Helmut Danner: Das Ende der Arroganz. Afrika und der Westen
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 29.08.2012

Helmut Danner: Das Ende der Arroganz. Afrika und der Westen. Brandes & Apsel (Frankfurt) 2012. 254 Seiten. ISBN 978-3-86099-924-0. 24,90 EUR.
Afrika hat (s)eine Geschichte
Der 1922 im damaligen Obervolta, dem heutigen, westafrikanischen Burkina Faso geborene und 2006 gestorbene Historiker Joseph Ki-Zerbo, Verfasser von zahlreichen Schriften über die afrikanische Geschichte und Kultur, Mitherausgeber des von der UNESCO bereits 1979 angeregten und schließlich in den Jahren von 1981 bis 1989 realisierten achtbändigen Werks „General History of Africa“, hat einmal Afrika als den „einsamen Kontinent“ genannt; nicht nur, weil der Erdteil physikalisch-geografisch der „übrigen Alten Welt“ den Rücken zukehrt, sondern auch, weil die Erinnerung der Afrikaner sich auf andere Quellen stützen muss, die ansonsten in der Geschichtsschreibung durch geschriebene Dokumente vorgegeben ist – nämlich durch das, was afrikanische Kultur über Jahrtausende hinweg geprägt und einmalig gemacht hat: die mündliche Überlieferung.
Das Bild vom „plumpen, ungeschlachten Riesen“, das uns Leo Frobenius in seinem Werk „Kulturgeschichte Afrikas“ (1933) malt, oder das eines „geschichtslosen Kontinents“, womit der belgische Franziskanerpater Placide Frans Tempels (1906 – 1977) unser Geschichtsbild verwirrte – immer ging es den Europäern darum, das „dunkle“ des afrikanischen Erdteils zu betonen. Das Bild des „Primitiven“ in der abschätzigsten Form dominierte. Erst die Unabhängigkeitsbewegungen von den Dominanz- und Kolonialmächten haben authentische Fragen der Afrikaner hervor gebracht; etwa mit der „Négritude“ Léopold Sédar Senghors, der Idee des „afrikanischen Sozialismus“ eines Kenneth Kaunda und Kwame Nkrumah, dem „Ujamaa“ eines Julius K. Nyerere und der kritischen Nachfrage nach dem gesellschaftlichen Zustand Afrikas in Okot P’Biteks „Lawinos Lied“ und seinem kritischen „Gebet“: Oh Gott, bewahre Afrika / Vor unseren neuen Herrschern; / Lass sie demütig werden / Öffne Ihre Augen, / Damit sie sehen, / Dass der materielle Fortschritt / Nicht auf einer Stufe steht mit geistigem Fortschritt. / Oh Herr, öffne die Ohren der afrikanischen Herrscher / Damit sie Freude empfinden / Beim Klang ihrer Trommeln / Und der Gedichte ihrer Mütter (Okot p?Bitek, Afrikas eigene Gesellschaftsprobleme, in: Rüdiger Jestel, Hrsg., Das Afrika der Afrikaner. Gesellschaft und Kultur Afrikas,edition suhrkamp 1039, Frankfurt/M., 1982, S. 258). „Weiß ist eine Gelegenheitsfarbe – Schwarz die Farbe aller Tage“, diese provozierend-vergleichende Charakterisierung des Werbegags – „Ich sehe schwarz – ich weiß“ – ist ja die Kennzeichnung der Problematik aus der Befreiungs- und Identitätsphase der kolonialen, afrikanischen Völker, wie sie sich in den Kampfparolen der Négritude von Aimé Césaire und Léopold Sédar Senghor dargestellt haben. Es wäre töricht zu leugnen, dass es eine schwarze Rasse gibt, so argumentiert Senghor in seinem Buch „Négritude und Humanismus“ (1964/67). Aber Rasse im Sinne der „schwarzen Philosophie“ ist keine Wesenheit, keine Substanz: „Sie ist die Tochter der Geographie und der Geschichte“. In diesem trotzigen Aufbegehren gegen den Jahrhunderte langen Rassismus der Weißen, der ja nicht erst mit dem europäischen Imperialismus und Kolonialismus begann, auch nicht erst mit dem Sklavenhandel; er war „herrisch“ (Leo Frobenius) bestimmt seit Jahrtausenden. Dabei war die Blickrichtung eindeutig: „Europa blickt nach Afrika“ (E. Barth von Wehrenalp, 1939), weil Afrika die Rohstoffquelle Europas ist, mit dem patriarchalen, durchaus „wohlmeinenden“ Blick des deutschen Missionars und Afrikaforschers Diedrich Westermann (1875 – 1956): „Das Geschick des Afrikaners ist für alle absehbare Zeit mit dem des Europäers aufs engste verbunden… er ist der Schüler und Arbeitnehmer, wir die Lehrer und Arbeitgeber, aber auch: wir sind die Herren und er der Untergebene“.
