beiträgen. Beide Artikel gehen auf die besondere Dynamik innerhalb von Familien ein und versuchen Hinweise auf typische Strukturen innerhalb der Familiensysteme zu geben, die Missbrauch begünstigen. Die Forschungslage zu dieser Thematik gestaltet sich derzeit noch recht unvollständig, so dass lediglich von ersten Hinweisen auf Merkmale zu sprechen ist, die Missbrauch begünstigen: Erziehungsstil, sozioökonomische Stellung, Gewaltverhalten und Machtstruktur innerhalb der Familie, Bindungsstruktur sowie psychische Erkrankungen der Eltern.

Missbrauch in Institutionen

„Es gibt, so weit erkennbar, keine Institutionen … die aus sich heraus sexuellen Kindesmissbrauch generieren … Die Quelle des sexuellen Missbrauchs sind die Täter, Ursache ist ihr sexuelles Verlangen“ (87). Dieser Befund eröffnet den Beitrag Hans-Ludwig Kröbers zu sexuellen Übergriffen in Schulen, Heimen, Vereinen und kirchlichen Institutionen. Er führt weiter aus, dass das Missbrauchsverhalten Einzelner durch bestimmte Strukturen im sozialen Umfeld der Institutionen begünstigt werden kann, z. B. in dem potentielle Opfer nicht hinreichend geschützt werden, oder präventive Maßnahmen nicht ergriffen werden. Kröber greift die jüngere Debatte zu sexuellen Missbrauchstaten von Geistlichen auf und zeichnet die wesentlichen Diskussionsstränge, aber auch manche Eigentümlichkeiten dieser Debatte nach. Am Beispiel der neuen Leitlinien der katholischen Bischofskonferenz zum Umgang mit sexuellem Missbrauch innerhalb kirchlicher Institutionen verdeutlicht der Autor dass die betroffenen Institutionen zunächst Hilfe von außen benötigen um dem Phänomen sexueller Missbrauch angemessen begegnen zu können, um dann schließlich Konzepte zur Bewältigung entwickeln zu können.

Kinderpornographie und Internet

Der Beitrag von David Holzer und Thomas Stompe beleuchtet den Tatort Internet, die Struktur der Inhalte und Typologien von Nutzern der Internetpornographie. Die Autoren beschreiben zunächst den gegenwärtigen Kenntnisstand zum Phänomen Kinderpornographie, rechtliche Bestimmungen und Rahmenbedingungen und gehen dann auf die Typologie der Täter ein. Die im Beitrag referierten Studien weisen darauf hin, dass Konsumenten von Kinderpornographie aus allen sozialen Schichten stammen, ein eher abhängiges und vorwiegend vermeidendes Sozialverhalten zeigen. Sie weisen seltener diagnostische Kriterien für eine Pädophilie auf und verhalten sich, abgesehen vom Straftatsbestand der Nutzung kinderpornographischer Medien, eher konform. Insbesondere scheint es, bei Abwesenheit zusätzlicher Risikofaktoren, keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Kinderpornographie und späteren sexuellen Kontaktdelikten zu geben.

Folgen sexuellen Kindesmissbrauchs

Mit den Folgen sexuellen Missbrauchs von Kindern beschäftigen sich drei Beiträge. Hans-Peter Kampfhammer unterzieht aktuelle Studien zum Zusammenhang von frühkindlicher Traumatisierung und Psychoserisiko einer kritischen Überprüfung. Die Forschungslage weist darauf hin, dass es in Folge früher Traumatisierungen zu kognitiv-emotionalen Entwicklungsstörungen kommen kann, die zu einer späteren psychotischen Störung im Erwachsenenalter führen können. Allerdings ist dieser Zusammenhang, anders als der Forschungsstand zu anderen Traumafolgestörungen, noch nicht ausreichend untersucht worden, so der Autor.

Mit Merkmalen der Opferanfälligkeit, typischen Opferkonstellationen und Verhältnissen die eine Täterschaft begünstigen befasst sich unter der Überschrift der Missbrauchsfolgen ein Beitrag von Johann Kinzl. Der Autor, der selbst eine Studie an Opfern wiederholten sexuellen Missbrauchs durchgeführt hat referiert den aktuellen Forschungsstand zu dieser Thematik, der belegt, dass typische Aufwuchs- und Lebensbedingungen als Risikokonstellationen für Opferanfälligkeit gesehen werden müssen: Abwesenheit oder Unzulänglichkeit der Eltern, Alkohol- und Drogenabhängigkeit in der Familie, elterliche Konflikte, intellektuelle Beeinträchtigung des Kindes, Zusammenleben mit einem Stiefvater oder Lebensgefährten der Mutter, Selbstwertproblematik des Kindes (auch als Folge wiederholter Missbrauchserfahrung), Dominanz traditioneller Geschlechtsrollen. Dieses Bedingungsgefüge begünstigt einen „Kreislauf von Abhängigkeit, Hilflosigkeit und Verwundbarkeit“ (162) und erhöht so das (wiederholte) Opferrisiko.

