Peter Schulz: Beanspruchung und Gesundheit
Rezensiert von Branka Kramaric, 21.03.2014

Peter Schulz: Beanspruchung und Gesundheit. Fehlbeanspruchung, Gesundheitsrisiken und Beanspruchungsoptimierung im Arbeitsleben. Asanger Verlag (Kröning) 2012. 293 Seiten. ISBN 978-3-89334-561-8. D: 29,50 EUR, A: 30,40 EUR.
Thema
Bei der Beschäftigung mit Gesundheit am Arbeitsplatz stehen meist Bedingungen und Verhaltensweisen im Zentrum, die Krankheit verursachen bzw. verursachen können. Zunehmend rückt vor dem Hintergrund der vielfältigen Diskussionen um die Notwendigkeit eines betrieblichen Gesundheitsmanagements die Frage in den Vordergrund: „Was hilft Menschen gesund zu bleiben?“ Mit seinem Buch möchte der Autor dazu beitragen, dass der Zusammenhang zwischen Arbeitsbeanspruchung und Gesundheit besser verstanden wird. Hierzu unternimmt er den Versuch eine in sich geschlossene Theorie zum Zusammenhang von Arbeitsbeanspruchung und Gesundheit zu entwickeln. Diese Theorie soll erklären, wie Gesundheit durch Beanspruchungsoptimierung erhalten werden kann und Risiken durch Fehlbeanspruchung vermieden werden können.
Autor
Dr. Peter Schulz war viele Jahre in der universitären Forschung mit den Themen Arbeitsbelastung und Beanspruchung befasst.
Aufbau
Das Buch besteht aus sieben Teilen mit jeweils mehreren Kapiteln und einem ausführlichen Literaturteil am Ende des Buchs. Jeweils zum Ende eines Teils werden die wichtigsten Thesen aus den einzelnen Kapiteln zusammengefasst.
Inhalt
Im 1. Teil seines Buches stellt der Autor die theoretischen Grundlagen dar. Ausgehend von einem Vergleich des patho- und salutogenetischen Ansatzes, definiert er zunächst den Begriff der Beanspruchung und stellt unterschiedliche Formen der optimalen Beanspruchung und der Fehlbeanspruchung dar.
Er geht dabei von der zentralen Annahme aus, dass durch Beanspruchungsoptimierung Gesundheit gefördert wird und Fehlbeanspruchung zu Gesundheitsrisiken führt. Nach Peter Schulz ist eine Beanspruchung dann gesundheitsdienlich, wenn sie vielseitig, erfolgreich, maßvoll und gewollt ist. Dagegen stellt er die Fehlbeanspruchung, die er als Überbeanspruchung, Beanspruchungsmangel und als erfolglose oder ungewollte Beanspruchung beschreibt. Zum Abschluss betrachtet er das Zusammenspiel von Reflexion und Ressourcen bei der Regulation der Beanspruchung.
Im 2. Teil geht Schulz dann ausführlich auf die Beanspruchungsregulation bei der Bewältigung unterschiedlicher Anforderungen ein. Dazu gehören: Aufgaben, Belastungen, Bedrohungen, Ermüdung und negative Gefühlszustände. Er untersucht die Verhaltensstrategien, die zur Bewältigung eingesetzt werden. Dabei unterscheidet er zwischen der offensiven und der defensiven Form der Auseinandersetzung. Das Treffen der richtigen Entscheidung, d.h. die jeweils passende Bewältigungsform auszuwählen ist maßgeblich für eine gelungene Beanspruchungsregulation.
In Teil 3 wird die Betrachtung der einzelnen Beanspruchungsregulationen durch deren gesundheitsförderliche Aspekte ergänzt. Schulz zeigt hier unterschiedliche Wege auf, wie im Alltag eine vielseitige, erfolgreiche, maßvolle und gewollte Beanspruchung bei der Auseinandersetzung mit Aufgaben, Belastungen, Bedrohungen, Ermüdung und negativen Gefühlen erreicht werden kann.
In Teil 4 analysiert Peter Schulz, welche Auswirkungen eine optimale Beanspruchung auf die Gesundheit hat. Zunächst werden dabei die Effekte auf der körperlichen Ebene betrachtet, insbesondere die Funktionen zur Steuerung der Organtätigkeit und die Funktionstüchtigkeit der Organsysteme. Die Stabilisierung des vegetativen, neurohormonellen und neuromodulatorischen Systems erfolgt durch Optimierung der Beanspruchungsregulation. Im Zeitverlauf werden dabei nicht nur die peripheren Organe, sondern auch das Gehirn gestärkt. Aufgezeigt wird auch die Auswirkung der Beanspruchungsoptimierung über die Befriedigung von zentralen Bedürfnissen auf den Erhalt und zur Verbesserung der psychischen Gesundheit.
Gelingt die Beanspruchungsregulation nicht, d.h. ist sie dysfunktional, entsteht Fehlbeanspruchung. In Teil 5 wendet sich Schulz den verschiedenen Wegen zu, wie diese Fehlbeanspruchungen entstehen. Bei der Auseinandersetzung mit den vier Arten (Überbeanspruchung, Beanspruchungsmangel, erfolglose und ungewollte Beanspruchung) analysiert der Autor problematischen Umgang mit den Aufgaben, Belastungen und den übrigen Anforderungen des Alltags.