In der „Kleine(n) Geschichte Afrikas“ wird ein (historischer) Blick eingenommen, bei dem „die Raumordnung als Ausgangspunkt und Rahmen, die Erinnerungskultur als Zielpunkt“ betrachtet wird“ (Winfried Speitkamp, Kleine Geschichte Afrikas, Verlag Philipp Reclam jun., Stuttgart 2007,517 S.).
Entstehungshintergrund und Autor
Im Rahmen der Postcolonial Studies, wie sie im angelsächsischen Raum etabliert ist und sich mit den Critical Whiteness Studies auch im deutschen wissenschaftlichen Diskurs als „Weißseinsforschung“ bemerkbar macht ( vgl. dazu: Maureen Maisha Eggers / Grada Kilomba / Peggy Piesche / Susan Arndt (Hrsg.), Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland, Unrast-Verlag, Münster 2005, 550 S.) artikuliert sich Kolonialismus- und Neokolonialismus-Kritik. Der europäische, patriarchale und rassistische Blick wendet sich hin zum interkulturellen Dialog ( vgl. auch: Jacob E. Mabe, Hrsg., Das Afrika-Lexikon. Ein Kontinent in 1000 Stichworten, 2004, 720 S.), und Afrika kann sogar tagtäglich präsent sein, etwa in dem seit mehr als einem Jahrzehnt publizierten Taschenkalender, der von Volkhard Brandes und Cornelia Wilss im Brandes & Apsel-Verlag alljährlich herausgegeben wird. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der deutschen, kolonialen Afrikageschichte, jenseits der dubiosen, die böse Wirklichkeit verherrlichenden Literatur, beginnt erst (Thomas Morlang, Askari und Fitafita. "Farbige" Söldner in den deutschen Kolonien, 2008, www.socialnet.de/rezensionen/6307.php). Der historische, in den heutigen, interkulturellen Dialog gewendete Ausspruch: „Aus Afrika kommt immer etwas Neues“, gibt überraschende und interessante Einblicke (Manfred Loimeier, Szene Afrika. Kunst und Kultur südlich der Sahara, 2011, www.socialnet.de/rezensionen/11783.php ), und die Geschichte der „Zehn kleinen Negerlein“ vermittelt einen entlarvenden Blick in unseren eigenen Spiegel (Wulf Schmidt-Wulffen, Die "Zehn kleinen Negerlein". Zur Geschichte der Rassendiskriminierung im Kinderbuch, 2010, www.socialnet.de/rezensionen/10156.php).
Es ist oft interessant, erhellend und eigene Positionen bestätigend oder korrigierend, wenn ein Europäer, der lange Jahre in beruflicher Funktion in Afrika gelebt und gearbeitet, sich familiär in Afrika gebunden und dort seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat, über seine interkulturellen Erfahrungen erzählt und dabei sich bemüht, die „Augenhöhe“ zu wahren und nicht den patriarchalen, besserwisserischen oder eurozentrierten Blick einnimmt: Der 1941 geborene Pädagoge und Philosoph Helmut Danner legt ein interkulturelles Essay vor mit dem im Untertitel des Buches „Das Ende der Arroganz“ formuliertem Anspruch: „Afrika und der Westen – ihre Unterschiede verstehen“. Dabei geht es nicht um die oft wahrnehmbaren Auffassungen: „Es gibt keine Probleme“ oder „“Afrika ist verloren“, oder gar den rassistischen Einstellungen, wie: „Weil sie nicht so werden wollen wie wir, sondern irritierend anders sind, ist ihnen nicht zu helfen“; vielmehr zieht sich durch seinen Erfahrungsbericht das Bemühen um Verstehen und Verständigung. Die beginnende Loslösung von diesen essentialistischen Zuschreibungen, die fußen auf „Restbestände(n) an biologischem Determinismus, Relikte(n) der Rassentheorien des 19. Jahrhunderts“ (und Überlegenheitsmythen) zeigen sich derzeit am deutlichsten in der zeitgenössischen afrikanischen Kunst und den Bestrebungen in der Kunst- und Kulturszene, den „Peter-Pan-Blick auf Afrika“ zu überwinden, wie dies der senegalesische Filmemacher Ousmane Sembène ausdrückt (vgl. dazu das interessante, von der VolkswagenStiftung Hannover initiierte Projekt „Entangled. Annäherungen an zeitgenössische Künstler aus Afrika, hrsg. von Marjorie Jongbloed, Hannover 2006, 234 S.)
