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Wolf Spellmeyer: Ressourcenorientierte Sozialtherapie [...] (Wohnungslose Männer)

Rezensiert von Prof. Dr. Susanne Gerull, 19.10.2012

Cover  Wolf Spellmeyer: Ressourcenorientierte Sozialtherapie [...] (Wohnungslose Männer) ISBN 978-3-8325-3070-9

Wolf Spellmeyer: Ressourcenorientierte Sozialtherapie im stationären Hilfesystem von wohnungslosen Männern am Beispiel des Haus Bruderhilfe. Was wirkt in der Sozialtherapie aus Sicht der Klienten und Professionellen? Logos Verlag (Berlin) 2012. 185 Seiten. ISBN 978-3-8325-3070-9. D: 36,00 EUR, A: 37,00 EUR, CH: 64,10 sFr.

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Thema

Wolfgang Spellmeyer beschäftigt sich in der vorliegenden Publikation mit dem sozialtherapeutischen Umgang mit psychisch kranken Wohnungslosen. Mithilfe einer multimethodisch angelegten empirischen Untersuchung versucht er Wirkfaktoren für die sozialtherapeutische Hilfe zu generieren.

Autor

Der Autor ist Sozialarbeiter mit sozialtherapeutischer Zusatzausbildung. Bei der vorgelegten Publikation handelt es sich um seine Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Dr. phil. an der Universität Duisburg-Essen.

Aufbau und Inhalt

Der Autor gliedert seine Publikation in 17 Kapitel, die im Wesentlichen aus dem Forschungsstand zu seinem Thema, den Ergebnissen seiner empirischen Untersuchung, einer vergleichenden Zusammenfassung der Ergebnisse sowie der Darstellung eines im Rahmen der Dissertation entwickelten alternativen sozialtherapeutischen Konzepts für die untersuchte Einrichtung besteht. Im Anhang werden zudem die von ihm benutzten Interviewleitfäden dokumentiert. Da der Autor für seine Publikation keinen klassischen Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit gewählt hat, sondern Forschungsstand, Darstellung von Ergebnissen seiner Forschung sowie Bewertung und Diskussion in den Kapiteln häufig mischt, folgt die Darstellung des Inhaltes nicht seiner gewählten Struktur, um einen übersichtlicheren Überblick über die Publikation zu ermöglichen.

Forschungsstand. Der Autor stellt die Ergebnisse seiner Literaturrecherche zu den Themen Geschichte der Wohnungslosenhilfe, rechtliche Grundlagen der von ihm untersuchten Hilfe, den Theorien zu abweichendem Verhalten sowie dem Konzept der Salutogenese vor.

Empirisches Vorgehen und Ergebnisse seiner Untersuchung. Wolfgang Spellmeyer hat mithilfe umfangreicher Befragungsleitfäden sowohl die (ausschließlich männlichen) suchtkranken Bewohner als auch die Mitarbeiter/-innen des ‚Haus Bruderhilfe‘ interviewt. Die Auswertungsverfahren werden von ihm nicht im Einzelnen beschrieben. Wörtliche Zitate der von ihm protokollierten Aussagen werden im Ergebnisteil als Illustration seiner Aussagen angeführt, und er arbeitet darüber hinaus mit Prozentangaben zu den Anteilen spezifischer Antworten/genannter Aspekte. Die Themen seiner Ergebnisdarstellungen reichen von soziodemografischen Angaben über die Beschreibung und Bewertung der unterschiedlichen Therapieangebote (Einzel- und Gruppentherapie, Arbeitstherapie, Freizeitangebote etc.) bis hin zur Motivation der Bewohner und dem Verhältnis zwischen Klient und Therapeut/-in.
Insgesamt wird in den Ergebnissen deutlich, dass die Selbst- und Fremdwahrnehmung sowohl der Klienten als auch der professionellen Helfer/-innen (nicht nur Sozialarbeiter/-innen) bei einigen Themen ziemlich weit auseinander liegen (z. B. S. 111 zur Ehrlichkeit der Bewohner gegenüber den Therapeut[inn]en). Von beiden Seiten wird dagegen relativ viel Kritik am untersuchten Konzept bzw. den Instrumenten der Sozialtherapie im ‚Haus Bruderhilfe‘ geäußert.

