Bodo Klein, Michael Weller: Masterplan Gesundheitswesen 2020
Bodo Klein, Michael Weller: Masterplan Gesundheitswesen 2020. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2012. 225 Seiten. ISBN 978-3-8329-6875-5. 39,00 EUR, CH: 55,90 sFr.
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Thema
Thema des rezensierten Buchs ist eine Bestandsaufnahme zu aktuellen Problemen der deutschen Gesundheitspolitik.
Herausgeber
Bodo Klein ist Jurist mit langjähriger Erfahrung im Gesundheitswesen und als Wirtschaftsmediator und systemischer Berater spezialisiert auf Konfliktberatung im Gesundheitssystem. Michael Weller ist ausgewiesener Experte im Gesundheitswesen und leitet den Politikbereich beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen.
Aufbau
Der Herausgeberband „Masterplan Gesundheitswesen 2020“ umfasst elf Kapitel einschlägiger Autorinnen und Autoren aus den Bereichen Politikwissenschaften, Gesundheitssystemforschung, Pflegewissenschaften sowie der Selbstverwaltung des deutschen Gesundheitssystems.
Inhalt
Im ersten Kapitel formulieren
die Herausgeber eine allgemeine Bestandsaufnahme der
Reformnotwendigkeiten in den Bereichen Umgestaltung des
Versorgungssystems sowie solidarischer Finanzierung des deutschen
Gesundheitssystems. Sie appellieren dabei an die Gesamtverantwortung
aller beteiligten Akteure in Politik und Interessensverbänden und
setzen dabei den normativen Rahmen der zukünftigen Entwicklung.
Das
zweite Kapitel „Gesundheit – ein Geschäft?“ von Stefan
Huster skizziert einen allgemeinen ethischen Rahmen der
gesundheitspolitischen Diskussionen, beginnend mit einer kurzen
Beschreibung der (scheinbaren) Widersprüche zwischen Ethik und
Ökonomie sowie einer allgemeinen Darstellung der
Steuerungsinstrumente Rationalisierung, Rationierung und
Prioritätensetzung. Als Fazit fordert der Autor eine offene
Diskussion der Finanzierungsprobleme und dem Umgang mit der
Mittelknappheit im deutschen Gesundheitssystem.
Kapitel drei
mit dem Titel „Wie funktioniert Gesundheitspolitik?“ von Nils
C. Bandelow, Florian Eckert und Robin Rüsenberg
beschreibt relativ ausführlich die Besonderheiten des Politikfelds
Gesundheit in Deutschland. Wie in zahlreichen anderen Publikationen
auch skizzieren die Autoren die enorme Komplexität und
Vielschichtigkeit der zum Teil gegenläufigen Interessen der
beteiligten Akteure auf Seiten der Leistungserbringer, Zulieferer,
Krankenversicherungsunternehmen und nicht zuletzt der Versicherten
und Patienten. Im Schlussteil formulieren sie allgemeine Vorschläge
zur Weiterentwicklung der gesundheitspolitischen
Entscheidungsfindung: Experten stärken, langfristige
Strategiefähigkeit stärken, Partizipation stärken.
Franz
Knieps beschreibt anschließend im vierten Kapitel
„Versorgungskonzepte der Zukunft“ vor dem Hintergrund der
historischen Entwicklung kollektivvertraglich ausgestalteter
Versorgungssektoren die verschiedenen Ansätze der
Gesundheitspolitik, die Sektorentrennung durch Selektivverträge
zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern zu überwinden.
Modellvorhaben, Strukturverträge sowie Verträge zur Integrierten
Versorgung werden dargestellt, ergänzt durch Berichte über
internationale Managed Care – Erfahrungen.
Der Problematik
unterschiedlicher Versorgungsdichten im Stadt-Land-Vergleich widmet
sich das Kapitel fünf mit dem Titel „Gesundheitliche
Versorgung in der Region“ von Wolfgang Hoffmann und Neeltje
van den Berg. Die Folgen der demografischen Entwicklung für
wenig besiedelte Gebiete, z.B. in Ostdeutschland werden aufbereitet
und mögliche Lösungsansätze innovativer Versorgung werden
präsentiert.
Im sechsten Kapitel stellen Adelheid
Kuhlmey und Doris Schaeffer die Auswirkungen des
demografischen Wandels auf die Krankenversorgung und Pflege
überblicksartig dar. Verschiedene theoretische Arbeiten zur
Entwicklung der Morbidität und Pflegebedürftigkeit werden
präsentiert und das Versorgungsbeispiel „Guided Care“ als
Kombination von Case- und Care-Management als ein möglicher
Lösungsansatz einer bedarfsorientierten Versorgung vorgestellt.