Aufbau und Inhalt
Es ist immer wieder versucht worden, die Unterschiede und Merkmale zwischen den europäischen (westlichen) und den afrikanischen Mentalitäten, Einstellungen und Lebensentwürfen zu beschreiben. Die klassische Unterscheidung, wie sie von Aimé Césaire vorgenommen, von Jean-Paul Sartre aufgenommen und von Léopold Sédar Senghor in der Négritude ausformuliert wurde – „der Weiße als „Mensch des Willens, als Krieger, als Raubvogel mit dem klaren Blick rückt der Europäer das Objekt von sich weg. Er hält es auf Abstand, … er fixiert es … (und) assimiliert den Anderen“, während der Afrikaner „sympathisiert und (sich) identifiziert … und entsagt sich selbst, um wiedergeboren zu werden im Anderen… (und sagt): Ich fühle den Anderen, ich tanze den Anderen, also bin ich“ – (Léopold Sédar Senghor, Négritude und Humanismus, Düsseldorf – Köln 1967, S. 198) – bedarf ohne Zweifel ob der Stereotypisierung einer Korrektur; aber vielleicht sind es gerade diese Unterschiede, die eine Verständigung „auf Augenhöhe“ schwierig machen, wie sie sich auch als gemeinsame Aufgabe und Herausforderung darstellen.
Helmut Danner gliedert sein Essay in zehn Kapitel. Nach den einleitenden Begründungen darüber, warum er das Buch so und jetzt schreibt und einer Bilanz, mit der er das „Ende der Überheblichkeit“ (der Weißen) ankündigt, setzt er sich mit der „Geschichte der Beziehung zwischen Afrika und dem Westen“ auseinander. Die sich mühsam entwickelnden Erkenntnisse, dass Afrika, längst bevor die kolonialen Entdecker und Machthaber den Kontinent beherrschten, eine Geschichte, Traditionen und kulturelle Identitäten entwickelte, die durch die Kolonisierung ausgelöscht, aber in manchem auch nur mit dem Firnis des Vergänglichen überdeckt wurden.
Um das „afrikanische“ Bewusstsein zu verstehen, bedarf es eines Blicks in die „afrikanische Gesellschaftsstruktur“, wohl wissend, dass es d i e afrikanische Gesellschaft, wie auch d i e afrikanische Kultur nicht gibt, sondern sich die Ausprägungen und Unterschiede in der Dorfgemeinschaft und den religiösen und landwirtschaftlichen Gebräuchen, Mythen und gesellschaftlichen Strukturen darstellen. Der Autor fokussiert seine Erzählungen und Analysen auf das Land, in dem er mit seiner Familie lebt: Kenia. Hier zeigen sich die von Jomo Kenyatta (1893 – 1978), der nach der Unabhängigkeit Kenias erster Präsident des Landes wurde und von anderen Autoren definierte Stellung und Bedeutung des Einzelnen in der Gemeinschaft (wie etwa auch Julius Nyereres „Ujamaa“ aus dem benachbarten Tansania); eine Betrachtung, wie sie auch in der westafrikanischen Négritüde deutlich wird.
Es sind die (groß-)verwandtschaftlichen Beziehungen und das Prinzip der Gegenseitigkeit, die die Norm- und Werteorientierungen in Afrika bestimmen. Das hat (zwar) zur Folge, dass Reichtum nur dann angehäuft werden kann, wenn diese traditionellen, ethischen Prämissen gekappt werden; andererseits wird dadurch (durchaus) solidarisch Einkommen verteilt; freilich (aber) auch den Abhängigkeiten und der Korruption Tür und Tor geöffnet werden.
