Wolfgang Widulle: ´Ich hab´ mehr das Gespräch gesucht´
Rezensiert von Prof. Dr. Marc Weinhardt, 12.10.2012

Wolfgang Widulle: ´Ich hab´ mehr das Gespräch gesucht´. Kommunizieren lernen im Studium Sozialer Arbeit. Springer VS (Wiesbaden) 2012. 346 Seiten. ISBN 978-3-531-18624-5. D: 39,95 EUR, A: 41,10 EUR, CH: 50,00 sFr.
Autor und Entstehungshintergrund
Das Buch ist die Dissertation von Wolfgang Widulle, mit der er 2011 an der Universität Tübingen promovierte. Idee und Umsetzung zu seiner Studie entspringen aus seiner Lehrtätigkeit an einer Fachhochschule und einer Berufsakademie für Soziale Arbeit.
Thema
Die vorliegende Publikation befasst sich mit der Entwicklung und Beforschung eines zweisemestrigen Kommunikationstrainings für Studierende der Sozialen Arbeit an der Hochschule.
Professionelles kommunikatives Handeln zählt unwidersprochen zu den Kernkompetenzen Sozialer Arbeit. Bis heute ist jedoch nicht geklärt – und zwar weder auf curricularer, noch auf didaktischer Ebene – wie diese Kompetenz an der Hochschule erworben werden soll und kann. An dieser Lücke setzt der Autor mit seiner Untersuchung an.
Aufbau
Das Buch ist in neun Großkapitel gegliedert, auf die im weiteren eingegangen wird. Hinsichtlich des Aufbaus ist bemerkenswert, dass schon alleine die theoretische Grundlegung und Hinführung zur eigentlichen empirischen Fragestellung außerordentlich lesenswert und aufschlussreich ist.
Inhalt
Das Buch beginnt in Kapitel eins mit einer prägnant geschriebenen Zusammenfassung des Diskurses um berufliches und professionelles Handeln in der Sozialen Arbeit.
Kapitel zwei behandelt didaktische Grundlagen und theoretische Vorannahmen hinsichtlich der Gestaltung von Kommunikations- und Gesprächstrainings. Eine umfangreiche und sehr gut dargestellte Übersicht über schon vorhandene Übungs- und Trainingsprogramme ordnet Widulle sein selbst entwickeltes Training, das er als gemäßigt konstruktivistische Lernumgebung nach Wahl anlegt, ein.
Die Forschungsziele und daraus abgeleiteten Fragen werden in Kapitel drei erörtert. Widulle interessiert sich neben der Frage des allgemeinen Lernzuwachses durch das von ihm konzipierte Training vor allem für Veränderungen hinsichtlich kommunikativer Handlungsprototypen, handlungsleitender Kognitionen und Emotionen und der Wissensnutzung.
Das recht komplexe Forschungsdesign wird in Kapitel vier erläutert. Der Leser erhält detaillierte Informationen über die Lehrveranstaltung, den Ablauf der Erhebung und die anschließende Datenanalyse.
Kapitel fünf ist methodologischen Überlegungen gewidmet. Als erkenntnistheoretischen Rahmen verwendet der Autor das Forschungsprogramm Subjektive Theorien (FST). Ebenso findet ein relatives Novum in Trainings für Soziale Arbeit ausführliche Erwähnung: Widulle verwendet ausgebildete Simulationsklienten, die Studierenden das Üben und Trainieren unter realistischen Bedingungen (Beratungssituation und Erziehungsssituation) ermöglichen. Das Datenmaterial wird hierbei auf mehreren Ebenen erzeugt: (a) Rückmeldungen der Simulationsklienten, (b) die Verschriftlichung der Handlungsstruktur einer bedeutsamen Episode durch die Weingartener-Appraisal-Legetechnik mit vorgeschaltetem Recall durch die Probanden und (c) einem strukturierten Dialog mit den Probanden zum ganzen Rollenspiel.
In Kapitel sechs stellt der Autor die gewonnene Ergebnisse, die teilweise beeindruckenden Verbesserungen hinsichtlich der kommunikativen Kompetenzen durch das absolvierte Training ausweisen, äußerst detailliert und in überwiegend deskriptiver Form dar.
Kapitel sieben ist dann der Diskussion der Ergebnisse gewidmet.
Das Buch schließt mit den Kapiteln acht und neun, in denen Schlussfolgerungen hinsichtlich der verwendeten Lernumgebung sowie der gewonnenen empirischen Ergebnissen entwickelt sowie eine Reflexion und ein Ausblick auf weitere Forschung vorgenommen werden.
Diskussion
Mit dem vorliegenden Buch ist Wolfgang Widulle ein interessantes und zu weiterem Nachdenken anregender Text gelungen. Neben der sehr sauber gemachten und innovativen Studie zum Erwerb kommunikativer Kompetenz in einer Lernumgebung, die Rollenspiele mit Simulationsklienten nutzt, ist auch der Theorieteil alleine für sich lesenswert und schafft Klarheit hinsichtlich oft ungenau verwendeter Begrifflichkeiten rund um das Trainieren, Einüben, Erwerben und Erlernen kommunikativer Kompetenzen und den zugehörigen theoretischen Rahmengerüsten.
Fazit
Das Buch ist für Praktiker und Wissenschaftler in der Sozialen Arbeit interessant, die sich mit der theoretischen Grundlegung und dem konkreten Erwerben kommunikativer Kompetenzen in der Sozialen Arbeit befassen wollen. Die stellenweise umfangreiche und sehr in die Tiefe gehende Darstellungen von Theorien, Herangehensweisen und Ergebnissen sind dem Format einer Dissertation geschuldet und sollten interessierte Leser nicht davon abhalten, sich intensiv mit dieser hoch aufschlussreichen Studie zu befassen.
Rezension von
Prof. Dr. Marc Weinhardt
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