Reiner Hess stellt im siebten Kapitel die Arbeit
des gemeinsamen Bundesausschusses, häufig als „kleiner
Gesetzgeber“ bezeichnet vor.
Christan Igel und Bernhard
Langer widmen sich schließlich in den Kapiteln acht bis zehn
der anderen Seite der Reformbaustellen, der Finanzsituation der GKV.
Zunächst wird die Finanzsituation in einem kurzen historischen
Überblick präsentiert und die zentralen Einflussfaktoren der
Einnahmen (die Grundlohnsummenentwicklung und die
Beitragsbemessungsgrenze) herausgearbeitet. Es wird dargestellt,
dass die Beitragssätze der GKV sich nicht auf dem jetzigen Niveau
befinden müssten, wenn Lohnsummen und Beitragsbemessungsgrenze sich
parallel zum BIP entwickelt hätten. Die verschiedenen bereits aus
den Diskussionen anlässlich der letzten Bundestagswahl bekannten
Reformoptionen zur Finanzierung der GKV (Kopfpauschale versus
Bürgerversicherung) werden von den beiden Autoren in zwei getrennten
Kapiteln noch einmal aufgegriffen und teilweise durch neuere
Diskussionspunkte (z.B. Integration der PKV-Versicherten in die GKV)
ergänzt. Vor- und Nachteile der verschiedenen Finanzierungsmodelle
werden diskutiert.
Im Schlusskapitel greifen die beiden
Herausgeber die zentralen Punkte aus ihrer Sicht noch einmal auf und
fordern vom Gesetzgeber eine fundierte langfristige Strategie
(Masterplan Gesundheitswesen 2020) zur Umgestaltung des deutschen
Gesundheitswesens.
Diskussion
Das Gesundheitswesen in Deutschland
steht wieder einmal vor einem großen Umbruch. Nach der letzten
größeren Reform der Finanzierung der Krankenversicherung und der
Einführung des Gesundheitsfonds wurde bereits postuliert, dass dies
nur ein Zwischenschritt zu einer größeren Reform sein könne. Vor
diesem Hintergrund ist dieser Sammelband „Masterplan
Gesundheitswesen 2020“ höchst interessant, greift es doch die
Diskussionen von damals wieder auf, versachlicht die verschiedenen
Argumentationslinien der beiden Finanzierungsalternativen und ergänzt
die Diskussion um eine vielleicht viel gravierendere Reformbaustelle,
der Versorgungsunterschiede im Vergleich der Regionen in Deutschland.
Dies ist das große Verdienst dieses Buches.
Die Kapitel- und
Autorenauswahl erscheint sehr gelungen und hebt sich von einigen,
eher marktideologisch motivierten Publikationen der letzten Jahre
wohltuend ab, obwohl festgehalten werden muss, dass der Grundgedanke
der Solidarität, d.h. der Verteilung der Belastungen auf alle
Mitglieder einer Gesellschaft, ebenfalls ein ideologisches Motiv ist.
Wünschenswert wären weitere Kapitel zur Qualität der
Krankenversorgung, bspw. die Auswirkungen der DRGs auf die
Fallzahlentwicklung in deutschen Krankenhäusern, gewesen.
Der
Titel „Masterplan Gesundheitswesen 2020“ verspricht deutlich mehr
als er letztlich halten kann. Es ist lediglich die Aufforderung an
die Gesundheitspolitik, einen solchen Masterplan zu entwerfen, aber
keinesfalls ein solcher Plan selbst.
Fazit
Das vorliegende Buch reiht sich ein in eine Vielzahl von Publikationen zu Reformerfordernissen des deutschen Gesundheitswesens. Die beteiligten Autoren diskutieren aus ihrer jeweiligen Perspektive Versorgungs- und Finanzierungsprobleme und Lösungsmöglichkeiten. Den Herausgebern ist es gelungen, einschlägige Autorinnen und Autoren zu den jeweiligen Themenfeldern für dieses Buch zu gewinnen. Aufgrund der Zusammenstellung dieser Autorenbeiträge und der sehr gelungenen theoretischen und empirischen Beiträge erscheint das Buch sehr empfehlenswert.
Rezensent
Prof. Dr. Dieter Ahrens
MPH
Hochschule Aalen
Studiengang Gesundheitsmanagement
Homepage www.htw-aalen.de/studium/gm/
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Zitiervorschlag
Dieter Ahrens. Rezension vom 01.11.2012 zu: Bodo Klein, Michael Weller: Masterplan Gesundheitswesen 2020. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2012. ISBN 978-3-8329-6875-5. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/13854.php, Datum des Zugriffs 17.02.2019.
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