Einen aktuellen Überblick zu Studien die sich mit den Folgen sexuellen Kindesmissbrauchs beschäftigen gibt schließlich Thomas Stompe. Der inhaltlich sehr dichte Text gibt Einblicke in die Ergebnisse mehrerer Metanalysen, welche den Zusammenhang zwischen Missbrauch und späteren psychischen, sowie gesundheitlichen Problemen belegen.

Behandlung der Sexualdelinquenz

Zwei Beiträge gehen auf die Behandlungsmöglichkeiten von Kindermissbrauchstätern ein. Rainer Kaufmann gibt zunächst einen Überblick zu den Standards in der medikamentösen Behandlung von Sexualstraftätern. Die Verwendung hormonreduzierender Medikamente (Antiandrogene und GnRH-Analoga) muss in Kombination mit psychotherapeutischen Strategien angewandt werden und verfolgt generell das Ziel, den sexuellen Erregungsdrang zu senken und dadurch das Sexualverhalten zu ändern. Der Autor referiert die bekannten Behandlungsleitlinien psychiatrischer Fachverbände und gibt einen Überblick über Wirkungsweise und Präparate der einzelnen Wirkstoffgruppen, auch ihrer z. T. erheblichen Nebenwirkungen, Großteils in zusammengefasster, tabellarischer Form.

Peer Briken definiert in einem äußerst kurzen Beitrag „Indikatoren für eine erfolgreiche Therapie von Kindesmissbrauchstätern“. Einmal mehr werden hier kognitiv-behavioral ausgerichtete Behandlungsstrategien als Goldstandard genannt, zentrale Therapieziele und -interventionen, sowie Hinweise auf die entsprechende Forschungslage gegeben.

Präventionsprogramme

Gegenstand des nächsten Beitrags sind Präventionsprogramme bei sexuellem Missbrauch von Kindern. Kristina Ritter beschreibt hier die gängigen Maßnahmen und Projekte der primären und sekundären Prävention die vornehmlich auf Kinder abzielen. Gegenstand der Bemühungen zur Deliktverhinderung sind v. a. soziale Fertigkeiten (Abgrenzung, Nein-Sagen-Können, Hilfe holen) und allgemein die Sensibilisierung von Kindern (und deren Eltern) gegenüber dem Phänomen Missbrauch. Die zahlreichen Programme sind auf die Bedürfnisse von Kindern in unterschiedlichen Altersgruppen abgestimmt und in ihrer Wirksamkeit durch erste Evaluationsstudien belegt, berichtet Ritter.

Strafrechtliche und strafprozessuale Aspekte

Maria Eder geht in ihrem Beitrag auf die Auswirkungen der Unmündigkeit des Tatopfers im Strafrecht ein. Durch die Änderungen im österreichischen Strafrecht hat sich dort eine Reihe von Verschärfungen ergeben, die vor allem eine Antwort auf die potentiell höhere Schädigung des unmündigen Tatopfers sein sollen. Auswirkungen bestehen auch im Bereich der Begutachtung, wo die Einschätzung kurz- und mittelfristiger Schäden des Opfers sowohl für die strafrechtliche Beurteilung des Täters, als auch die Grundlage für zivilrechtliche Forderungen abstecken.

Zivilrechtliche Aspekte

Die zivilrechtliche Klärung sexueller Missbrauchshandlungen im Österreichischen Recht beleuchtet Karl-Heinz Danzl. Neben der einführenden Darstellung der internationalen Rechtslage (u. a. Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte) werden anhand konkreter Missbrauchssituationen Aspekte der zivilrechtlichen Beurteilung und die Festlegung von Schmerzensgeldzahlungen anhand konkreter Fallbeispiele u. a. mit Beschreibung der konkreten Missbrauchshandlungen und der Deliktbeteiligten geschildert. Die an österreichischen Landgerichten tatsächlich verhandelten Zivilverfahren werden hinsichtlich Tatfolgen (kurz-, mittel- und langfristig), Dauer des Missbrauchs, Schmerzensgeldforderung und -zuweisung nachvollzogen.

Realität, Wahrheit und Glaubhaftigkeit

Drei Beiträge befassen sich im letzten Teil des Bandes mit Aspekten der Glaubhaftigkeit, reellen Erinnerungen und Fantasie in der Psychotherapie.

Eleonora Hübner führt dazu in zentrale Begriffe der Forensischen Aussagepsychologie und die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Aussagen ein. Glaubwürdigkeit der aussagenden Person, Glaubhaftigkeit der Aussage und Aussagetüchtigkeit werden unter Rückgriff auf die einschlägige Literatur und (österreichische) Rechtsprechung definiert und die Rolle des Forensischen Gutachters bei solchen Fragestellungen erörtert.