Die Auswirkungen und der Einfluss dieser dysfunktionalen Regulation auf die Gesundheit werden in Teil 6 beschrieben. Schulz geht davon aus, dass die unterschiedlichen Arten der Fehlbeanspruchung auch mit unterschiedlichen Gesundheitsrisiken verbunden sind. Sie begünstigen das Entstehen körperlicher Erkrankungen und psychosomatischer Störungen. Exemplarisch werden einige von ihnen behandelt. So werden für die Überbeanspruchung z. B. psychosomatische Störungen wie Hypertonie, Burn-Out in der Anfangsphase, Schlafstörungen, Migräneattacken, Schwächung des Immunsystems und muskuläre Verspannungen diskutiert. Chronisch erfolglose Beanspruchung hat pathogene Auswirkungen wie Hypercortisolismus und begünstigt das Entstehen von Depressionen. Beanspruchungsdefizite gehen mit einer Minderung der Funktionstüchtigkeit von Organsystemen, Burn-Out in der Endphase, Drogenmissbrauch oder Chronischem Erschöpfungssyndrom einher. Dagegen hängen Schlafstörungen, Generalisierte Angststörungen, Posttraumatische Belastungsstörung und Suchtmittelmißbrauch häufig mit einer ungewollten Beanspruchung, die auf einer defensiven Auseinandersetzung mit Anforderungen beruht, zusammen.
Nach diesen ausführlichen Darstellung beschäftigt sich Schulz zum Abschluss in Teil 7 mit der Frage: „Welches sind die personalen und umweltbezogenen Voraussetzungen, die erfüllt sein sollten, um eine gesundheitsdienliche Beanspruchungsregulation zu ermöglichen?“ Und im nächsten Schritt untersucht er mit welchen Maßnahmen können diese Voraussetzungen geschaffen oder verbessert werden.
Dabei wird jeweils das Aufgaben-, Belastungs-, Bedrohungs-, Ermüdungs- und Affektmanagement behandelt. Als Voraussetzungen definiert er für ein gesundheitsförderliches Aufgabenmanagement:
- Angemessene Leistungsbereitschaft
- Ausreichende Handlungsspielräume zur Aufgabenselektion
- Kompetenzen zur Übernahme und Verweigerung von Aufgaben
Ein gesundheitsdienliches Belastungsmanagement benötigt
- Ausgewogenen Belastungsbereitschaft
- Ausreichende Handlungsspielräume zum Belastungsmanagement
- Kompetenzen zum Tolerieren und Meiden von Belastungen
Voraussetzungen für ein erfolgreiches Bedrohungsmanagement sind
- Ausgewogene Besorgnisneigung
- Ausreichende Handlungsspielräume zum Bedrohungsmanagement
- Kompetenzen zum Verarbeiten und Ausblenden von Bedrohungshinweisen
Ebenso finden sich für ein effektives Ermüdungsmanagement die Voraussetzungen
- Ausgewogene individuelle Erholungsbereitschaft
- Ausreichende Handlungsspielräume zum Ermüdungsmanagement
- Kompetenzen zur erfolgreichen Umsetzung
Zu den Voraussetzungen einer gesundheitsdienlichen Regulation negativer Emotionen gehören:
- Ausgewogene Bereitschaft zur Offenbarung negativer Emotionen
- Ausreichende Handlungsspielräume für die Emotionsregulation
- Kompetenzen zum Ausdrücken und Kontrollieren negativer Affekte.
Diskussion
Das Buch gibt einen guten und umfangreichen Überblick über die Zusammenhänge von Beanspruchung und Gesundheit in der betrieblichen Praxis und einen guten Einblick in die wissenschaftliche Forschung hierzu. Neben der wissenschaftlichen Darstellung finden sich viele Praxisbezüge aus unterschiedlichen Bereichen des Arbeitslebens. Es finden sich zahlreiche Hinweise zur gesundheitsförderlichen Gestaltung von Tätigkeiten und Arbeitsfeldern.
Der Autor wählt eine durchgängige Systematik, in der er den von ihm betrachteten fünf Anforderungen des beruflichen Alltags jeweils 4 Arten der optimalen Beanspruchung (vielseitig, erfolgreich, maßvoll, gewollt) und der Fehlbeanspruchung (Überbeanspruchung, Beanspruchungsmangel, erfolglos und ungewollt) gegenüberstellt. Dies ist einerseits für das Verständnis hilfreich, führt aber stellenweise zu Redundanzen. Angenehm sind die kurzen Zusammenfassungen in den einzelnen Kapiteln und Teilen. So lässt sich sehr schnell selektiv Wichtiges erfassen.
Fazit
Peter Schulz hat in dem knapp 300 Seiten starken Buch eine sehr ausführliche und gut aufgebaute Beschreibung der zahlreichen Wirkfaktoren im Zusammenhang mit Beanspruchung und Gesundheit verfasst. Durch die gut nachvollziehbaren Beispiele werden die Umsetzungsfähigkeit und der Transfer in den betrieblichen Alltag ermöglicht.
Das Buch eignet sich vor allem für Experten, die sich in der Forschung oder in der betrieblichen Praxis intensiv mit dem Thema der Gesundheitsvorsorge oder Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen beschäftigen. Trotz der hohen Informationsdichte ist es flüssig und verständlich geschrieben und damit auch gut lesbar.
Rezension von
Branka Kramaric
Coach und Beraterin für kleine und mittelständische Unternehmen und Organisationen, Expertin für Betriebliche Gesundheit,
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