Vergleichende Zusammenfassung der Ergebnisse. Wolfgang Spellmeyer hat den Bewohnern sowie den Professionellen in seinen Befragungen zu denselben Themen Stellung nehmen lassen, sodass ein Vergleich vor allem der Bewertungen des Konzepts im ‚Haus Bruderhilfe‘ möglich wird. Zwei der Knackpunkte sind der Umgang der Professionellen bei einem Verstoß gegen das im Haus bestehende Abstinenzgebot sowie die informellen Regeln der Bewohner, die einen hohen sozialen Druck schaffen und den Hausregeln z. T. diametral entgegenstehen (z. B. S. 92 f.).

Alternatives sozialtherapeutisches Konzept. Als Abschluss seiner Arbeit stellt der Autor ein aufgrund der Ergebnisse seiner Untersuchung entwickeltes alternatives sozialtherapeutisches Konzept vor, das nach seinen Angaben bereits im ‚Haus Bruderhilfe‘ umgesetzt wird. Im Konzept wurde auf alle kritisierten Punkte reagiert; vor allem mehr Transparenz und Klarheit gegenüber den Bewohnern sieht das neue Konzept vor wie auch ein neues Gruppenangebot zur Rückfallprophylaxe.

Diskussion

Wolfgang Spellmeyer hat ein relevantes und spannendes Thema der Sozialen Arbeit aufgegriffen, indem er ein langjährig angewandtes Konzept in einer Einrichtung der stationären Hilfe für wohnungslose Männer durch eine empirische Untersuchung kritisch hinterfragt. Mit seiner Befragung von Bewohnern und professionellen Helfern konnte er eine ganze Reihe von Mängeln und Kritikpunkten identifizieren, die er zur Überarbeitung des Konzepts nutzte. Seine persönliche Verstrickung in die frühere und spätere praktische Arbeit der Einrichtung führt allerdings dazu, dass er zu oft seine in der Berufserfahrung gewonnenen Ansichten als „gesetzt“ ansieht (bspw.: „Es ist aber anzunehmen…“ oder „Vieles spricht dafür…“ auf S. 59). Ein neutraler wissenschaftlicher Blick bleibt ihm so verwehrt, auch durch die permanente Vermischung deskriptiver und bewertender Teile der Studie. Häufig verallgemeinert er seine sehr spezifischen Befunde auf die gesamte Wohnungslosenhilfe (z. B. S. 17). Veraltete Daten und vor allem die Beschreibung einer bereits seit 2001 erheblich veränderten Rechtsgrundlage (DVO zum § 67 ff. SGB XII) sind zusätzliche Ärgernisse in dieser doch so ambitionierten Dissertation.

Fazit

Für Sozialarbeiter/-innen sowie weitere professionelle Helfer/-innen in der stationären Wohnungslosenhilfe bietet die Untersuchung von Wolfgang Spellmeyer interessante Ergebnisse und Diskussionsansätze. Für Wissenschaftler/-innen und Lehrende ist die Arbeit leider zu wenig nach den Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens durchgeführt worden, um als Informationsquelle verwertbar zu sein.

Rezension von
Prof. Dr. Susanne Gerull
Professorin für Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit mit den Schwerpunkten Armut, Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit und niedrigschwellige Sozialarbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin
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Es gibt 11 Rezensionen von Susanne Gerull.

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Zitiervorschlag
Susanne Gerull. Rezension vom 19.10.2012 zu: Wolf Spellmeyer: Ressourcenorientierte Sozialtherapie im stationären Hilfesystem von wohnungslosen Männern am Beispiel des Haus Bruderhilfe. Was wirkt in der Sozialtherapie aus Sicht der Klienten und Professionellen? Logos Verlag (Berlin) 2012. ISBN 978-3-8325-3070-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/13667.php, Datum des Zugriffs 15.01.2025.


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