Ein weiterer Beitrag beschäftigt sich mit Erinnerungen, Pseudoerinnerungen und Fantasien die im Rahmen von Therapien auftreten können. Psychotherapien als dynamischer Prozess der (Er)klärung aktueller Problemlagen provozieren immer Erinnerungsprozesse, die unter der spezifischen Kommunikation und dem Bedeutungsrahmen den solche Behandlungsformen immer haben Gefahr laufen können, dass logisch oder emotional passende Erinnerungen von Patienten als echt erlebt eingeschätzt und berichtet werden. Solche Prozesse werden als „induzierte Erinnerungen und sozialer Erwartungsdruck“ beschrieben und innerhalb der Psychotherapieforschung wissenschaftlich hinterfragt. Hans Stoffels berichtet über diese Forschung und leitet daraus Kriterien ab, die für die psychotherapeutische Praxis als Hilfestellung gedacht sind. Die hier zusammengestellten Hinweise werden durch passende Fallbeispiele ergänzt und abschließend auch in soziologischen und sozialwissenschaftlichen Diskurslinien verortet.

Die Ausführungen des vorangegangen Kapitels werden schließlich in einem weiteren Beitrag zu „False memories“ von Werner Laubichler vertieft. Der Autor führt dazu ein umfassendes Fallbeispiel ein und analysiert daraus die Fallstricke dynamischer Erinnerungsprozesse in der Psychotherapie mit der Gefahr falscher Erinnerungen. Das Kapitel endet mit allgemeinen Schlussfolgerungen z B. hinsichtlich Erinnerungen die vor dem 4ten Lebensjahr datieren (und in der Wissenschaft allgemein als eher nicht erinnerbar gelten), denen mit gehöriger fachlicher Skepsis begegnet werden sollte.

Computerforensische Untersuchungen von Missbrauchsfällen

Franz Fotr berichtet über den in der Diagnostik-, Begutachtungs- und Behandlungspraxis deutlich unterrepräsentierten Ansatz computerforensischer Untersuchungen. Der Autor führt in die Strategien derartiger Analyseansätze ein und beschreibt mögliche Kategorien von Internet- und Datennutzern, deren Zuordnung eine differenzierte Einschätzung der Täterpersönlichkeit hinsichtlich Tatorientierung und Fixierung aber auch eine Validierung von Opferaussagen ermöglichen.

Zielgruppe des Buches

Der Tagungsband gibt PraktikerInnen im Bereich der Forensischen Psychiatrie und Täterbehandlung einen Überblick zum gegenwärtigen Stand in Praxis und Forschung. Studierenden der Fachrichtungen Psychologie und Soziale Arbeit verschafft er eine Orientierung zu relevanten Fragestellungen und generiert so einen umfassenden Wissensstand, der für Abschluss- und Qualifikationsarbeiten genutzt werden kann.

Diskussion

Die Herausgeber präsentieren im vorliegenden Sammelband die Beiträge zur 5. Wiener Frühjahrstagung für Forensische Psychiatrie und der Österreichischen Gutachtertagung. Die Auswahl der ReferentInnen, die offensichtlich großen Wert auf hohe fachliche Kompetenz gelegt hat, zahlt sich bei dem Vorhaben die Tagungsbeiträge in Textform zu präsentieren aus: die durchgehend von namhaften Vertretern aus dem Feld der Täterbehandlung stammenden Beiträge bestechen durch klaren Aufbau, übersichtliche Darstellung und Zusammenfassung der aktuellen Forschungsbefunde und beinhalten teilweise programmatische Ansätze zur Weiterentwicklung der forensischen Praxis. Dabei bleibt kaum ein Sachaspekt unberührt: von der Diagnostik, Behandlung und Prävention über neurobiologische Erkenntnisse, Psychodynamik, soziokulturelle Überlegungen und Tatfolgen bis hin zur Begutachtungspraxis werden die wichtigsten Themen aufgegriffen. PraktikerInnen im Feld der Täterbehandlung eröffnet sich so problemlos ein state of the art. Die in den Texten vermerkten Quellentexte ermöglichen eine unproblematische Vertiefung der einzelnen Sachaspekte. Studierenden in den Fächern Psychologie und Soziale Arbeit bietet der Tagungsband einen ausgezeichneten Überblick zur Thematik sexueller Missbrauch und Pädophilie, wodurch eine umfassende Basis für Abschluss- und Qualifikationsarbeiten vermittelt wird.

Fazit

Eine umfassende und äußerst aktuelle Darstellung zum Thema sexueller Kindesmissbrauch. Der Band gehört in jede Einrichtung die mit Tätern und Opfern dieser Deliktgruppe arbeitet. Durch den klaren Aufbau der Einzelbeiträge und die sprachlich verständliche Darstellung der teils komplexen Einzelaspekte und Zusammenhänge empfiehlt sich der Band auch zum Einsatz in Ausbildungszusammenhängen.

Rezension von
Dr. phil. Gernot Hahn
Diplom Sozialpädagoge (Univ.), Diplom Sozialtherapeut
Leiter der Forensischen Ambulanz der Klinik für Forensische Psychiatrie Erlangen
Website
Mailformular

Es gibt 180 Rezensionen von Gernot Hahn.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245