Eine besondere Schwierigkeit für den Europäer und den westlichen Menschen besteht darin, die „Spiritualität“ Afrikas zu verstehen. Danner identifiziert die Witchcraft, die wir als Zauberei bezeichnen, als einen Sicherheits- und Neidkomplex, der das spirituelle Denken und Handeln in Afrika bestimmt. Über allem, was sich an Geister- und Dämonenglauben darstellt, lagert der Ahnenkult, wie er sich im Gedicht des senegalesischen Schriftstellers Birago Diop (1906 – 1989) darstellt: „Erlausche nur geschwind / Die Wesen in den Dingen, / Hör sie im Feuer singen, / Hör sie im Wasser mahnen / Und lausche in den Wind: / Der Seufzer im Gebüsch / Das ist der Hauch der Ahnen…“. Der Blick auf die Verbreitung des Christentums und des Islams in Afrika zeigt darüber hinaus Adaptionen und die Integrationen von afrikanischen spirituellen Praktiken.
Bei den Bemühungen um ein gemeinsames Verstehen wird philosophisch und anthropologisch oft die westliche Vernunft-Aufklärung beschworen, und damit auch die Frage, wie sich „Entwicklung“ im Westen darstellt und in Afrika verstanden wird – ein, wie der Autor ausführt, notwendiger Anker, wie auch ein gefährliches Missverständnis für die Entwicklungszusammenarbeit, die vormals als „Entwicklungshilfe“ bezeichnet wurde und heute mit dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ belegt wird. Dabei gilt es zu erinnern an den „Dichter des Negertums“, Aimé Césaire, der in einer in französischer und deutscher Sprache erschienenen Anthologie „Cahier d’un retour au pays natal“ (1939) – „Zurück ins Land der Geburt“ (Frankfurt/M. (1962) die durchaus gegen den Westen und die Weißen gerichteten, bezeichnenden Verse „Notizen von einer Heimkehr“ (ein Fragment, in: Dunkle Stimmen. Schwarzer Orpheus / Schwarze Ballade, hrsg. von Janheinz Jahn, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt/M., 1993, S. 98ff), formulierte: Wohl denen, die niemals etwas erfanden, / die niemals etwas erforschten / und niemals etwas bezähmten, / sondern, selber ergriffen, sich offen dem Wesen der Dinge hingaben, / / die wahrhaft erstgeborene Söhne der Welt, / … / sich brüderlich jeglichem Atem der Erde gesellen, / … (Léopold Sédar Senghor, Vom Geist afrikanischen Negertums, in; Ruprecht Paqué, Afrika antwortet Europa. Vorträge und Aufsätze führender Afrikaner, UTB624, Frankfurt/M. – Berlin 1967, S. 43). Ob Helmut Danner die „Regeln des Verstehens und Interpretierens von Entwicklungsgesichtspunkten“ in die Reihe der zahlreichen 10-Gebote-Vorsätze einordnen will, vermag der Rezensent nicht zu sagen; jedenfalls könnten sie, hier schlagwortartig verkürzt, für die Praktiker der Entwicklungszusammenarbeit und der globalen Solidarität durchaus Richtschnur sein:
- Sich des Unverständlichen bewusst werden!
- Nicht aus dem eigenen Bewussten heraus urteilen!
- Sich seiner eigenen Identität sicher sein!
- Unterschiede zum Fremden erkennen!
- Die Differenzen des Eigenen und des Fremden begreifen!
- Sich um Informationen über das Andere bemühen!
- Die eigenen und fremden Sichtweisen abwägen!
- Dem Anderen das Eigene erklären!
- Gemeinsam die Differenzen überdenken!
- Respektvoll die Differenzen anerkennen!
„Entwicklungszusammenarbeit – und jede andere Form der Begegnung zwischen Afrika und dem Westen (kann) erst dann zufriedenstellend gelingen ( ), wenn gegenseitiges Verstehen vorhanden ist oder zumindest angestrebt wird“. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es Erfahrung, die auf Empathie beruht und vor Enttäuschungen und dem trial and error nicht zurück schreckt (vgl. in dem Zusammenhang auch die Erfahrungen bei schulischen und außerschulischen Partnerschaften, www.initiativen-partnerschaft.de). Es sind nicht selten die „unbestimmten“ Umgänge mit Sachen, mit der Zeit, der Auslegung der Traditionen und den alltäglichen Dingen, die den westlichen „Objekt-Menschen“ irritieren, ihm falsche Schlüsse ziehen und Reaktionen machen lassen, die eine Verständigung erschweren. Dazu gehört auch, mit dem immer wieder herbeigeholten Märchen aufzuräumen, dass Afrika die (europäische) Aufklärung noch vor sich oder versäumt habe (übrigens auch eine Behauptung, wie sie im westlich-arabisch(islamischen) Dialog benutzt wird. Da lohnt es, den Blick einmal auf die in afrikanischen Kulturen gelebte „Lebenskraft“ zu richten, wie sie etwa der kenianische Philosoph Henry Odera Oruka (1944 – 1995) mit der „Sage-Philosophy“ entworfen hat, um aus dem Denken von Afrikanern und den Überlieferungen „Lebensweisheiten“ zu entwickeln.
