Millay Hyatt: Ungestillte Sehnsucht (Kinderwunsch)
Rezensiert von Dr. med. Judith Zimmermann, 13.10.2016

Millay Hyatt: Ungestillte Sehnsucht. Wenn der Kinderwunsch uns umtreibt. Ch. Links Verlag (Berlin) 2016. 2., aktualisierte Auflage. 223 Seiten. ISBN 978-3-86153-665-9. D: 14,90 EUR, A: 15,40 EUR, CH: 21,90 sFr.
Thema
Das Buch „Ungestillte Sehnsucht“ von Millay Hyatt behandelt verschiedene gesellschaftliche und psychologische Aspekte des unerfüllten Kinderwunsches.
Entstehungshintergrund
Die Autorin wurde in Folge vorzeitiger Wechseljahre selbst mit einem unerfüllten Kinderwunsch konfrontiert und verarbeitet in diesem Buch unter anderem ihren eigenen Weg hin zum (Pflege)Kind.
Aufbau und Inhalt
Millay Hyatt bearbeitet in ihrem Buch „Ungestillte Sehnsucht“ verschiedene Aspekte ungewollter Kinderlosigkeit.
Im ersten Abschnitt beschäftigt sie sich insbesondere mit den Gründen für einen Kinderwunsch in einer Gesellschaft, in der Kinder eher eine ökonomische Last als ökonomisch notwendig sind. Außerdem beleuchtet sie aus unterschiedlichen Perspektiven, warum ein unerfüllter Kinderwunsch für die Betroffenen „so ein großes Thema ist“ und welche Emotionen er auslösen kann.
Ein weiterer Abschnitt betrachtet das Phänomen, dass die umfangreichen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin dazu führen können, dass bei den Betroffenen das Gefühl entsteht, alles irgendwie Mögliche auch versuchen zu müssen. Millay Hyatt beschreibt, wie schwierig es sein kann zu entscheiden, wann der Punkt gekommen ist, (weitere) Versuche mit medizinischer Hilfe ein Kind zu bekommen zu beenden.
Im Folgenden illustriert die Autorin an Hand der „Kinderwunschgeschichten“ von ihr befragter Menschen, welche Hindernisse es auf dem Weg zum Kind gibt, wenn der Partner entweder fehlt, den Kinderwunsch nicht teilt oder man als homosexueller Mensch biologisch kein Kind mit dem Partner empfangen kann. Sie beleuchtet, warum es so schwer fällt, offen mit der Kinderwunschthematik umzugehen und warum viele Nicht-Betroffene die Wucht eines unerfüllten Kinderwunsches nicht verstehen können.
Ein letzter großer Abschnitt beschäftigt sich mit dem Thema Adoption im In- und Ausland sowie weniger umfangreich auch mit dem Thema Pflegekind.
Diskussion
„Ungestillte Sehnsucht“ ist ein sehr klug geschriebenes Buch, das die verschiedenen gesellschaftlichen, philosophischen und psychologischen Aspekte des unerfüllten Kinderwunsches in angenehm lesbarer Weise zusammenfasst. Durch die Illustration mit Geschichten von von ungewollter Kinderlosigkeit Betroffener sowie das Beschreiben des eigenen Kinderwunschweges der Autorin wird das Buch ausgesprochen lebendig.
Für Menschen, die sich mit der eigenen ungewollten Kinderlosigkeit differenziert auseinander setzen wollen sowie für Fachpersonal, das sich in die Thematik einlesen will, bietet dieses Buch einen packenden und umfassenden Einstieg. Einige Wertungen der Autorin auf ihrem eigenen Kinderwunschweg überraschen etwas (bspw. Ablehnung einer Eizellspende wegen möglicher gesundheitlicher Risiken für die Spenderin aber zunächst Akzeptanz einer Leihmutterschaft, die ja deutlich größere gesundheitliche Risiken birgt; dann doch Entscheidung dagegen auf Grund einzelner negativer Aussagen so entstandener Kinder), zeigen aber auch wie schwierig es sein kann, einen eigenen ethisch vertretbaren Weg zum Kind zu finden. Das Thema Adoption ist gegenüber den anderen Themen der Reproduktionsmedizin auch etwas überrepräsentiert. Da das Buch aber auch kein klassischer Ratgeber sein möchte, sondern vielmehr ein Kondensat der Reflektionen der Autorin sowie der von ihr interviewten Menschen ist, kann man dem Buch eigentlich auch nicht vorwerfen solche eigenen Schwerpunkte zu setzen.
Fazit
Ein sehr empfehlenswertes Buch, das einen angenehm lesbaren und umfassenden Einstieg zu den gesellschaftlichen und psychologischen Aspekten des unerfüllten Kinderwunsches gibt.
Rezension von
Dr. med. Judith Zimmermann
Fachärztin für Innere und Allgemeinmedizin, Systemische Therapeutin, Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch (BKiD)
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