Nicht zuletzt aus der Erkenntnis heraus, dass die großen, westlichen Entwicklungstheorien gescheitert sind (Reinold E. Thiel, Hg., Neue Ansätze zur Entwicklungstheorie, Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung, Themendienst 10, Bonn 1999) und die (Eine?) Welt sich immer interdependenter und entgrenzender entwickelt, darf im europäisch(westlichen)-afrikanischen Dialog die Auseinandersetzung darüber nicht fehlen, wie im alltäglichen, kulturellen und gesellschaftlichen Kontext „Entwicklung“ verstanden und praktiziert wird. Natürlich ist Afrika keine Insel, und der Kontinent kann sich nicht in eine „splendid isolation“ flüchten; aber ist es sinnvoll und nützlich, den Afrikanern Vorstellungen von (gar gescheiteter) westlicher Entwicklung aufzuzwingen; und wirtschaftliche Macht zu benutzen und „Afrika aufzukaufen“? (vgl. dazu: Wilfried Bommert, Bodenrausch. Die globale Jagd nach den Äckern der Welt. 2012, www.socialnet.de/rezensionen/13381.php)?
Mitmischen bei den globalen Veränderungsprozessen darf nicht hegemoniales Einmischen bedeuten, sondern muss eine gemeinsame Suche nach dem sein, was in der „Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker“ (1981) zum Ausdruck kommt, nämlich die Grundlagen der afrikanischen Kulturen zu beachten und sozio-politische Besonderheiten zu berücksichtigen. Zwar widerspricht die Vereinbarung den Prinzipien, wie sie in der von den Vereinten Nationen 1948 proklamierten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als nicht relativierbare globale Ethik beansprucht werden; denn auch die afrikanische Charta anerkennt, was in der Präambel der AEM als humane Grundlagen postuliert werden, nämlich dass „die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet“.
Fazit
Es gibt viel zu tun, um einen Perspektivenwechsel im Verhältnis des Westens zu Afrika zu vollziehen. Der Arroganz auf der einen und der Schuldzuweisungen auf der anderen Seite, muss ein echtes Bemühen um Verstehen und Verständigung entgegengesetzt werden – beginnend in der familiären, schulischen und außerschulischen Bildung im Westen wie in Afrika, sich fortsetzend in den privaten und beruflichen Begegnungen und Kooperationen, bis hin zur Zusammenarbeit in den inter- und supranationalen Organisationen und beim Regierungshandeln. Helmut Danner, der als Pädagoge und Philosoph an europäischen und afrikanischen Hochschulen lehrte und als Landesvertreter der Hanns-Seidel-Stiftung in Ägypten, Kenia und Uganda tätig war, legt einen reflektierten Erfahrungsbericht darüber vor, wie persönliche und kulturelle Missverständnisse zwischen den Menschen im Westen und in Afrika entstehen. Dabei fragt er nach den Ursachen und zeigt Alternativen auf, wie ein interkultureller Dialog möglich ist. Das als interkulturelles Essay bezeichnete Buch ist kein Ratgeber im Sinne des „Tue dies, dann erhältst du das“, sondern eine „Handreichung“ im wahrsten Sinne des Wortes. Sie kann nützlich sein bei Begegnungen und zum Nachdenken, zum Lernen (als Verhaltensänderung) anregen, damit die Menschheit begreift, dass sie vor der Herausforderung steht, „umzudenken, sich umzuorientieren und gesellschaftlich umzuorganisieren, kurz: neue Lebensformen zu finden“ (Deutsche UNESCO-Kommission, Unsere kreative Vielfalt. Bericht der Weltkommission „Kultur und Entwicklung“, 2., erweit. Ausg., Bonn 1997, S. 18).
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 29.08.2012 zu:
Helmut Danner: Das Ende der Arroganz. Afrika und der Westen. Brandes & Apsel
(Frankfurt) 2012.
ISBN 978-3-86099-924-0.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/13530.php, Datum des Zugriffs 04.06.2023.
Urheberrecht
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